Globaldata-Studie

Marktanalyse: Amazon vor großen Schritten im Gesundheitswesen

München - 28.08.2018, 11:00 Uhr

Einer US-Marktanalyse zufolge steht der US-Versandkonzern Amazon kurz vor größeren Schritten im Gesundheitswesen. ( r / Foto: Imago)

Einer US-Marktanalyse zufolge steht der US-Versandkonzern Amazon kurz vor größeren Schritten im Gesundheitswesen. ( r / Foto: Imago)


Der Onlinegigant Amazon dürfte vor großen und entscheidenden Schritten im Gesundheitswesen stehen. Zu diesem Schluss kommt das Daten- und Analytikunternehmen Globaldata in einer aktuellen Untersuchung. Demnach könnte Amazon vor allem eine einfachere und bessere Kommunikation zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen und Patienten ermöglichen, seine leistungsstarke Online-Plattform einsetzen und mit seinem Sprachsystem Alexa eine Schnittstelle für künstliche Intelligenz in der Gesundheitsbranche schaffen.Kritiker hinterfragen: Was passiert mit den Gesundheitsdaten?

10.348 US-Dollar pro Person beziehungsweise 3,3 Billionen Dollar insgesamt – so viel wurde in den USA im Jahr 2016 für das Gesundheitswesen ausgegeben. Doch wenngleich die Gesundheitsausgaben in den USA mit 17,9 Prozent den weltweit größten Teil des Bruttoinlandsproduktes eines Landes ausmachten, sind die Ergebnisse für die Patienten bei Weitem nicht so positiv, wie sie sein sollten oder könnten. Darauf weist das auf Datenerhebung- und analyse spezialisierte Unternehmen Globaldata in einer aktuellen Untersuchung hin und hebt in diesem Zusammenhang die Rolle von Amazon hervor. Der Onlinekonzern könnte mit seinem Geschäftsmodell und seiner Infrastruktur das Gesundheitssystem der USA, aber auch anderer Länder, deutlich effizienter machen und dabei selbst eine bedeutende Position in dieser Branche einnehmen.

Pavan Kottamasu, Senior Pharma Analyst des Unternehmens, sagt laut einer Pressemitteilung von Globaldata: „Amazon hat bereits erfolgreich gezeigt, dass es in der Lage ist, Produkte extrem schnell an die Verbraucher zu liefern. Jetzt hat der Konzern das Potenzial, verschwenderische Ausgaben für die Behandlung chronischer Krankheiten deutlich zu senken und die Primärversorgung als auch die Belieferung mit Pharmazeutika zu verbessern.“ Dabei käme Amazon nicht nur seine leistungsstarke Online-Plattform zugute, der Konzern könnte mit seinem Sprachsystem Alexa zudem eine Schnittstelle für künstliche Intelligenz schaffen und die Kommunikation zwischen Akteuren des Gesundheitswesens einerseits und Patienten andererseits effizienter machen.

Analyse: Probleme bei der Vereinheitlichung der Versorgung

Insbesondere in den USA gibt es nach Einschätzung von Kottamasu erhebliche Schwierigkeiten bei der Vereinheitlichung der Gesundheitsversorgung. Mit einer Vielzahl von privaten Versicherungsgesellschaften und staatlichen medizinischen Ausgabenprogrammen hätten die USA äußerst komplexe Beziehungen zwischen Patienten und Leistungserbringern.

Eine Lösung könnte darin bestehen, neben den USA auch in Ländern wie Australien, Kanada, Japan, Schweden, der Schweiz oder Großbritannien die Gesundheitssysteme so umzugestalten, dass alle Patienten eine einheitliche und angemessene Versorgung und Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten. Das, so Kottamasu, würde jedoch die Auflösung von privaten Versicherungsgesellschaften bedeuten, was wiederum auf massiven Widerstand der betroffenen Unternehmen stoßen dürfte.

Eine derzeit akzeptable Lösung sieht der Globaldata-Analyst daher darin, komplexe Gesundheitssysteme so zu verändern, dass der Informationsaustausch zwischen den Anbietern im Gesundheitswesen und den Patienten einfacher wird. Außerdem könnten die Ergebnisse in der Gesundheitsversorgung deutlich besser ausfallen, wenn die Patienten häufiger Zugang zu Dienstleistern in der Branche hätten und besser über einen gesünderen Lebensstil aufgeklärt würden.

Kritiker: Was passiert mit den Daten?

Das ruft allerdings auch die Mahner auf den Plan. So weist das Council on Foreign Relations darauf hin, dass laut Umfragen rund 50 Prozent der US-Amerikaner davon überzeugt sind, dass ihre persönlichen Daten heute ungesicherter seien als vor fünf Jahren. Laut einer Studie des Washingtoner Meinungsforschungsinstitutes Pew Research Center hätten viele Bürger kein ausreichendes Vertrauen in private und staatliche Organisationen, wenn es um den korrekten Umgang mit privaten Informationen gehe. Nach Angaben des Council gebe es in den USA anstelle eines umfassenden Gesetzes zum Datenschutz lediglich eine Ansammlung von sektorspezifischen Gesetzen, die keinen adäquaten Datenschutz ermöglichten.

Hierzulande appellierte der Blogger und Autor Sascha Lobo bereits 2015 auf einer Healthcare-IT-Branchenveranstaltung an die Vertreter der Gesundheits-IT-Branche, sich stärker in die Diskussionen um den Umgang mit digitalen medizinischen Daten einzumischen. Wie Ärzteblatt.de mit Berufung auf Lobo berichtete, eröffne die Datenvernetzung in der Gesundheitsdaten völlig neue Möglichkeiten, von denen niemand wisse, in welche Richtung sie gehen, die aber massive Wirkungen haben würden. Das beinhalte fantastische Möglichkeiten, aber mindestens genauso viele Risiken.

Nach einem Bericht der Ärztezeitung aus dem vergangenen Jahr stehen allerdings die meisten Deutschen der Digitalisierung im Gesundheitswesen positiv gegenüber. Nach einer Untersuchung „Zukunft der Gesundheitsversorgung“ der Pronova BKK hielten es 77 Prozent von 1000 Befragten für vorteilhaft, wenn Daten über Diagnosen, Medikamente, Behandlungen oder Allergien zentral gespeichert seien und Haus- und Fachärzte sich jederzeit einen umfassenden Überblick über den Gesundheitszustand eines Patienten verschaffen könnten.

Amazons Schritte im Gesundheitsbereich

Globaldata weist darauf hin, dass Amazon sich in letzter Zeit durch eine Reihe von strategischen Entscheidungen, Akquisitionen und Produktentwicklungen darauf vorbereitet hat, im stark umkämpften Gesundheitsbereich eine bedeutende Rolle einzunehmen. So hatte der Konzern, wie auf DAZ.online berichtet, im Januar 2018 bekanntgegeben, gemeinsam mit der Investmentfirma Berkshire Hathaway und der Großbank JPMorgan ein Gesundheitsunternehmen für die insgesamt 1,2 Millionen Mitarbeiter in den USA zu gründen. Dadurch, so die Hoffnung, sollen die Kosten der Gesundheitsversorgung sinken und die Effizienz verbessert werden.

Im Februar präsentierte das Unternehmen dann eine exklusive Reihe an rezeptfreien Gesundheitsprodukten, Basic Care genannt. Darüber hinaus stellte der E-Commerce-Riese im März dieses Jahres über 20 Mitarbeiter mit Erfahrung in der Gesundheits- oder Pharmaindustrie ein. Im selben Monat erhielt Amazon in den USA das Patent für eine neue Lieferdrohne, die auf menschliche Gesten reagieren soll. Im Juni gab der Konzern schließlich den Kauf der US-Online-Apotheke Pillpack für knapp eine Milliarde Dollar bekannt. Nicht nur Globaldata-Analyst Kottamasu, sondern auch zahlreiche weitere Branchenkenner werten diese Schritte als klaren Beleg, dass Amazon künftig eine bedeutende Rolle im Gesundheitssystem einnehmen wird.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Daten - das neue Gold!

von Pharmi am 28.08.2018 um 11:27 Uhr

Ach wen interessieren schon die Daten. Hat man doch auch bei einer Postkartenaktion vor längerer Zeit gesehen. Da wurden die Nachforschungen doch auch eingestellt... Um die Daten wird jetzt ein großes Hallo gemacht, aber ob das nach Kurzem noch jemand interessiert... Da verkauft man die Daten lieber, wenn man dafür bei einem Medikament sparen kann... quasi win win

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