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Sächsischer Apothekertag
„Apotheker brauchen moralische und ökonomische Anerkennung“
Eine Gesellschaft, die weitsichtig denkt, kann auf den Apotheker als Heilberufler nicht verzichten. Seine soziale Bedeutung kann gerade in Zeiten der Ökonomisierung und Digitalisierung nicht unterschätzt werden. Mit dieser Überzeugung traf der Medizin-Ethiker Professor Giovanni Maio beim Sächsischen Apothekertag in Chemnitz den Nerv der Apotheker. Die Frage ist nun – wie lässt sich diese Erkenntnis umsetzen? Und hilft dabei das Apotheken-Stärkungsgesetz?
Am vergangenen Wochenende trafen sich beim 17. Sächsischen Apothekertag in Chemnitz Pharmazeuten aus dem gesamten Freistaat. Thema am Samstagvormittag war die Frage, ob die flächendeckende Versorgung im Jahr 2030 Fiktion oder Realität sein wird. Der Arzt und Philosoph Professor Giovanni Maio, Medizinethiker an der Universität Freiburg, stimmte mit einem Impulsvortrag unter dem Titel und der These „Der Apotheker wird ein Heilberuf sein oder er wird nicht sein“ ein. Gerade am Apothekerberuf sehe man deutlich, dass man nicht alle gesellschaftlichen Bereiche dem Markt überlassen dürfe. Maio hob hervor, dass der Apotheker hinter jedem Kunden den Patienten sehe und diesem als freier Heilberufler Angebote mache. Oft werde die Leistung des Apothekers reduziert auf die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit. Aber es gehe um weit mehr: Um Patientenschutz sowie darum, Gesundheitskompetenz zu fördern – und das nicht nur über das Austeilen von Broschüren, sondern durch Gespräche, die helfen, sich zu orientieren, zu reflektieren und Probleme zu lösen. Zudem sei es Aufgabe der Apotheker, Adhärenz zu sichern und zu fördern und niedrigschwellig und für alle Menschen gleichsam zu sehr spezifischen Fragen ansprechbar zu sein.
Dieses „Ansprechbarsein“ sei ein rares Gut geworden in Zeiten einer durchökonomisierten „Durchschleusungsmedizin“, betonte Maio. „Was Zeit kostet, wird wegrationalisiert – und das ist falsch.“ In dieser Situation wäre es aus Sicht des Medizinethikers fahrlässig, die Apotheke als Ort, in dem Gespräche stattfinden können, einem Marktkalkül zu überlassen und die Apothekenlandschaft auszudünnen. Zudem müsse man die Tatsache, dass die Apotheker etwas leisten, das zu einem knappen Gut geworden ist, nicht nur moralisch, sondern auch ökonomisch anerkennen. Sein Appell: „Die Apotheken dürfen sich nicht unter Wert verkaufen, sondern mit Rückgrat den heilberuflichen Charakter ihres Berufs hochhalten – im Interesse der Patienten.“
In der anschließenden Diskussionsrunde ging es darum, wie Apotheker als Heilberufler zwischen Webwirtschaft und Digitalisierung noch überleben können. Hilft die Digitalisierung möglicherweise bei der Versorgung in der Fläche oder wirkt sie eher als Brandbeschleuniger? Maio stellte zum Einstieg klar: Digitalisierung kann und sollte man nutzen – aber man darf nicht nur darauf setzen, sonst würden bestimmte Patientengruppen ausgegrenzt, gerade Alte und Multimorbide, die weniger internetaffin sind. „Die Beratungsleitung wird durch Digitalisierung nicht überflüssig“, betonte er. Das Gegenteil sei der Fall: Gerade weil Informationen aus dem Netz vielfach verunsicherten, bräuchten Patienten jemanden, der etwas verlässlich erklärt und in den richtigen Kontext setzt.
Schmidt betont die Chancen des Apotheken-Stärkungsgesetzes
Der Präsident der Landesapothekerkammer Sachsen, Friedemann Schmidt, verwies darauf, dass auch andere Freiberufler mit der Situation konfrontiert seien, dass Leistungen, die es vorher nur zusammen gab, zunehmend entbündelt werden. Die Internetwirtschaft schaue sich die Geschäftsmodelle – etwa von Apotheken oder Anwälten – an und überlege, welche dieser Leistungen sie schneller und besser hinbekomme. Dabei sei den Unternehmen klar, dass sie nicht alle diese Leistungen anbieten können. Aber einige eben doch. So gebe es zum Beispiel Anbieter, die einfache Ordnungswidrigkeitenverfahren automatisiert erledigen. Diese Entwicklung führe auch dazu, dass Patienten glaubten, einfache Versorgungsvorgänge online abwickeln zu können. Und das kann nicht nur für die Patienten Folgen haben. Durch die Abtrennung von Versorgungsfeldern gehe auch die pauschalisierte Form der Honorierung, die lang gut funktioniert habe, kaputt, mahnte Schmidt. Zudem verwies er auf ein besonderes Prinzip in der Webökonomie: Am Ende gebe es in der Regel einen Monopolisten und mit dem Wettbewerb ist es vorbei.
Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Krauß sieht jedenfalls keinen Widerspruch zwischen zunehmender Digitalisierung und dem Fortbestand der Apotheke vor Ort. Er warb für das geplante Apotheken-Stärkungsgesetz, das die Versorgung in der Fläche stärken will und zugleich auf das E-Rezept und mehr Qualität im Versand setzt. Denn der Versandhandel, so konstatierte Krauß, sei eher „schädlich für die Qualität“. Um hier gegenzusteuern, soll es künftig Vorgaben zu Temperaturanforderungen beim Transport geben. Für ihn steht ebenfalls außer Frage, dass die Apotheke vor Ort nicht zu ersetzen ist – und überdies noch weit mehr Potenzial hat. Nicht nur im Hinblick auf neue Dienstleistungen, sondern auch angesichts zunehmender „Engstellen“ in der ärztlichen Versorgung. Daher sehe der neue Gesetzentwurf auch ein Modellvorhaben zum Impfen vor. „Das wollen wir mal ausprobieren, um zu sehen, ob das funktionieren kann“, so Krauß.
Schmidt: Man braucht mehr als ein „one
trick pony“
Auch Schmidt sieht den Gesetzentwurf prinzipiell positiv. Seit Jens Spahn Minister sei, habe es keine reale Chance mehr gegeben, das Rx-Versandverbot durchzusetzen, erklärte er erneut. Zudem hätten Apotheken nicht nur mit dem Problem eines wachsenden europäischen Versandhandels zu kämpfen. Es gebe beispielsweise auch ökonomische Probleme, die man ebenfalls adressieren müsse. Ein „one trick pony“ wie das Rx-Versandhandelsverbot hätte hierfür nicht ausgereicht, meint Schmidt.
Im nun vorliegenden Gesetzentwurf seien die Lösungen für diese anderen Probleme immerhin angelegt. Das heiße nicht, dass es nicht noch viel zu tun gebe, betonte Schmidt. Ungelöst sei zum Beispiel noch das Problem der Gleichpreisigkeit im Bereich der Selbstzahler. Offen sei bislang auch, wie die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen genau geregelt werden sollen – für Schmidt die zentrale Neuerung überhaupt. Es sei wichtig, dass die Apotheken bezahlt bekommen, was sie singulär macht. Dennoch ist der Gesetzentwurf für ihn ein „Schritt in die richtige Richtung“ – mag es im weiteren Gesetzgebungsverfahren auch noch viel zu tun geben.
Dabei vertrauen Kammer- und ABDA-Präsident nicht zuletzt auf die Unterstützung von Politikern wie Krauß. Dieser gab in Chemnitz zumindest etwas Hoffnung, dass beim den Dienstleistungen kein Deckel bei 150 Millionen Euro gesetzt ist. „Ich kann mir auch vorstellen, dass da fünf Euro mehr drin sind“, sagte er vage. Auch Minister Spahn habe erklärt, dass er hier weiterhin gesprächsbereit und offen für gute Vorschläge sei.
3 Kommentare
Anerkennung
von Roland Mückschel am 16.04.2019 um 10:47 Uhr
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Herr R. Rodiger hat das Ziel hier definiert ...
von Christian Timme am 16.04.2019 um 8:35 Uhr
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Welche Richtung stimmt?
von Reinhard Rodiger am 16.04.2019 um 0:02 Uhr
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