Expertenanhörung im Bundestag

Kostenlose Verhütungsmittel – wenn ja, für wen und wie?

Berlin - 08.11.2018, 10:15 Uhr

Sollen Verhütungsmittel auch jenseits des 20. Lebensjahres von den Krankenkassen erstattet werden? (r / Foto: Imago)

Sollen Verhütungsmittel auch jenseits des 20. Lebensjahres von den Krankenkassen erstattet werden? (r / Foto: Imago)


Kassen: Umsetzung über SGB V ungeeignet

Vertreter des GKV-Spitzenverbandes sowie des Verbandes der Ersatzkassen (Vdek) betrachten die Umsetzung über das SGB V als ungeeignet. Denn bei Verhütungsmitteln handele es sich um versicherungsfremde Leistungen. Allenfalls sei der Vorschlag der Grünen denkbar, da sich dieser ausschließlich an Bedürftige richte. Doch hier müsse das Vorliegen der Bedürftigkeit geprüft werden, wodurch ein bürokratischer Aufwand und damit zusätzliche Verwaltungsausgaben entstünden. Denn die Kassen würden nicht von jedem Versicherten wissen, ob dieser Transferleistungen beziehe.

Auch die Rechtswissenschaftlerin Professor Frauke Brosius-Gersorf findet, dass Verhütungsmittel versicherungsfremde Leistungen sind. Eine direkte Verknüpfung zwischen Verhütungsmitteln und Gesundheit erkenne sie im Gegensatz zu Wolf und Busch nicht. Deshalb bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, da der Bund nicht die Kompetenz habe, per Gesetzgebung Verhütungsmittel für alle durch die Krankenkassen erstatten zu lassen. Die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln jenseits des 20. Lebensjahres könne daher – wenn überhaupt – nur an Bedürftige erfolgen. Die Umsetzung sei dabei allerdings nicht als Kassenleistung im Rahmen des SGB V, sondern über das SGB II (Grundsicherung) oder das SGB XII (Sozialhilfe) denkbar.

Altersgrenze einfach anheben?

Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die bei der Anhörung nicht vertreten waren, äußerten im Vorfeld noch einen weitere Idee. In einer gemeinsamen Stellungnahme schlagen die beiden gynäkologischen Fachorganisationen vor, die bisherige Altersgrenze, unterhalb der verschreibungspflichtige Verhütungsmittel bereits erstattet werden, von 20 auf 25 Jahre anzuheben.

Damit würden auch Studierende und Auszubildende mitberücksichtigt, die keine Transferleistungen erhalten. Außerdem würde verhindere diese Regelung, dass Empfängerinnen von Transferleistungen ihre Bedürftigkeit in der Apotheke, beim Arzt oder anderen Einrichtungen nachweisen müssen, was für manche beschämend sein kann.

Dieser Vorschlag steht allerdings im Gegensatz zu den Ausführungen der Sozialwissenschaftlerin Professor Cornelia Helffrich, derzufolge sich der Bedarf am Einkommen und nicht am Alter orientieren solle. Zudem sollen auch Männer zu ihrer Verantwortung stehen, weshalb Helffrich wie auch Wolf  die Erstattung von Kondomen befürworten.

Einige Experten verwiesen in ihren Antworten auch auf das laufende Modellprojekt „Biko“ (Beratung, Information, Kostenübernahme), das den Nutzen einer kostenfreien Abgabe von Verhütungsmitteln untersucht. Dabei arbeiten Ärzte, Apotheker und ProFamilia-Beratungsstellen in sieben Modellregionen eng zusammen. Die Ergebnisse werden Ende des kommenden Jahres erwartet.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

In Frankreich wird die Pille von der "GKV" übernommen

von Christina MARTIGNY am 12.11.2018 um 0:34 Uhr

Man schaue doch mal bei unseren Nachbarn, wie das Thema hier behandelt wird.
Beispiel Frankreich: Pille auf Rezept und 100% Übernahme durch die Secu ("GKV" wenn man so will).
Hier gibt es keine Altersgrenze und erst recht keine Prüfung der Bedürftigkeit!

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Familie ist ein Menschenrecht!

von Dr. Arnulf Diesel am 09.11.2018 um 10:02 Uhr

Statt Geld für Verhütungsmaßnahmen (vermutlich eher für die zusätzliche Bürokratie) zur Verfügung zu stellen, sollten Familien entlastet und gefördert werden. Darüberhinaus muß die Behandlung der Unfruchtbarkeit vollständig kostenlos sein. Israel gewährt jeder Bürgerin 3 "Take-home Babies", d.h. 3 erfolgreich ausgetragene Schwangerschaften. Sich für oder gegen Kinder zu entscheiden sei natürlich jedem freigestellt. Als Apotheker denke ich darüberhinaus an die Auswirkungen der linken Ideen. Vermutlich brauchen wir für die Abgabe und Abrechnung von Kondomen eine zusätzliche Präqualifizierung, müssen die passende Größe ausmessen und Dauergenehmigungen einholen. Zweckmäßig und damit GKV Leistung sind 8 einfarbige Kondome pro Monat ....

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