- DAZ.online
- News
- Recht
- Kliniken müssen Kassen ...
Bundessozialgericht
Kliniken müssen Kassen Umsatzsteuer für Zytostatika erstatten
Das Bundessozialgericht hat entschieden: Krankenhäuser
müssen auch gesetzlichen Krankenkassen von diesen gezahlte Umsatzsteuer auf Arzneimittel
für die ambulante Krebsbehandlung unter Umständen zurückzahlen. Erst kürzlich urteilte der Bundesgerichtshof entsprechend zugunsten privater Krankenversicherer.
Im September 2014 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass von Krankenhausapotheken individuell hergestellte Zyto-Zubereitungen, die Patienten bei ambulanten Krebsbehandlungen in Kliniken verabreicht werden, umsatzsteuerfrei sind. Ihr Umsatz sei mit dem der ärztlichen Heilbehandlung eng verbunden im Sinne des § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG aF (= § 4 Nr. 14b UStG nF) und damit von der Umsatzsteuer befreit. Im Jahr 2016 folgte ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die obersten Finanzbehörden, mit dem dieses unter entsprechender Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses klarstellte, dass der Entscheidung des BFH in der Finanzverwaltung gefolgt werde.
Wegen des hohen Aufwandes lehnten viele Kliniken es aber ab, das an die Finanzämter abgeführte Geld für die Krankenkassen zurückzuholen. Und so forderten einige Kassen sowie Privatversicherer in der Vergangenheit gezahlte Umsatzsteuer auf dem Klagewege ein. Bereits im Februar entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dass den Rückforderungen privater Krankenversicherungen grundsätzlich nichts im Weg steht.
Das Bundessozialgericht traf am gestrigen Dienstag eine ähnliche Entscheidung für die gesetzlichen Kassen, die ebenfalls über den konkreten Fall hinaus von Bedeutung ist: Geklagt hatte die Techniker Krankenkasse gegen ein Krankenhaus. Sie forderte 1319,36 Euro auf Herstellungspauschalen gezahlte Umsatzsteuer aus dem Jahr 2010 zurück. In den Vorinstanzen blieb die Klage erfolglos, das Bundessozialgericht sprach die Summe nun aber der Techniker Krankenkasse zu.
Kliniken sollen nicht gegen Finanzämter klagen müssen
Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Doch im Terminbericht des Bundessozialgerichts heißt es, der Rückzahlungsanspruch stehe der Kasse aus der ergänzenden Auslegung des Vertrags zu, den die Parteien für die Abrechnung von Zytostatika vereinbart hatten. Und zwar soweit die Steueranmeldungen des Krankenhauses noch nicht formell bestandskräftig oder jedenfalls noch abänderbar waren. Denn hätten die Vertragsparteien bedacht, dass die Steuerverwaltung die Umsatzsteuerpflicht auch mit Rückwirkung verneint, hätten sie vereinbart, dass den Krankenkassen ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer zusteht, wenn die Klinik ihrerseits den Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt ohne Prozessrisiko durchsetzen kann. Das bedeutet: Die Krankenhäuser sollen nicht erst noch einen Rechtsstreit mit Finanzämtern führen müssen, um das abgeführte Geld wiederzubekommen und dann den Kassen zurückzuzahlen.
Sind die Steueranmeldungen dagegen nicht mehr abänderbar, kommt den Bundessozialrichtern zufolge ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in Betracht. Vorliegend wäre das hier beklagte Krankenhaus spätestens nach dem Urteil des BFH vom 24. September 2014 verpflichtet gewesen, im Vorgriff auf mögliche Reaktionen der Steuerverwaltung innerhalb der noch laufenden Festsetzungsfrist die Abänderung zu beantragen. Dies wäre ihm angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens zumutbar gewesen. Da dies nicht geschah, muss die Klinik nun zahlen.
Um wie viel Geld es für die Krankenkassen insgesamt geht, ist laut GKV-Spitzenverband unklar. Der Rechtsvertreter der Techniker Krankenkasse sprach vor dem Bundessozialgericht von Summen „in astronomischen Höhen“, die die gesetzlichen Kassen über die Jahre zu viel gezahlt hätten.
Bundessozialgericht, Urteil vom 9. April 2019, Az.: B 1 KR 5/19 R
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.