DAZ.online-Spezial Direktvertrieb

Immer Ärger mit der Pharma Mall

Stuttgart - 08.01.2018, 17:45 Uhr

Einzelne Packungen direkt zu bestellen bedeutet in der Apotheke mehr Arbeit. (Foto: Schelbert / DAZ)

Einzelne Packungen direkt zu bestellen bedeutet in der Apotheke mehr Arbeit. (Foto: Schelbert / DAZ)


„Pharma Mall“ ist zwar aktuell vermutlich nicht das schlimmste Reizwort für Apotheker, aber für große Freudensprünge sorgt es nicht. Denn gefühlt sind immer mehr Artikel, insbesondere patentgeschützte, nur noch über diesen Vertriebsweg zu haben – es gibt also immer mehr Direktbestellungen, die für die Apotheke mehr Aufwand bedeuten und zudem für längere Lieferzeiten sorgen. 

Hersteller, Großhändler, Apotheker – so sieht zumindest für die öffentliche Apotheke die übliche Lieferkette aus. Direktbestellungen ergänzen das Ganze vor allem im OTC-Bereich, zum Beispiel die Saisonbevorratung, und bei der Kosmetik. Im Rx-Bereich spielte der Direktvertrieb kaum eine Rolle. Seit die Möglichkeiten der Rabatte massiv eingeschränkt wurden, gibt es hierfür auch wenig Anreize. Ist doch der Aufwand in der Regel größer als bei der Bestellung über den Großhandel.

Allerdings werden Apotheker in letzter Zeit vermehrt zu Direktbestellungen „gezwungen“. Viele Artikel sind über den Großhandel kaum mehr zu bekommen, sondern nur noch über die Pharma Mall. Das trifft insbesondere patentgeschützte Arzneimittel, die von Herstellern kontingentiert werden, zum Beispiel aus dem Bereich der neuen Antidiabetika – Ongylza® und Forxiga®, um zwei Beispiele zu nennen. Die Pharma Mall ist ein Gemeinschaftsunternehmen großer Arzneimittelhersteller. Laut Website soll es der Optimierung „der Transaktionsprozesse zwischen Hersteller und Kunden“ dienen. Ziel sei die „Kostensenkung durch Prozessoptimierung“, heißt es. Klingt doch eigentlich gut. Eine Selbsteinschätzung, die viele Apotheker ihren Erfahrungen zufolge wahrscheinlich nicht teilen. 

Mehraufwand für die Apotheke

Denn immer mehr Apotheker erleben, dass die Pharma Mall die etablierten, optimierten Prozesse, nämlich die Bestellung über den Großhandel, untergräbt. Da ist zum einen der „logistische Irsinn“, wie ein Apotheker gegenüber DAZ.online erklärt, Einzelpackungen direkt zu bestellen. Denn in der Apotheke entstehe dadurch in der Regel Mehraufwand: bei der Bestellung, beim Wareneingang und bei der Bezahlung (mehr zu den entstehenden Kosten erfahren Sie im Laufe dieser Woche) und ebenso bei etwaigen Retouren.

Im Vorfeld der Bestellung muss man sich sowohl bei der Pharma Mall als auch bei den einzelnen Herstellern registrieren. Warum das so ist? Prinzip der Pharma Mall ist es laut AGB, Herstellern die Präsentation und den Verkauf ihrer Produkte über das Internet zu ermöglichen. Sie stellt also die Plattform zur Verfügung. Die Abwicklung der Bestellvorgänge wird über einen separaten Vertrag zwischen Hersteller und Apotheke geregelt.

 Müllberg statt Großhandelskiste

Zudem geht durch den Bezug über die Pharma Mall ein wichtiges Alleinstellungsmerkmale der Apotheke vor Ort verloren: die schnelle Lieferfähigkeit. Die Apotheken verfügen gemeinsam mit dem pharmazeutischen Großhandel über ein Vertriebsnetz, wie es keine andere Branche in Deutschland ihr Eigen nennen kann. Jedes verfügbare Arzneimittel ist in der Regel innerhalb weniger Stunden lieferbar, die Bestellung bei der Pharma Mall kommt zumeist am nächsten Tag – und die geht mit einer „Flut an nicht gewünschten Verpackungen“ einher, wie ein anderer DAZ.online-Leser kritisiert. Er schreibt: „Anstelle einer umweltfreundlichen, je nach Großhandel grün/gelb/blauen Lieferkiste muss ich nun Pappe, Plastikbänder und Folie entsorgen. Und nicht nur ich, sondern gut 20.000 Apotheken mit mir. Ein riesiger Müllberg, den sich ein umweltbewusster Apotheker gar nicht vorstellen möchte.“

Juristisch fragwürdig

Neben all dem Unmut der Apotheker über den organisatorischen Aufwand, machen sich auch Juristen durchaus Gedanken über das Konstrukt. So schrieb Klaus Laskowski, heute stellvertretender Geschäftsführer der bayerischen Landesapothekerkammer, damals stellvertretender Geschäftsführer und Justiziar des Bayerischen Apothekerverbandes, 2015 in der AZ, dass es vor dem Hintergrund des in § 52 b Arzneimittelgesetz (AMG) geregelten Belieferungszwangs rechtlich fragwürdig sei, wenn etwa bestimmte hochpreisige Arzneimittel beim vollsortierten Großhandel nicht lieferbar, gleichzeitig aber beim Hersteller direkt ohne Probleme verfügbar sind.

Auch Rückrufe laufen über die Pharmamall

Zudem sind die Apotheker mittlerweile nicht mehr nur bei den Bestellungen mit der Pharma Mall konfrontiert. Auch Rückrufe werden vermehrt über das Portal abgewickelt statt über den pharmazeutischen Großhandel mittels APG-Formular. Ein Apotheker spricht gar vom „schleichenden Tod der blauen Seiten“, also dem Teil der DAZ, in dem die Rückrufe und die dazugehörigen APG-Formulare abgedruckt werden. Gut aufgehoben fühlen sich die Apotheker allem Anschein nach dort nicht. So ist beispielsweise von einem anonymen Dienstleister die Rede, der sich wenig um die Bedürfnisse der Apotheker kümmert.

Kurzum, es gibt viel Unmut über die Pharma Mall. Eine Chance hat man als Apotheker allerdings nicht. Die Pharmazeuten sind dazu verpflichtet, ihre Patienten mit dem gewünschten Arzneimittel zu versorgen. Dass der Bestellvorgang einzelner Arzneimittel unliebsam, kompliziert und über-bürokratisiert ist, ändert nichts an dieser Pflicht - und auch nicht an der Vergütung der Apotheker.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Pharmamall-Monster

von Silke Hans am 09.01.2018 um 11:04 Uhr

Wenn jetzt alle Apotheken mal ein halbes Jahr lang ihre Bestellungen dort NICHT bündeln, sondern jeden Tag eine Packung ordern, vergrössern wir zwar kurzfristig den Müllberg noch mehr....langfristig wird aber vielleicht mal die Firmenlogistik überdacht...

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