Wahlkampf in Italien

Berlusconi-Partei will Apothekenketten-Gesetz zurückdrehen

Berlin - 13.02.2018, 15:15 Uhr

Maurizio Gasparri, Vizepräsident des italienischen Senats, hat angekündigt, dass er und seine Partei Forza Italia sich dafür einsetzen werden, dass die Deregulierung des Apothekenmarktes wieder zurückgedreht wird. (Foto: Imago)

Maurizio Gasparri, Vizepräsident des italienischen Senats, hat angekündigt, dass er und seine Partei Forza Italia sich dafür einsetzen werden, dass die Deregulierung des Apothekenmarktes wieder zurückgedreht wird. (Foto: Imago)


In Italien herrscht derzeit Wahlkampf. Am 4. März ist die Bevölkerung aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Auch die Apotheken sind Wahlkampf-Thema, schließlich hat die nun scheidende Regierung erstmals Apothekenketten erlaubt. Forza Italia, die Partei von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, hat nun angekündigt, die Ketten-Freigabe wieder aufheben zu wollen, wenn eine Mitte-Rechts Koalition gebildet werden sollte.

Ende 2016 hatte der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi nach einer verlorenen Abstimmung über eine Verfassungsreform das Handtuch geworfen, seitdem regiert in Italien eine Übergangsregierung, Ende 2017 wurde dann die Auflösung des Abgeordnetenhauses beschlossen. Nun steht Italien vor einem größeren politischen Umschwung. Denn die derzeitigen Umfragewerte zeigen, dass sich eine Mitte-Rechts-Koalition durchsetzen könnte. Zu dieser Koalition würden mehrere Parteien gehören. Darunter unter anderem die rechtspopulistische Lega Nord, die die Abspaltung des Norden aus der Republik erreichen will, die nationalkonservative Partei „Fratelli d’Italia“ sowie die konservativ-populistische Partei „Forza Italia“, für die Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi derzeit heftig die Werbetrommel rührt.

Aus Sicht der Apotheker gibt es zwei brennende Themen im Wahlkampf: Immer wieder wird über das sogenannte „Konkurrenz-Gesetz“ gestritten, das die Regierung Renzi durchgesetzt hatte. Das Gesetz enthielt die Deregulierung vieler staatlich geschützter, beziehungsweise strikt regulierter Bereiche. Auch der Apothekenmarkt wurde teil-liberalisiert: Seit dem vergangenen Jahr gibt es in Italien kein Fremd- und Mehrbesitzverbot mehr, Unternehmen können also Apotheken kaufen und eröffnen. Auf den letzten Metern hatte es aber noch ein Änderungsantrag ins Gesetz geschafft, der eine Obergrenze von 20 Prozent Kettenbeteiligung pro Bundesland vorsieht. Außerdem besteht nach wie vor die relativ strenge Bedarfsplanung – auch Unternehmen können daher nur dort Apotheken eröffnen, wo die Behörden einen Bedarf erkennen.

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Die schleichende Deregulierung

Das zweite „heiße“ Thema für die Apotheker ist die Deregulierung der sogenannten Medikamentenliste C, der „Fascia C“. Die Liste enthält viele nicht erstattungsfähige OTC-Medikamente, aber auch einige Präparate, die hierzulande nur auf Rezept abgegeben werden. Die Betreiber der OTC-Shops in Italien (Parafarmacie) pochen schon seit Jahren darauf, dass die Liste aus den Apotheken entlassen wird und die Präparate auch außerhalb der Offizin angeboten werden können.

Im Wahlkampf hat sich nun ein prominenter Spitzenpolitiker der Forza Italia auf die Seite der Apotheker gestellt. Maurizio Gasparri, der auch Vize-Präsident des italienischen Senats ist, hat angekündigt, die Ketten-Regelung wieder rückgängig machen zu wollen, sollte seine Partei an der Regierung beteiligt werden. In einem Interview mit dem Apothekerverband Federfarma erklärte Gasparri wörtlich: „Wenn wir in der Regierung dieses Landes sind, werden wir diese Tendenz stoppen. Ich wünsche mir, dass wir diese falsche Entscheidung wieder zurückdrehen können.“

Wird Berlusconi zum fünften Mal Ministerpräsident?

Gasparri erklärte, dass seine Partei die Forderungen der Vor-Ort-Apotheker grundsätzlich unterstütze. „Ich habe die Welt der freien Berufe immer verteidigt. Die Verteidigung der Apotheke vor Ort geht sogar noch weiter, weil es hierbei auch um die Gesundheit der Bürger geht. Die Apotheker sind eine fundamentale Instanz des Gesundheitsschutzes. Sie geben nicht nur Medikamente ab, sondern können auch mit ihrem Wissen weiterhelfen und somit auch die Notfallambulanzen entlasten, indem sie ‚kleine‘ Situationen selbst lösen.“

Das Konkurrenz-Gesetz kritisierte Gasparri aufs Schärfste. Das Vorhaben habe den Markt geöffnet, ohne den Bürger zu schützen. „Es verteidigt keine Kompetenzen und führt zu einem Risiko, weil der Apothekensektor verarmen könnte. Schließlich würde eine Multiplikation der Abgabestellen auch zu einer Veränderung bei den Vor-Ort-Apotheken führen“, erklärte der Politiker. Gasparri gilt als enger Vertrauter Berlusconis. Zwischen 2001 und 2005 war er im Kabinett Berlusconi II „Minister für Kommunikation“. Unter ihm entstand das häufig kritisierte Medien-Gesetz „Legge Gasparri“ – Kritikern zufolge hat das Gesetz damals viele Vorteile für Berlusconis privaten Medienkonzern Mediaset geschaffen.

Berlusconi selbst ist eines der Hauptgesichter im derzeitigen italienischen Wahlkampf. Auf den Postern seiner Forza Italia steht der Slogan „Presidente Berlusconi“, das als eine Anspielung auf den Posten des Ministerpräsidenten verstanden werden kann. Dass Berlusconi selbst das Amt des Regierungschefs übernimmt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Der 81-Jährige war 2013 wegen Steuerbetrugs letztinstanzlich zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Aufgrund seines Alters konnte der Ex-Ministerpräsident die Strafe jedoch teils im Hausarrest und teils im Sozialdienst verbringen. Berlusconi verlor auch seinen Posten im Senat und dufte für zwei Jahre keine politischen Ämter bekleiden. Da diese Frist nun abgelaufen ist, wäre eine Kandidatur Berlusconis rein theoretisch möglich. Als wahrscheinlicher wird es in Italien aber eingeschätzt, dass er in entscheidender Rolle an möglichen Koalitionsverhandlungen teilnimmt und einem anderen Politiker dann den Vortritt überlassen würde.

Der „Cavaliere“, wie Berlusconi in Italien oftmals genannt wird, war insgesamt vier Mal Ministerpräsident. Erstmals kandidierte er 1994 – damals hatte er relativ kurz vor den Wahlen seine Partei Forza Italia gegründet und behauptet, dass er die italienische Politik von Korruption und Machenschaften befreien wollte. Berlusconi war damals ein erfolgreicher Medien- und Immobilienunternehmer.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Sogar Großkapitalisten kapierens, zumindest in Italien

von Ratatosk am 13.02.2018 um 18:43 Uhr

Ob man Berlusconi nun mag oder nicht, es ist schon erstaunlich, daß ein veritables Mitglied des Großkapitals einsieht, was großkapitalistische Strukturen hier anrichten. Leider reicht es bei den meisten in der SPD, FDP und den Grünen nicht zu solchen Erkenntnisgewinnen. Auch erstaulich, daß dies im allgemeinen aber sowohl bei der CSU als auch den Linken problemlos erkannt wird.
Die Ursachen, warum viele Politiker/innen hier solche Erkenntnisprobleme haben sollte man sich schon mal in einer stillen Stunde überlegen !

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