Forschung

Mehr als 160 Medikamente gegen Diabetes in der Entwicklung

Remagen - 22.05.2019, 10:15 Uhr

Die Forschung an einer verbesserten Diabetes-Therapie steht nicht still. (Foto: Photographee.eu / stock.adobe.com)

Die Forschung an einer verbesserten Diabetes-Therapie steht nicht still. (Foto: Photographee.eu / stock.adobe.com)


Es gibt heute zwar eine ganze Bandbreite antidiabetischer Therapien, aber die Behandlung bleibt eine Herausforderung, auch weil sie ganz individuell erfolgen muss. Jede Vereinfachung bringt einen Fortschritt. Derzeit sollen über 160 Arzneimittel für die Behandlung der Zuckerkrankheit und deren Begleiterkrankungen in der Pipeline sein, berichtet der US-amerikanische Verband der forschenden Arzneimittelhersteller PhRMA.

Der Bedarf an innovativen Therapien für das Management des Diabetes sei weiterhin groß, schreibt der amerikanische Verband der forschenden Arzneimittelhersteller PhRMA in einer Pressemitteilung, mit der er seinen neuen Bericht „Medicines in Development: Diabetes“ vorstellt. Denn die Erkrankung sei von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Hinzu kämen Probleme wie mangelnde Adhärenz, unzureichende Therapieerfolge und Begleiterkrankungen, die wiederum mit weiteren Arzneimitteln therapiert werden müssten. „Manche Patienten haben eine besonders große Abneigung gegenüber Spritzen“, schreibt der Verband. „Andere, zum Beispiel Ältere, haben mit Sehschwächen, ihrer Motorik oder Vergesslichkeit zu kämpfen.“ Einen „Einer für alle“-Therapieansatz könne es daher nicht geben und innovative Ansätze zur Verbesserung und Vereinfachung der Behandlung seien gefragt.

77 Kandidaten gegen Typ 2-Diabetes

An diesen wird in den USA intensiv geforscht. Konkret sind laut PhRMA momentan über 160 Medikamente in der Entwicklung, davon der weitaus größte Teil bereits in den klinischen Phasen II und III. Einige befinden sich schon im Zulassungsverfahren bei der US Food and Drug Administration (FDA):

  • 77 Kandidaten richten sich gegen Typ 2-Diabetes. Dieser macht bis zu 95 Prozent aller Fälle aus. Unter anderem soll die orale Verabreichung eines Wirkstoffes bevorstehen, womit ein Wunschtraum vieler Typ 2-Diabetiker in Erfüllung gehen könnte.
  • 32 Präparate für Typ 1-Diabetes sind in der Pipeline, darunter ein voll rekombinanter monoklonaler Antikörper zur Behandlung von Patienten mit neu diagnostiziertem Typ 1-Diabetes. Er richtet sich gegen Interleukin-21 (IL-21) und soll das Immunsystem so modifizieren, dass der Angriff auf die Beta-Zellen verhindert wird. Der Antikörper wird kombiniert mit dem  GLP-1-Agonisten Liraglutid.

Ende Februar dieses Jahres hat der Wirkstoff Sotagliflozin in der EU eine Zulassungsempfehlung für Diabetes Typ 1 erhalten. Er inhibiert sowohl SGLT-2 als auch SGLT-1 (Sodium dependent glucose co-transporter), die bei der Regulation von Glukose eine wichtige Rolle spielen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat den Zulassungsantrag für Sotagliflozin wegen der Gefahr der diabetischen Ketoazidose, die mit der Anwendung verbunden ist, allerdings abgelehnt.

  • 68 Kandidaten sind für Erkrankungen bestimmt, die im Zusammenhang mit Diabetes stehen. Zu den Angriffspunkten gehören die diabetische Neuropathie, die diabetische Nephropathie, das diabetische Makulaödem und die diabetische Magenlähmung (Gastroparese).

Bis 2040: zwölf Millionen Menschen mit Diabetes

Das deutsche Arzneimittelhersteller-Portal „Pharma Fakten“, das ebenfalls auf den PhRMA-Bericht verweist, berichtet von dem globalen Vormarsch der Zuckerkrankheit. Schon jetzt soll es weltweit rund 425 Millionen Diabetiker geben, davon etwa 58 Millionen in Europa und 7 Millionen in Deutschland. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich die Zahl der Diabetes-Patienten seit dem Jahr 1980 vervierfacht. Wissenschaftler des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und des Robert Koch-Instituts vermuten, dass die Zahl der Typ 2-Diabetiker in Deutschland bis zum Jahr 2040 um bis zu 77 Prozent auf zwölf Millionen ansteigen könnte.

Wo bleibt die Nationale Diabetes-Strategie?

Neben innovativen Therapien sind aus Sicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe e.V. sowie des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) aber auch intensivere Maßnahmen zur Früherkennung und Prävention notwendig. Die Verbände haben deshalb Ende April 2019 zusammen ein Positionspapier mit politischen Forderungen veröffentlicht. 

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Das Papier soll Orientierung bei der Umsetzung der Nationalen Diabetes-Strategie liefern, die die Bundesregierung im Koalitionsvertrag beschlossen hat. Wie aus dem Bundesgesundheitsministerium verlautet, soll die Strategie bis Jahresende 2019 stehen, aber bis heute seien sowohl die Inhalte als auch die politische Umsetzung unklar, bemängeln die Verbände. Dabei dränge die Zeit, heißt es in einer Pressemitteilung Ende April 2019.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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