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NDMA-Verunreinigung
Valsartan: FDA jongliert mit nicht nachvollziehbaren Zahlen zum Krebsrisiko
Ein zusätzlicher Krebsfall pro 8000 Patienten, die über einen Zeitraum von vier Jahren eines der kontaminierten Valsartan-Präparate in der höchsten Dosis von 320 mg eingenommen haben. Diese Zahlen warf die US-amerikanische Aufsichtsbehörde vergangene Woche in den Raum – anscheinend von dem Wunsch getrieben, das Risiko durch eine jahrelange Einnahme der verunreinigten Blutdrucksenker zu beziffern. Wie sie auf diese Zahl kommt, ist allerdings nicht nachzuvollziehen.
Die Arzneimittelkommission der Apotheker (AMK) hat vergangene Woche eine vorläufige Stellungnahme zum toxikologischen Risiko der NDMA-Verunreinigung in valsartanhaltigen Arzneimitteln abgegeben. Auf Basis der vom ZL in Stichproben gemessenen Werte und der daraus resultierenden Abschätzung der maximalen täglichen Belastung, hat die AMK einen Risikoscore, den sogenannte Margin of Exposure, ermittelt, dessen Höhe als besorgniserregend einzustufen sei, wie es heißt. Weder die Berechnung noch der Score selbst sind schlagzeilentauglich, weil sie relativ komplex sind – aber nachvollziehbar. Mit konkreten Angaben zum tatsächlichen Risiko, was ohne Frage plakativer wäre, hält sich die AMK zurück. Ebenso tut das auch der Toxikologe Ralf Stahlmann, der für die DAZ ebenfalls eine Risikobewertung vorgenommen hat.
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Ganz anders die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA: In einer Mitteilung vom vergangenen Freitag schreibt sie, dass eine tägliche Aufnahme der kanzerogenen Substanz NDMA von bis zu 96 ng für einen Menschen als relativ sicher erachtet wird. Eine Aufnahme dieser Größenordnung, zum Beispiel über die Nahrung, würde zu weniger als einem zusätzlichen Krebsfall pro 100.000 Menschen führen. Eine Auffassung, die die AMK übrigens auch nicht ganz teilt. In der Stellungnahme heißt es nämlich sinngemäß, dass man bei genotoxischen und karzinogenen Substanzen, nicht zweifelsfrei von einem Grenzwert ausgehen kann, unter dem eine Exposition unbedenklich ist. Hintergrund ist, dass diese Substanzen bereits in sehr kleinen Mengen das Risiko bergen, krebsauslösend zu wirken – wenn auch in dosismäßig geringem Ausmaß.
FDA: eine zusätzliche Krebserkrankung pro 8000 Valsartan-Patienten
Weiter schreibt die FDA, dass die NDMA-Mengen, die in Valsartan nachgewiesen wurden, diese akzeptablen Werte überschreiten. Und weiter: Man habe das Bedürfnis gehabt, das tatsächliche Risikopotenzial für Patienten, die stark belastete Valsartan-Präparate eingenommen haben, in einen Zusammenhang zu stellen. Schätzungen von FDA-Wissenschaftlern zufolge, tritt bei 8000 Patienten, die über einen Zeitraum von vier Jahren täglich 320 mg Valsartan eingenommen haben, ein zusätzlicher Krebsfall auf. Eine Aussage, die zugegebenermaßen ungleich plakativer ist als ein komplizierter Risikoscore. Die vier Jahre basierten übrigens auf Herstellerdaten, denen zufolge wohl seit diesem Zeitraum kontaminiertes Valsartan in den USA in den Verkehr gebracht worden sein könnte. Wie die Behörde und deren Wissenschaftler auf diesen Wert von einer zusätzlichen Krebserkrankung pro 8000 Valsartan-Patienten kommen, bleibt aber völlig unklar. Eine Angabe über die nachgewiesenen NDMA-Konzentrationen findet man nämlich nicht.
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Toxikologe hält Skepsis für angebracht
Professor Ralf Stahlmann hält eine gewisse Skepsis gegenüber solchen Berechnungen für angebracht, wie er in seinem Beitrag in der aktuellen DAZ schreibt. Die Mathematik sei zwar exakt, aber die zugrunde liegenden Annahmen seien aufgrund mangelnder biologischer Kenntnisse meist nicht im Detail erklärt. Erschreckend ist seiner Ansicht nach die Tatsache, dass es sich wohl um Hunderttausende Patienten handelt. Er findet es allerdings auffällig, dass eine Behörde überhaupt eine derartige Zahl in einer frühen Phase der Bewertung publiziert. Er verweist dabei auf einen Fall, der etwa zehn Jahre zurückliegt: Das HIV-Mittel Nelfinavir war aufgrund einer Kontamination mit Ethylmethansulfonat, das mit der DNA interagiert und im Tierexperiment mutagen und kanzerogen wirkt, zurückgerufen worden. Damals habe die Frage im Raum gestanden, ob ein Register eingerichtet werden sollte, um die betroffenen Patienten weiter zu verfolgen und hinsichtlich eines erhöhten Krebsrisikos über Jahre und Jahrzehnte zu monitoren, schreibt Stahlmann. Auch hier habe man – wie bei NDMA derzeit – angenommen, dass eine lineare Dosis-Wirkunsgkurve und keine Wirkungsschwelle besteht. Allerdings sei dann im Tierversuch tatsächlich der Nachweis einer solchen Schwellendosis für mutagene Effekte gelungen. Sie liege um Größenordnungen höher als die von Patienten durch die verunreinigten Tabletten aufgenommene Menge. Aufgrund dieser Erkenntnisse habe man das Register-Vorhaben fallen lassen. Die EMA habe damals erstmalig ein Schwellendosis-Konzept für eine mutagene, mit der DNA interagierende Substanz akzeptiert, so Stahlmann.
4 Kommentare
Guter Einfall
von Dr. Björn Maul am 04.08.2018 um 8:11 Uhr
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Verrannt
von Wolfgang Müller am 02.08.2018 um 17:09 Uhr
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Verantwortung bei der AMProduktion?
von Heiko Barz am 02.08.2018 um 11:36 Uhr
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Starker Tobak
von Ralph Richter am 01.08.2018 um 22:56 Uhr
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