Politische Diskussion bei der Interpharm

Maag: Eigenes Apothekengesetz ja, Notifizierung nein

Stuttgart - 18.03.2019, 07:00 Uhr

Bei der diesjährigen politischen Diskussion auf der Interpharm diskutierten Dr. Cristopher Hermann (AOK BW), Biggi Bender (vdek), Karin Maag (MdB, CDU) Fritz Becker (DAV, LAV) und DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer (v.l.n.r) (Foto: Schelbert)

Bei der diesjährigen politischen Diskussion auf der Interpharm diskutierten Dr. Cristopher Hermann (AOK BW), Biggi Bender (vdek), Karin Maag (MdB, CDU) Fritz Becker (DAV, LAV) und DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer (v.l.n.r) (Foto: Schelbert)


Einig waren sich die Teilnehmer der politischen Diskussion bei der diesjährigen Interpharm in Stuttgart darüber, dass die Versorgung mit Apotheken gesichert werden sollte. Über den Weg dahin haben die Diskutanten allerdings höchst unterschiedliche Ansichten. Während die CDU-Politikerin Karin Maag und Fritz Becker weiterhin auf die Gleichpreisigkeit und pharmazeutische Dienstleistungen setzen, forderten Dr. Christopher Hermann (AOK) und Biggi Bender (vdek) die Aufhebung der Rx-Preisbindung.

Am vergangenen Samstag fand in Stuttgart die Interpharm statt. Bei der politischen Diskussionsrunde ging es in diesem Jahr um apothekenpolitische Entwicklungen in Baden-Württemberg und auf Bundesebene. Die Diskussionsteilnehmer waren: Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der Union im Bundestag, Biggi Bender, Chefin der vdek-Landesvertretung in Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann, Vorsitzender der AOK Baden-Württemberg sowie Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes.

Maag: Dittmar kann das Gesetz haben

Ein großer Teil der Diskussion drehte sich natürlich um die neuesten Entwicklungen im Versandhandelskonflikt. Karin Maag betonte, dass sie das Verbot für Rx-Boni, auf das sich die gesundheitspolitischen Spitzen von CDU/CSU verständigt hatten, im SGB V festschreiben und die entsprechenden Regelungen gerne an das Gesetz für Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) anhängen möchte. Dass die SPD nach den jüngsten Äußerungen  der gesundheitspolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion Sabine Dittmar ein eigenes Gesetz dazu erlassen will, kann Maag aber mittragen: „Wenn es nur am eigenen Gesetz liegt, soll sie es haben.“ Ein von Dittmar gefordertes EU-Notifizierungsverfahren, das die Gesetzgebung deutlich verzögern würde, ist aus ihrer Sicht allerdings nicht notwendig, da die geplante Regelung europarechtlich unangreifbar sei. Dennoch rechnet sie mit Klagen: „Es wird wieder Klagen geben, am Ende des Tages kommt es darauf an, dass wir rechtssichere Lösungen stricken.“

AOK-Chef Dr. Christopher Hermann sprach sich auch mit Blick auf die sinkende Apothekenzahl in Baden-Württemberg vehement dafür aus, die Rx-Preisbindung aufzuheben und Apotheken auf dem Land gezielt zu unterstützen. Hermann sieht gerade in unterschiedlichen Preisen die Lösung zur Sicherung der Arzneimittelversorgung. „Ein Apotheker auf dem Land hat andere Voraussetzung, um leben zu können, als ein Apotheker in der Königstraße“, so Hermann. Die Frage müsse lauten: „Was ist dieser Gesellschaft eine Apotheke in der XY-Region wert?“ Und dann werde man mit Versichertengeldern diese Apotheke stützen müssen, indem man höhere Preise bezahle. Dieser Preiswettbewerb solle aber, betont Hermann, für die Patienten nicht spürbar sein.

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Die AOK Baden-Württemberg hatte anlässlich der Interpharm eine Pressemitteilung herausgegeben, in der eine Studie zur Apothekendichte in dem Bundesland veröffentlicht wurde. Demzufolge gibt es große Unterschiede in der Versorgungsdichte. Als Reaktion darauf fordert die AOK auch in ihrer Mitteilung flexible Preise und die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes, damit auf dem Land mehr Filialen entstehen können. Hermann verwies bei der Interpharm-Diskussion auch darauf, dass laut dem Honorargutachten zweieinhalbtausend Apotheken im ländlichen Raum gefährdet seien. Wenn diese zweieinhalbtausend Apotheken nicht mehr da seien, habe man ein Problem, das man mit Versand und Botendienst allein nicht lösen könne. Stadt und Land brauchten andere Lösungen, das sei eine Denksportaufgabe.

Becker: Kassen und Apotheker sollen Verträge abschließen

DAV-Chef Fritz Becker erkennt durchaus an, dass sich auch die  Krankenkassen um die Versorgung bemühen: „Beide wollen wir die Versorgung sicherstellen, aber wir denken, dass sie schlechter wird, wenn wir keine Gleichpreisigkeit haben." Becker setzt darauf, dass die Apotheken zukünftig mit den Krankenkassen Verträge über honorierte Dienstleistungen abschließen dürfen. Auch Maag sieht das als wichtiges Instrument, um die Apotheken zu stärken, und fragt: „Was ist eine Apotheke bereit zu übernehmen auf dem Land?“ Denkbar seien Kooperationsverträge mit Heimen, das Kümmern um Diabetiker oder Medikamentenberatung. Solche neuen Funktionen brauche man für die Zukunft und sie sollten gut vergütet werden. Die Politik werde sich auch das Thema Botendienst/Versandhandel anschauen. Es habe sich überlebt, dass der Bote qualifiziert sein müsse. Doch nicht nur Politik und Kassen sind bei der Sicherstellung der Versorgung gefordert, findet Karin Maag:  „Es ist Aufgabe der Apotheker, sich Gedanken zu machen: Wie kriege ich die Versorgung hin?“ Eigene Plattformen wie die von Noweda und Linda böten einen bequemeren Zugang zu Arzneimitteln.

(Foto: Schelbert)

Bender: Auch Angestellte von Versendern können beraten

Biggi Bender merkte zum Thema Beratung an: „Das können die Angestellten bei Versandhändlern auch leisten.“ Die Gleichpreisigkeit habe zur Folge, dass die Apotheker sich in optimalen Lagen niederließen, deshalb müsste es Landapothekern erlaubt sein, höhere Preise zu nehmen. Mit Blick auf den ehemaligen Arzneimittel-Automaten von DocMorris in Hüffenhardt erklärte Bender, dass es besser sei, wenn die Apotheker bei neuen Sachen mitmachten, statt neue Versorgungsmodelle grundsätzlich zu beklagen und plattzumachen. So sei es sinnvoll, Filialen nicht voll auszustatten und ggf. den Apotheker aus der Hauptapotheke zuzuschalten. 

Ihrer Meinung nach ist der Stillstand seit dem EuGH-Urteil ein Wirtschaftsförderungsprogramm für die ausländischen Versender, da Inländer keine Rabatte geben dürften. Dazu komme das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission, das die Aufhebung der Gleichpreisigkeit für die EU-Versender fordere. Da könne man nicht einfach sagen: „April, April, wir haben es jetzt in ein anderes Gesetz reingeschrieben." Generell müsse die Gesundheitsversorgung flexibler werden. Dort, wo eine Hausarztpraxis nicht nachbesetzt werde, schließe auch die Apotheke. Als Lösungen schlägt Bender vor, dass die Kommunen Räume für Ärzte zur Verfügung stellen, sowie den Einsatz von Patientenbussen und Telemedizin.

Becker verspricht: Rollout von Gerda im Juni

Ebenfalls Thema: das E-Rezept. Becker stellte in Aussicht, dass es beim Modellprojekt Gerda bis Juni zum Rollout komme. Dann sollen in zwei Modellregionen 95 Prozent der Arzneimittel über E-Rezept laufen können. Baden-Württemberg werde damit die erste Region in Deutschland sein, die das leiste. Details wollte Becker nicht nennen, er machte aber klar: „Wir sind kein Berliner Flughafen.“



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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