Health Monitoring des RKI

Weiblich und reich lebt am längsten

Berlin / Stuttgart - 15.03.2019, 17:55 Uhr

In der niedrigsten Einkommensgruppe sterben noch vor Vollendung des 65. Lebensjahres 13 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer, in der höchsten Einkommensgruppe sind es 8 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer. ( r / Foto: Yakobchuk Olena / stock.adobe.com)

In der niedrigsten Einkommensgruppe sterben noch vor Vollendung des 65. Lebensjahres 13 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer, in der höchsten Einkommensgruppe sind es 8 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer. ( r / Foto: Yakobchuk Olena / stock.adobe.com)


Am längsten leben wohl „reiche“ Frauen, am härtesten trifft es „arme“ Männer. Soziale und gesundheitliche Unterschiede spiegeln sich in der Mortalität und Lebenserwartung von Menschen wider. Das erklärt das Robert Koch-Institut in seinem aktuellen Health Monitoring.

Obwohl Deutschland zu den wohlhabendsten Ländern zählt und auch international einen guten Ruf hinsichtlich Sozialleistungen und gesundheitlicher Versorgung genießt, gibt es innerhalb der Bundesrepublik dennoch erhebliche Ungleichheit in Lebensbedingungen und sozialen Teilhabechancen. Welche Auswirkungen dies auf verschiedene Bevölkerungsgruppen hat, zeigt das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem aktuellen Journal of Health Monitoring 01/2019: „Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung in Deutschland – Aktuelle Situation und Trends“. Das RKI als Public-Health-Institut für Deutschland erhebt und bewertet kontinuierlich Daten hierzu.

Vor allem gesundheitliche Auswirkungen, die sich durch eine unterschiedliche soziale Herkunft, Bildungschancen und Vermögensverhältnisse auftun, haben sich Thomas Lampert, Jens Hoebel und Lars Eric Kroll von der RKI-Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring angesehen: Laut dem Healthmonitoring-Bericht haben Menschen mit niedrigem Einkommen, Berufsstatus und Bildungsniveau ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten und Beschwerden.


Soziale Ungleichheit hat wegen der massiven Auswirkungen auf Gesundheit und Lebenserwartung aus Sicht von Public Health eine zentrale Bedeutung.“

Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts


Auch im individuellen Gesundheitsverhalten und bei verhaltensbezogenen Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht und Hypertonie zeichnen sich nach Ansicht der Autoren die sozialen Unterschiede deutlich ab. „Sie kumulieren letztlich in einer höheren vorzeitigen Sterblichkeit und verkürzten Lebenszeit in den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen“, so das RKI. Welche konkreten Auswirkungen das haben kann, zeigen folgende Zahlen.

Hohes Einkommen = hohe Lebenserwartung

Die Daten für die Analyse von Mortalität und Lebenserwartung stammen vom Sozio-ökonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und aus Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes. Im Journal of Health Monitoring betrachten die RKI-Forscher neben der sogenannten „ferneren Lebenserwartung“, bei der die zu erwartenden Lebensjahre ab einem bestimmten Alter (beispielsweise von 65 Jahren) berechnet werden, auch die mittlere Lebenserwartung bei Geburt und setzen sie in Bezug zum Einkommen. Das Ergebnis der bis 2016 vorliegenden Daten: Bei der Lebenserwartung ab Geburt beträgt die Differenz zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe für Frauen 4,4 Jahre und für Männer 8,6 Jahre.

Anstieg der Lebenserwartung durch Grippewellen verzögert?

In der niedrigsten Einkommensgruppe sterben noch vor Vollendung des 65. Lebensjahres 13 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer, in der höchsten Einkommensgruppe sind es 8 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer. Diese sozialen Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung sind in den vergangenen 25 Jahren relativ stabil geblieben.


Der Anstieg der Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten hat sich möglicherweise wegen schwerer Grippewellen verlangsamt.“

Journal of Health Monitoring 1/2019, RKI


Die Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland deutlich gestiegen. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts resultierte dies vor allem aus einem Rückgang der Sterblichkeit bei Säuglingen, Kindern und jungen Erwachsenen. Seither sind vor allem sinkende Sterblichkeitsraten der Älteren für den stetigen Anstieg der Lebenserwartung verantwortlich. Allerdings gibt es immer wieder kleine Unterbrechungen im Anstieg der Lebenserwartung. Eine mögliche Erklärung sehen die RKI-Forscher in Grippewellen. Bei schweren Grippewellen, etwa in den Saisons 2012/2013, 2014/2015 und 2016/2017, gab es jeweils mehr als 20.000 geschätzte Todesfälle, das entspricht gut zwei Prozent der jährlichen Todesfälle. Die Influenza-Aktivität und damit die Todesfälle treten jeweils nach der Jahreswende auf, bei diesen Grippewellen also in den Jahren 2013, 2015 und 2017. Das waren laut RKI exakt die Jahre, in denen sich der Anstieg der Lebenserwartung verlangsamt hat.

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„Soziale Ungleichheit hat wegen der massiven Auswirkungen auf Gesundheit und Lebenserwartung aus Sicht von Public Health eine zentrale Bedeutung“, betont Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. „Als Daten für Taten sind unsere Ergebnisse Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen der Politik im Hinblick auf Planung, Umsetzung und Evaluation von Maßnahmen“, unterstreicht Wieler.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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