Pharmacon Meran

Welche Inhalativa kann man austauschen und welche nicht?

Meran - 30.05.2018, 11:20 Uhr

Die Therapie von Atemwegserkrankungen steht und fällt mit der richtigen Handhabung von inhalativen Arzneimitteln. Professor Daniels aus Tübingen weiß, in welchen Fällen die Substitution durch ein Rabattarzneimittel aus technologischer Sicht problematisch werden kann. (Foto: DAT / cst)

Die Therapie von Atemwegserkrankungen steht und fällt mit der richtigen Handhabung von inhalativen Arzneimitteln. Professor Daniels aus Tübingen weiß, in welchen Fällen die Substitution durch ein Rabattarzneimittel aus technologischer Sicht problematisch werden kann. (Foto: DAT / cst)


Dosieraerosole und Pulverinhalatoren sind ohnehin schon schwierig anzuwenden. Muss sich der Patient aufgrund eines neuen Rabattvertrags auf ein neues Inhalativum einstellen, kann seine Therapie gefährdet sein. Auf dem Pharmacon-Kongress in Meran beleuchtete Professor Rolf Daniels aus technologischer Sicht, in welchen Fällen pharmazeutische Bedenken angezeigt sind. Moderatorin Professor Holzgrabe forderte die ABDA zum Handeln auf.

Etwa 70 Prozent der älteren Menschen mit Asthma oder COPD wenden ihre inhalativen Arzneimittel falsch an. Wird dann noch das vertraute Gerät aufgrund eines neuen Rabattvertrags ausgetauscht, sind viele Patienten überfordert. Denn die Betroffenen müssen die Anwendung neu erlernen. Im Akutfall kann die Verunsicherung über den neuen Inhalator die Gesundheit gefährden.

Kein Substitutionsausschluss bei Inhalativa

Die DPhG-Leitlinie zur guten Substitutionspraxis hat daher die Inhalativa in die Gruppe der kritischen Arzneimittel aufgelistet. Für den GBA hingegen fallen inhalative Darreichungsformen nur unter die „normale“ Aut-idem-Regelung.

Hat der Arzt das entsprechende Kreuz nicht gesetzt, haben Apotheker die große Verantwortung, von pharmazeutischen Bedenken Gebrauch zu machen oder nicht. „Eigentlich mag ich den Begriff nicht, denn wir sind keine notorischen Bedenkenträger“, erklärte Professor Rolf Daniels beim 56. Pharmacon-Kongress in Meran. Es gehe darum, den Therapieerfolg für den Patienten zu gewährleisten. In seinem Vortrag erläuterte Daniels, wann der Austausch von Inhalativa  aus technologischer Sicht problematisch oder zumutbar ist.

Sprühmechanismus für Ältere schwer auszulösen

Bei Dosieraerosolen passieren die meisten Fehler beim sogenannten Atemmanöver, das aus drei Schritten besteht: Ruhig und tief einatmen und dabei sprühen, eine Atempause einlegen und ausatmen. Empfindet der Patient den Sprühmechanismus als zu schwer, kann er diese anspruchsvolle Koordinationsleistung jedoch nicht mehr erbringen.

Auch wirkstoffgleiche Dosieraerosole unterschieden sich spürbar darin, wie schwer der Sprühstoß zu betätigen ist. „Die benötigte Kraft liegt zwischen 24 und 38 Newton, was etwa dem Lochen von Papier entspricht“, verdeutlichte der Tübinger Technologieprofessor. Für ältere Patienten oder Rheumatiker ist das allerdings ein Bereich, in dem jedes Newton mehr Kraftaufwand ins Gewicht fällt.

Kein Wechsel bei atemzuginduzierbaren Abgabesystemen

Atemzuginduzierbare Abgabesysteme wie etwa Autohaler® oder Easi-Breathe® nehmen dem Patienten die Koordination zwischen Einatmen und Sprühen ab. Ist der Patient an eine solche Applikationshilfe gewöhnt, sollte er nach Meinung von Daniels auch nicht mehr auf ein „normales“ Dosieraerosol umgestellt werden. Aktuelle Zahlen des Deutschen Arzneimittelprüfinstituts (DAPI) zeigen, dass bei diesen atemzuginduzierbaren Abgabesystemen in über 60 Prozent der Fälle pharmazeutische Bedenken zum Einsatz gekommen sind.

Eine zweite Möglichkeit, die Anwendung von Dosieraerosolen zu erleichtern, sind sogenannte Spacer, die auf das Gerät gesteckt werden. Hier ist bei einem Präparatewechsel zu bedenken, dass der alte Spacer und der neue Inhalator nicht immer kompatibel sind und der Patient möglicherweise eine neue Anwendungshilfe benötigt.

Pulverinhalatoren: Kraftvolles Einatmen möglich?

Bei Pulverinhalatoren kommt der Patient nicht darum herum, sein Atemmanöver zu koordinieren. Außerdem ist die Einatmungstechnik (inspiratorischer Fluss) entscheidend, ob der Wirkstoff in die Bronchien gelangt. Der Widerstand, den die Pulverinhalatoren beim Einatmen erzeugen, ist beispielsweise bei den Budenosid-Inhalatoren Novolizer® (am niedrigsten), Turbohaler® und Easyhaler® (am höchsten)* verschieden. Je höher der Widerstand, desto größer muss der inspiratorische Fluss beim Einatmen sein. Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen sind in ihrer Atemleistung häufig eingeschränkt. Dies sollte bei der Entscheidung, ob pharmazeutische Bedenken zum Einsatz kommen sollen, berücksichtigt werden.

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*Anmerkung der Redaktion: Hier gibt es auch Ausnahmen: Manche Devices desagglomerieren mit einem hohen Widerstand effizienter, sodass bei diesen (u.a. Easyhaler) die Freisetzung eines lungengänggen Wirkstoffes nicht so stark von den individuellen Fähigkeiten des Patienten abhängt. Wir bitten die Verallgemeinerung zu entschuldigen.

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Sind Inhalationswiderstand und weitere Anwendungsmerkmale jedoch ähnlich, wie es bei den Fluticason-Salmeterol-Pulverinhalatoren Viani®, Rolenium® und Airflusal® der Fall ist, ist aus Sicht von Daniels eine Substitution zumutbar. Allerdings nicht ohne erneute Schulung des Patienten auf die Handhabung. Hier kommt dem Apotheker eine wichtige Rolle zu.

Holzgrabe appelliert an die ABDA

In der Abschussdiskussion betonte die Moderatorin, Professor Ulrike Holzgrabe, wie schwerwiegend die Folgen eines Präparatewechsels für den einzelnen Patienten sein können. „Es geht um lebensbedrohliche Krankheiten“, mahnte die ehemalige DPhG-Präsidentin. Holzgrabe wies darauf hin, dass Fernsehsendungen wie etwa „Marktcheck“ mit belangloseren Themen wie beispielsweise ein Wurstvergleich großes öffentliches Interesse wecken können. „Ich fordere die ABDA beziehungsweise ihre Pressestelle dazu auf, sich mit diesem wichtigen Thema in so einer Sendung zu platzieren“, appellierte die pharmazeutische Chemikerin aus Würzburg.

DAZ/cst
BAK-Präsident Kiefer lehnt die Forderung von Professor Holzgrabe ab.

BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer fing den Ball auf: „Zu dem ohnehin schwierigen Dreiecksverhältnis zwischen Arzt, Apotheker und Patient kommt hinzu, dass die Behandlungskosten von der Allgemeinheit getragen werden.“ Konsumgüter hingegen wie etwa Würstchen, die im Fernsehen thematisiert werden, bezahlen die Bürger privat. Man dürfe den GBA in seinen Entscheidungen nicht „verteufeln“ und solle zumutbare Substitutionen akzeptieren. „In der Politik ist es aber sehr wohl angekommen, welche hohe Verantwortung tagtäglich auf den Apothekern lastet“, gab Kiefer zu hoffen.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Sonder PZN 6 !

von gabriela aures am 30.05.2018 um 12:27 Uhr


WIR haben die Sonder-PZN 6 - nutzen wir sie endlich im gebotenen Fall !
Aber davor schrecken so viele KollegInnen zurück, welch ein Trauerspiel ....da können wir mal pharmazeutisch kompetent entscheiden und ziehen den Schwanz ein.

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