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Urteil des Landgerichts Berlin
Geldstrafe für Thomas Bellartz wegen „Datenklaus“
Das
Landgericht Berlin hat den Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz am
heutigen Mittwoch zu einer Geldstrafe von 52.800 Euro verurteilt. Das Gericht ist
überzeugt, dass Bellartz und der mitangeklagte Christoph H. gemeinsam den
Straftatbestand des Ausspähens von Daten erfüllt haben. Belllartz hat nach
Auffassung der Richter insbesondere für sein Unternehmen Apotheke Adhoc von der
illegalen Informationsbeschaffung aus dem Bundesgesundheitsministerium
profitiert. Die ABDA dürfte ihrer Meinung nach ebenfalls profitiert haben – allerdings ohne
konkret zu wissen, dass die Quelle illegal war.
15 Monate nach dem Start der Hauptverhandlung und mehr als
sechs Jahre nach der letzten angeklagten Tat ist am heutigen Mittwoch das
Urteil im „Datenklau“-Prozess vor dem Landgericht Berlin gefallen. Das Gericht befand die beiden Angeklagten Thomas Bellartz und Christoph H. in allen noch bestehenden Anklagepunkten für schuldig. Im Laufe der Hauptverhandlung waren allerdings schon 38 der ursprünglich 40 angeklagten Fälle des „Datendiebstahls“ eingestellt worden.
Der frühere ABDA-Sprecher und Apotheke-Adhoc-Herausgeber Bellartz wurde wegen des Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) in zwei Fällen zu 300 Tagessätzen à 220 Euro verurteilt – 60 davon gelten jedoch bereits als vollstreckt. Damit ergibt sich für Bellartz noch eine Strafe von 240 mal 220 Euro, also 52.800 Euro.
Christoph H., der zur Tatzeit für eine Firma beschäftigt
war, die als externes Unternehmen für die IT verschiedener Ministerien,
darunter das Bundesgesundheitsministerium (BMG), zuständig war, wurde zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Hiervon gelten
fünf Monate bereits als vollstreckt. Die Freiheitsstrafe ist für zwei Jahre zur
Bewährung ausgesetzt. Zudem muss H. 70.000
Euro Wertersatz zahlen. Die ungleich höhere Strafe ist darauf zurückzuführen,
dass er neben des Ausspähens von Daten zusätzlich wegen eines
Einbruchsdiebstahls und des Besitzes kinderpornografischer Schriften verurteilt
wurde.
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„Datenklau“-Verfahren
Bellartz-Prozess
Die Angeklagten haben nach Überzeugung der Strafkammer spätestens ab Ende 2009 die persönlichen E-Mail-Konten von hochrangigen Mitarbeitern des BMG ausgespäht, darunter die des Ministers – seinerzeit Philip Rösler (FDP) – und seiner Staatssekretäre. H. verschaffte sich Zugang zu den nicht für ihn bestimmten und geschützten Daten der Postfächer, zog sie auf Datenspeicher und gab sie an Bellartz weiter. Beide Seiten profitierten von der „Zusammenarbeit“: Bellartz erhielt aktuelle interne Informationen von höchster Ebene, H. bekam Geld, insgesamt mindestens 18.600 Euro. Wer genau die Initiative ergriffen hat, blieb für das Gericht offen. Einerseits habe H. mit Nachrichten wie „Es ist schon zwei Wochen her, wollen wir uns nicht wieder treffen?“ Bellartz aufgefordert. Andererseits habe Bellartz mit der Nennung der konkreten Namen der für ihn interessanten Personen Anstoß zur Tat gegeben.
Apotheke Adhoc als vorderster Profiteur
Dass Informationen gegen Geld getauscht wurden, steht für das Gericht nicht infrage. Der Vorsitzende Richter las in seiner heutigen Urteilsbegründung erneut einige E-Mail-Nachrichten und SMS vor, die zwischen den Angeklagten ausgetauscht wurden und im zeitlichen Zusammenhang zu Geldbewegungen auf ihren Konten standen. Bereits Anfang 2009 habe es Nachrichtenwechsel gegeben, die darauf hindeuteten, dass die beiden etwas planen: „Leider hat es mit den Tipps nicht geklappt, vielleicht fällt uns etwas Neues ein?“. Doch erst im November 2009, kurz nachdem die neue Bundesregierung ins Amt kam und Philipp Rösler mit seiner neuen Mannschaft ins BMG einzog, seien die Beweise konkret geworden, so der Richter. Zu diesem Zeitpunkt schickte Bellartz die Namensliste an H. Es folgten immer wieder Nachrichten im Stil von „Habe alles, wann sehen wir uns?“ oder „Kannst du morgen wieder liefern? Wie letztes Mal an der Sparkasse?“.
Vitales Interesse an aktuellem Material
Anhand eines konkreten Falles – wenn auch eines im Laufe der Verhandlung eingestellten – zeigte der Richter auf, wie bedeutend ihres Erachtens die Aktualität für Bellartz gewesen sein muss: Einmal habe H. am 30. März, einem Freitag, zugegriffen, die Daten Bellartz am Folgetag angeboten, aber erst am dritten Tag übergeben. Im nächsten Nachrichtenwechsel eine Woche später habe Bellartz „bitte beim nächsten Mal topaktuelles Material“ angefordert. Gut zwei Jahre lang hätten die beiden Angeklagten im regelmäßigen Austausch gestanden, so der Vorsitzende Richter, im Schnitt trafen sie sich alle drei Wochen. Zunächst erhielt H. für seine Datenlieferungen rund 600 Euro, später etwa 400 Euro. Auch hierzu zitierte der Richter Nachrichten. So habe Bellartz angekündigt, künftig 200 Euro weniger zu zahlen, „es geht nicht anders“, erklärte er. H. entgegnete mit einem „Weißt du wie schwer das ist?“. Bellartz erklärte, zu versuchen, bei gutem Material mehr Geld zu beschaffen, das liege aber nicht an ihm.
ABDA wusste vermutlich nichts von illegaler Beschaffung
Das könnte man so verstehen, dass möglicherweise die ABDA, deren Sprecher Bellartz in dieser Zeit war, ihre Finger mit im Spiel hatte. Das glaubt das Gericht jedoch nicht. Es spreche zwar viel dafür, dass die ABDA informiert gewesen sei und von der illegalen Quelle profitiert habe – allerdings ohne konkret zu wissen, woher die Informationen stammen. Sie habe Bellartz einfach für einen gut informierten und vernetzten Mitarbeiter gehalten. Möglicherweise habe es Bellartz Christoph H. aber so verkauft, dass die ABDA hinter den Aufträgen stand. Das Gericht sieht jedenfalls vor allem Bellartz selbst als Profiteur – beziehungsweise sein Unternehmen Apotheke Adhoc. Nach Überzeugung der Richter hat er die aus dem BMG erlangten Informationen für den Hintergrund genutzt – etwa um gezielt nachfragen zu können. Und die Daten selbst waren durchaus von Bedeutung für die Branche: Es ging etwa um die neue Apothekenbetriebsordnung, den Versandhandel oder die Vergütung von Notdiensten. Hierüber frühzeitig informiert zu sein, sei ein großer Vorteil, der frühe Veröffentlichungen und auch Skandalisierungen ermögliche.
Geringere Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung
Das Gericht sieht durch das Vorgehen der beiden Männer auch
den Straftatbestand des § 202a StGB erfüllt – was die Verteidigung nicht erst
in ihren Plädoyers vehement verneint hatte. Nach dieser Vorschrift wird
bestraft, „wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für
ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind,
unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft“. Der neuralgische Punkt sind
hier die besonders gesicherten Daten und die Überwindung der Zugangssicherung.
Denn H. wurde es tatsächlich nicht allzu schwer gemacht, die persönlichen
Postfächer „auszuspähen“. Aber einen besonderen Weg musste er doch einschlagen.
So habe er zunächst die Rechteverwaltung am PC öffnen müssen und erst nach mehreren Klicks
und zusätzlichem Softwareeinsatz auf die Postfächer zugreifen können. Er habe den Passwortschutz
ausgeschaltet. Die Kammer ist sich sicher: Quasi im „Vorbeigehen“ waren die internen Daten nicht zu bekommen – und H. habe auch gewusst, dass er nicht durfte, was er
tat. Der Vorsitzende Richter betonte, dass die Tathandlung vom Wortlaut des Strafgesetzes gedeckt sei. Und er hob hervor, dass seine Kammer mit ihrer rechtlichen Würdigung auch nicht alleine stehe.
Doch eher Lobbyist als Journalist
Was die Strafzumessung betrifft, haben die Richter
zahlreiche entlastende Aspekte beachtet. So sind beide Männer nicht
vorbestraft. Zudem wurden ihnen die Taten angesichts der Sicherheitsmängel im
BMG leicht gemacht. Sie liegen überdies lange zurück und auch das gesamte
Strafverfahren zog sich in die Länge. Beide hätten zudem einen „Karriereknick“
zu verkraften gehabt, auch weil die Medien – teilweise bundesweit – über das
Verfahren berichteten. Strafverschärfend komme für H. allerdings der erhebliche
Vertrauens- und Vertragsbruch. Keine Entlastung brachte Bellartz seine journalistische Tätigkeit. Diese hätte man möglicherweise berücksichtigen können, wenn durch die Taten Missstände im BMG hätten aufgedeckt werden sollen. Hier habe Bellartz jedoch eher „Lobbyarbeit“ geleistet.
Der Richter räumte ein: Wäre die Kammer nicht so überlastet gewesen und hätte das Zusammenspiel mit der Polizei besser geklappt, hätte das Zwischenverfahren um ein Jahr verkürzt werden können, die Hauptverhandlung um neun Monate. Es handele sich hierbei um rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen durch die Justiz. Deshalb gilt bei beiden Angeklagten ein Teil der Strafe bereits als abgegolten.
Voraussetzung, dass Bellartz überhaupt eine Geldstrafe zahlen muss und H. ´s Bewährungsstrafe beginnt, ist, dass das Urteil rechtskräftig wird. Dies wird sicherlich nicht so schnell der Fall sein. Beide wollen das Urteil mit der Revision anfechten.
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