DAZ.online-Miniserie „Jüdische Apotheker“ (1)

Der lange Weg der Emanzipation

Berlin - 10.08.2018, 17:45 Uhr

Durch den antisemitischen Terror während der NS-Zeit wurde die Entwicklung jüdischer Apotheker in Deutschland gestoppt. Aber was geschah davor? Wie viele jüdische Apotheker gab es? DAZ.online-Autorin Inken Rutz hat sich dieser Frage im ersten Teil der Miniserie über jüdische Apotheker gewidmet. (Foto: Imago)

Durch den antisemitischen Terror während der NS-Zeit wurde die Entwicklung jüdischer Apotheker in Deutschland gestoppt. Aber was geschah davor? Wie viele jüdische Apotheker gab es? DAZ.online-Autorin Inken Rutz hat sich dieser Frage im ersten Teil der Miniserie über jüdische Apotheker gewidmet. (Foto: Imago)


„Judenedikt“ von 1812 – Versuch der Gleichstellung der Juden

Vorreiter in Sachen bürgerlicher Gleichstellung von Juden mit Christen war Frankreich, das als erstes europäisches Land nach der Französischen Revolution Juden als „Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten“ einstufte. Die Juden sollten sich nicht mehr als kollektive Nation innerhalb einer anderen Nation verstehen, sondern ihr Judentum auf rein konfessioneller Grundlage neu definieren. Als Neu-Bürger mussten sie im Gegenzug unter anderem Wehrdienst leisten. Die französischen Vorgaben wurden in den von Napoleon eroberten linksrheinischen Gebieten eingeführt und nach und nach von fast allen deutschen Staaten übernommen. 

Der Frage nach Anerkennung der Juden und Gleichstellung mit den Christen wurde in Preußen im Jahre 1812 mit dem „Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate“ – dem sogenannten „Preußischen Judenedikt“ – begegnet. Das Edikt von Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. sollte die Juden zu Inländern und preußischen Staatsbürgern machen. Ziel war letztlich die Assimilation der Juden. Allerdings griffen die Regelungen nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen und machte die Juden schon gar nicht zu politisch-religiös anerkannten Bürgern. 

Bürgerliche Rechte – aber keine wirkliche Gleichberechtigung

Auch nach dem „Preußischen Judenedikt“ konnten jüdische Apotheker keine Genehmigung zur Führung einer Apotheke erhalten. Daran änderte auch eine Einlassung des preußischen Staatsministers Freiherr von Altenstein aus dem Jahre 1821 nichts. Im Gegenteil, das Schreiben des Ministers zeigte nur die Vorurteile gegenüber jüdischen Apothekern: Juden sollten nur unter der Bedingung, dass mindestens zwei Apotheken am Ort vorhanden seien, zum Kauf von Apotheken zugelassen werden. Auf diese Art und Weise sollte dem Misstrauen der Bevölkerung und der Behörde begegnet werden. In Realität wurden weder Personal- noch Realkonzessionen an jüdische Apotheker vergeben.

Ein anderes Ministerial-Schreiben von 1840 macht die fast schon irrwitzige Lage deutlich: In diesem wurde die Nichtvergabe von Apothekenprivilegien begründet und gleichzeitig angegeben, dass es keine rechtlichen Gründe gäbe, die gegen eine Lizenzvergabe sprächen. Diese aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbare Denkweise wurde mit einem anzunehmenden „eigennützigen Geschäftsgebaren“ jüdischer Apotheker begründet, dass eine umfangreiche polizeiliche Aufsicht erfordern würde, da es sonst „dem Publikum sehr gefährlich“ würde. Es sei deshalb nicht ratsam für den preußischen Staat. Die antisemitischen Vorurteile führten auf diese Weise zu einem Quasi-Niederlassungsverbot, dass durch Gesetze nicht begründet war. Die restlichen deutschen Staaten orientierten sich meist an Preußen. Ausnahme stellte das aufgeklärte Großherzogtum Hessen dar, in dem die Emanzipation faktisch umgesetzt war.  



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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