Typ 1-Diabetes

Forscher arbeiten an Schluckimpfung gegen Diabetes

Remagen - 01.02.2018, 11:15 Uhr

Gibt es bald eine Schluckimpfung gegen Diabetes? (Foto: Imago)

Gibt es bald eine Schluckimpfung gegen Diabetes? (Foto: Imago)


Eine Schluckimpfung gegen Diabetes – für Typ 1-Diabetiker könnte das in Zukunft wahr werden, aber nur wenn die Veranlagung früh genug erkannt wird, und zwar schon im Säuglingsalter. Mit der großangelegten Präventionsstudie Primary Oral Insulin Trial (POInT-Studie), die gerade beginnt, kommen die Forscher diesem Ziel vielleicht einen großen Schritt näher.

Anfang der Woche wurde zusammen mit der Eröffnung eines neuen „Studienzentrums Pädiatrie“ in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden die neue Präventionsstudie „POInT“ gestartet. Ziel der europaweiten Studie ist es, die Entstehung von Typ 1-Diabetes mit Hilfe einer Insulin-Impfung zu verhindern.

Typ 1 Diabetes oft viele Jahre unerkannt

Der Typ 1-Diabetes ist eine „Autoimmunkrankheit“, bei der das körpereigene Immunsystem sich gegen die insulinproduzierenden Zellen (Betazellen) in der Bauchspeicheldrüse richtet und sie zerstört. Oft ist das körpereigene Insulin das erste Ziel dieser fehlerhaften Reaktion des Immunsystems. Ein Typ-1-Diabetes bleibt meist viele Jahre unerkannt, bis er sich schlagartig in oftmals lebensbedrohlichen Symptomen äußert. Etwa 30 von 1000 Kindern besitzen Risiko-Gene dafür. In Deutschland sind etwa 21.000 bis 24.000 Kinder und Jugendliche an Typ-1-Diabetes erkrankt. Bislang müssen die Patienten ihrem Körper lebenslang Insulin zuführen.

Wie funktioniert die Insulin-Impfung?

Die Impfung mit Insulin soll dafür sorgen, dass der Typ 1-Diabetes gar nicht erst entstehen kann. Hierzu wird das Immunsystem quasi darauf trainiert, das Insulin nicht anzugreifen, das heißt eine Immuntoleranz aufzubauen. Damit wird der Autoimmunprozess verhindert. Nach der oralen Gabe wird das Insulin über die Schleimhäute des Mundes und des Verdauungstraktes aufgenommen und vom Körper in kleine Bausteine zerlegt. Diese reichen aus zwar aus, um vom Immunsystem erkannt zu werden, dienen jedoch anders als das parenteral verabreichte Insulin nicht zur Senkung des Blutzuckers. 

Die Pre-POINT-Studie zur Dosisfindung

Mit diesem Ansatz betreten die Forscher in der POInT-Studie kein Neuland. In einer bereits abgeschlossenen Vorgängerstudie, der Pre-POINT Studie, hatten Wissenschaftler vom DFG Center for Regenerative Therapies Dresden, TU Dresden, und vom Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München zusammen mit Forschern aus Wien, Bristol und Denver (USA) bereits getestet, welche Insulindosis hierfür notwendig ist. Die Untersuchung wurde von 2009 bis 2013 durchgeführt und die Ergebnisse im April 2015 in JAMA publiziert.

In der Doppelblindstudie hatten 25 Kinder zwischen zwei und sieben Jahren mit hohem Typ 1 Diabetes-Risiko durchschnittlich ein halbes Jahr lang einmal täglich ansteigende Dosen von oralem Insulin bekommen. In der höchsten Dosis (67,5 mg) rief das Insulinpulver schließlich die gewünschte Immunantwort hervor, wobei es zu nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen wie etwa Hypoglykämien kam.

Pre-POINTearly bei jüngeren Kindern

Da die Autoimmunität zu einem großen Teil schon in den ersten Lebensmonaten auftritt, erscheint es sinnvoll, die Impfung so früh wie möglich durchzuführen, wenn die Kinder noch keine Autoantikörper entwickelt haben. Eine Forschergruppe von der TU München hat deshalb basierend auf den Ergebnisse der Pre-POINT-Studie eine Nachfolgestudie mit Namen Pre-POINTearly aufgelegt. In diese wurden kleinere Kinder in der Altersgruppe zwischen sechs Monaten und zwei Jahren mit einem erstgradigen Verwandten mit Typ-1-Diabetes einbezogen. Die Studie dauerte von Dezember 2015 bis Dezember 2017. Die Ergebnisse werden gerade ausgewertet.

Was ist die POInT-Studie?

An der Phase II-Studie mit geplanten 1040 Studienteilnehmern sind Forschergruppen aus Belgien, Deutschland (München, Hannover und Dresden), Großbritannien, Polen und  Schweden beteiligt. Sie dauert von Januar 2018 bis Januar 2025. Nach dem Studienprotokoll sollen die einbezogenen Säuglinge über 29 bis 32 Monate hinweg täglich eine Kapsel mit Pulver oder Placebo bekommen. Das geschmacksneutrale Pulver wird zusammen mit der Nahrung (zum Beispiel verrührt in Brei oder Joghurt) verabreicht. Die Behandlung der Kinder endet im Alter von drei Jahren. Danach werden in halbjährlichen Abständen weitere körperliche sowie Blutuntersuchungen durchgeführt.  

 „Die POInT-Studie ist nicht nur eine einmalige Chance für die betroffenen Familien, sie könnte weltweit im Kampf gegen Typ 1-Diabetes eine ganz neue Dimension der Prävention von Autoimmunerkrankungen eröffnen“,  sagt der and der Untersuchung beteiligte Direktor des Centers for Regenerative Therapies Dresden (CRTD) Ezio Bonifacio.

Freder1k-Neugeborenenscreening als Grundlage

In die POInT-Studie können Kinder eingeschlossen werden, bei denen im Rahmen des 2016 begonnenen Freder1k-Neugeborenenscreenings ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes festgestellt wurde. Für Kinder, in deren nächster Verwandtschaft keine Fälle von Typ-1-Diabetes vorkommen, wird die Früherkennungsuntersuchung in Bayern, Niedersachsen und Sachsen angeboten. Zudem können Babys, deren Eltern oder Geschwister bereits Typ-1-Diabetes haben unabhängig vom Wohnort deutschlandweit an der Freder1k-Studie teilnehmen.

Die Bestimmung des Typ-1-Diabetes Risikos wird anhand weniger Blutstropfen durchgeführt. Der Test ist kostenfrei. Wegen des bisherigen Erfolgs des Frederi1k-Modells in Deutschland sollen damit auch europaweit mehr als 300.000 Kinder auf ein erhöhtes Typ 1-Diabetes-Risiko untersucht werden. Gegebenenfalls wird die Teilnahme an POInT angeboten.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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