Medinzinprodukte

Spahn verspricht Patienten mehr Sicherheit bei Implantaten

Berlin - 26.11.2018, 17:55 Uhr

Mangelnde Transparenz bei Medizinprodukte wird schon seit langem kritisiert. (Foto: Zarathustra / stock.adobe.com)

Mangelnde Transparenz bei Medizinprodukte wird schon seit langem kritisiert. (Foto: Zarathustra / stock.adobe.com)


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will angesichts von Problemen mit Implantaten für mehr Transparenz bei Medizinprodukten sorgen. „Wir bauen eine industrieunabhängige Stelle auf, bei der alle verbauten Implantate gemeldet werden müssen“, sagte Spahn der „Rheinischen Post“. Zugleich räumte er Defizite ein.

Die Sender NDR und WDR sowie die „Süddeutsche Zeitung“ hatten gemeinsam mit internationalen Medienkollegen berichtet, Verdachtsfälle zu Verletzungen oder tödlichen Folgen fehlerhafter Medizinprodukte nähmen stark zu. Es geht zum Beispiel um nicht haltbare Hüftimplantate oder Prothesen. In Deutschland seien im vergangenen Jahr 14.034 Verdachtsfälle gemeldet worden. Die Recherchen wurden unter dem Titel „Implant Files“ weltweit veröffentlicht.

Gegenüber der „Rheinischen Post“ (Dienstag) erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun: „Wir bauen eine industrieunabhängige Stelle auf, bei der alle verbauten Implantate gemeldet werden müssen“. Gebe es heute Probleme mit einem Medizinprodukt, habe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „keinen Gesamtüberblick über alle vergleichbaren Fälle“. Das Institut habe in der Folge auch keine Chance, Patienten gezielt vor Fehlern zu warnen. Mit dem Register soll außerdem nachgeprüft werden können, wie lange Implantate halten.

Auch der GKV-Spitzenverband meldete sich zu Wort – die Kassen sehen ein grundsätzliches Problem. „Bei Medizinprodukten kommen Scheininnovationen und sogar schädliche Produkte viel zu leicht in die Versorgung. Es gibt keine sicheren Regeln und Vorgaben, die das verhindern", kritisierte GKV-Chefin Doris Pfeiffer. „Hier hat die Politik seit Jahren trotz zahlreicher Mahnungen viel zu wenig getan. Auch die gesetzliche Krankenversicherung hat mehrfach auf diese Probleme hingewiesen.“

Der GKV-Spitzenverband verweist auch auf die neue EU-Verordnung, die im Mai 2020 in Kraft tritt, und wesentliche Verbesserungen für Patientinnen und Patienten bringen werde. Endlich werde es nahezu unmöglich gemacht, dass Medizinprodukte ohne klinische Prüfungen in den Verkehr gebracht werden. „Das ist zwar keine Zulassung, aber ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zu der heutigen Situation. Deshalb wäre es fatal, wenn sich die Industrielobby mit ihren Versuchen, den Geltungsbeginn dieser Verordnung zu verzögern, durchsetzen würde“.

Bundesgesundheitsministerium nimmt die Berichte sehr ernst

Die EU-Kommission fordert gleichfalls eine bessere Umsetzung von Regeln und Kontrollen. Eine Sprecherin verwies ebenfalls auf das als Konsequenz aus dem Skandal um geplatzte Brustimplantate 2017 beschlossene neue Regelwerk. „Aber die Geschichte ist noch nicht vorbei. Wie immer ist natürlich die Umsetzung der entscheidende Punkt“. Die EU-Staaten, Hersteller und Ärzte seien aufgefordert, die strengeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards anzuwenden und ihre Arbeit transparenter zu machen, betonte die Sprecherin. Die Reform setze vor allem auf striktere Kontrollen von Medizinprodukten vor und nach dem sogenannten Inverkehrbringen. Darüber hinaus gebe es mit Eudamed erstmals eine Datenbank, um die Aufsicht über Medizinprodukte zu unterstützen. „Patientensicherheit ist ein Thema, das die Kommission sehr ernst nimmt“, versicherte die Sprecherin. 

Auch das Bundesgesundheitsministerium nehme die Berichte sehr ernst, sagte ein Sprecher. „Jeder einzelne dort beschriebene Fall ist tragisch und einer zu viel.“ Mit den neuen EU-Regelungen, die in weiten Teilen im Mai 2020 ihre Wirkung entfalten sollen, werde es bei der Auswahl und Qualitätskontrolle der Zertifizierungsstellen einen neuen Prüfungsprozess geben. „Diese konnten bislang von den einzelnen EU-Staaten mehr oder weniger in Eigenregie benannt werden. Das wird geändert“, sagte der Sprecher. Zweiter Ansatzpunkt seien die Medizinprodukte selbst, die künftig zusätzlich von einem internationalen Expertenpanel überprüft würden. In hohen Risikoklassen müssten zudem klinische Studien regelhaft vorgelegt werden. Der Sprecher forderte, Probleme mit Implantaten zu melden. „Es gibt eine Pflicht zu melden, und wenn dieser Pflicht nicht nachgekommen wird, dann ist das ein Versäumnis der Anwender.“ 

BfArM kümmert sich um Risikobewertung von Vorkommnissen

Die Zunahme der Meldezahlen wird seit Jahren vom BfArM registriert und auch veröffentlicht. Die aktuellste Zahl auf der Webseite ist von 2016, als 12.000 Fälle gemeldet wurden. Allerdings hat das Institut nach eigener Darstellung bei seinen Überprüfungen in der Vergangenheit festgestellt, dass bei rund 40 Prozent der Fälle das gemeldete Problem nicht von dem Medizinprodukt ausgegangen sei. Es sei also im rechtlichen Sinne kein meldepflichtiges „Vorkommnis“ gewesen. So bezeichnet das BfArM beispielsweise eine Funktionsstörung oder unsachgemäße Bezeichnung eines Medizinproduktes, die zum Tod oder zur Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten geführt haben könnte.



dpa-AFX / ks
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Wer schneller stirbt... kostet weniger ... noch ...

von Christian Timme am 27.11.2018 um 22:32 Uhr

Das forderte der GKV Spitzenverband bereits 2012:
1.Zentrale Erfassung und kompetente Auswertung aller Vorkommnismeldungen in einer europäischen Behörde.
2. Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit von Implantaten.
3. Durchsetzung der Meldepflicht von Vorkommnissen in Deutschland.

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Implantat Skandal

von Harald Schweim am 27.11.2018 um 15:14 Uhr

Ich finde die Reaktion von Spahn entlarvend. Da wird sofort Abhilfe mit einer Datenbank versprochen. Über die z.B. die europarechtlichen und Datenschutzprobleme kein Wort! Einfach "Schiss" vor den empörten Verbrauchern. Schnell was versprechen! Ich wette, wenn "Gras über die Sache" gewachsen ist, passiert NICHTS, wie schon bei den Versprechungen der Schmidt und Co zum Cerivastatin-Skandal. Der Bürger ist ja leider sehr vergesslich! Beim RX-Verbot wird - entgegen der Koalitionsabsprache - von "europarechtlichen Bedenken" gefaselt, obwohl renommierte Gutachter klar anders sagen. "Ich mache Politik die MIR nützt, die Fakten und das Volk sind mir gleichgültig", das könnte das Motto dieser Leute sein.

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Schneckentempo für den Tod ?

von Rückschau am 26.11.2018 um 21:25 Uhr

Medizinprodukte und Zulassung –
eine Reform ist überfällig

Berlin, 07. November 2012,
Dr. Doris Pfeiffer

Pressekonferenz GKV Spitzenverband

https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche/2012_2/121107_medizinprodukte/2___2012-11-07_Vortrag_Pfeiffer_Medizinprodukte-final.pdf

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