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Vor dem Landgericht Halle müssen sich derzeit eine 64-jährige Apothekerin und ihr 37-jähriger Sohn, ebenfalls Apotheker, wegen Rezeptbetrugs verantworten. Mehr als 650.000 Euro sollen sie unberechtigt von verschiedenen Krankenkassen eingestrichen haben. Am ersten Prozesstag am vergangenen Freitag legten beide ein Geständnis ab. Das dürfte zu milderen Strafen führen.
Die Stadt-Apotheke in Hohenmölsen (Burgenlandkreis) ist laut Google „dauerhaft geschlossen“. Und das bereits seit 2013 – nachdem bekannt wurde, dass hier offenbar Rezeptbetrug im großen Stil betrieben wurde. Seit vergangenem Freitag stehen die frühere Inhaberin, eine 64-jährige Apothekerin, sowie ihr Sohn, der die Apotheke im Sommer 2010 übernommen hat und seine Mutter als Angestellte weiterbeschäftigte, vor dem Landgericht Halle. Ihnen werden gewerbsmäßiger Betrug in 171 Fällen (Mutter) beziehungsweise Beihilfe dazu in 72 Fällen (Sohn) zur Last gelegt.
Laut Gericht soll die Apothekerin in den Jahren 2008 bis 2012 eine Vielzahl von Kassenrezepten manipuliert haben. Sie soll die Verordnungen mit unzutreffenden Angaben bedruckt oder handschriftlich ergänzt haben – etwa um zusätzliche Arzneimittel. Damit wurde den Krankenkassen mehr in Rechnung gestellt als tatsächlich ärztlich verordnet – und die Apothekerin bekam die höheren Beträge ausgezahlt. Nachdem ihr Sohn die Apotheke im Jahr 2010 übernommen hat, soll die Apothekerin diese Praxis mit dessen Kenntnis und Billigung fortgesetzt haben. Auf diese Weise soll die Angeklagte unberechtigte Einnahmen in Höhe von mehr als 650.000 Euro erzielt haben.
Anklage auf 93 Seiten
2013 flog der Betrug auf. Eine der geschädigten Krankenkassen ist bei einer Routinekontrolle auf die Manipulationen aufmerksam geworden. Danach erstatteten laut Gericht auch mehrere andere Krankenkassen Strafanzeige. Es folgten umfangreiche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft; im Dezember 2017 wurde Anklage erhoben. Die Anklageschrift umfasst 93 Seiten – nicht zuletzt wegen der detaillierten und komplexen Schadensberechnung.
Die beiden Angeklagten haben die Vorwürfe nie grundsätzlich in Abrede gestellt. Zu den Einzelheiten und den Dimensionen hatten sie aber zunächst keine genauen Angaben gemacht. Das Gericht hatte im Vorfeld des Prozessauftakts erklärt, im Falle einer Verurteilung drohten ihnen Gesamtfreiheitsstrafen, die rechnerisch bis zu 15 Jahren betragen könnten. Ganz so hart wird es die beiden Pharmazeuten nun offenbar nicht treffen.
„Kontrolle entglitten“
Am 24. August, dem ersten Prozesstag, legten Mutter und Sohn umfassende Geständnisse ab. Wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ berichtet, war die Mutter offenbar hoch verschuldet, als sie mit der Betrugsmasche begann. Im Jahr 2008 soll sie ihr erstes Rezept gefälscht haben. „Dann hat sich das verselbstständigt“, hieß es der Zeitung zufolge im Geständnis der Angeklagten. Und weiter: „Mir ist bewusst, dass es ein falsches Verhalten ist, aber ich konnte damit nicht aufhören, mir ist die Kontrolle entglitten“. Nachdem der Sohn die Apotheke übernahm, stellte er erst fest, wie prekär die Situation für den Betrieb war: Schulden und Steuernachzahlungen mussten beglichen werden, ein Kredit wurde nötig. Dem Bericht zufolge sah er keine andere Möglichkeit, als den Weg seiner Mutter mitzugehen. Letztlich sei er aber froh gewesen, als der Betrug auffolg.
Zwei bis drei Jahre Haft für die Mutter, Bewährungsstrafe für den Sohn?
Das Urteil könnte nun schon diese Woche Donnerstag fallen: Wie ein Gerichtssprecher DAZ.online bestätigte, ist eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagten aufgrund des Geständnisses möglich. Demnach könnten der Apothekerin zwei bis drei Jahre Gefängnis drohen. Der Sohn könnte mit unter zwei Jahren rechnen. Eine Strafe unter zwei Jahren kann dann zur Bewährung ausgesetzt werden.
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