Massive Kritik an der ABDA

Siemsen: Spahn hat die ABDA-Spitze über den Tisch gezogen

Hamburg - 19.06.2019, 14:00 Uhr

Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen (hier auf dem DAT 2017) hat die ABDA-Spitze für mehrere Angelegenheiten scharf kritisiert. Es geht um den Umgang mit der geplanten Apothekenreform und die geplanten Vorstandsvergütungen. (Foto: Schelbert)

Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen (hier auf dem DAT 2017) hat die ABDA-Spitze für mehrere Angelegenheiten scharf kritisiert. Es geht um den Umgang mit der geplanten Apothekenreform und die geplanten Vorstandsvergütungen. (Foto: Schelbert)


Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, beklagt, dass die ABDA-Spitze die Forderungen der Apotheker nur „kleinlaut und demütig relativierend“ vortrage. Minister Spahn habe die ABDA-Spitze mit der Aussicht auf honorierte Dienstleistungen „über den Tisch gezogen“. Siemsen versicherte zudem, der Haushaltsausschuss sei nicht in die geplante Erhöhung der ABDA-Vorstandsbezüge involviert gewesen. Der Kammerpräsident übte auch in diesem Punkt scharfe Kritik an der ABDA-Spitze. Zur Sicherung der Gleichpreisigkeit verabschiedete die Hamburger Kammerversammlung eine Resolution an die Bundesregierung.

In seinem Bericht bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg am gestrigen Dienstagabend betitelte Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen das laufende Gesetzgebungsprojekt als „Vor-Ort-Apotheken-Sterbe-Gesetz“ und sagte: „Kein anderes Gesetzesvorhaben der letzten Jahrzehnte im Apothekenbereich hat so viel Diskussion und der Umgang der ABDA-Spitze mit dem Entwurf so viel Angst, Wut, Unverständnis und Frustration bei den Betroffenen hervorgerufen.“ Zum politischen Stil erklärte Siemsen, statt ausgereifter Projekte seien jetzt Schnellschüsse gefragt, die Minister Spahn als „Diskussionsgrundlage“ sehe. Spahn gehe keinem kontroversen Gespräch aus dem Weg, verändere seinen Standpunkt aber so gut wie nie. Siemsen erinnerte an den Deutschen Apothekertag 2018.

In seinem Schlusswort habe ABDA-Präsident Schmidt massive Veränderungen im Apothekenwesen angekündigt. „Wusste Schmidt schon mehr als er sagte?“ fragte Siemsen. Siemsen erinnerte auch an die ABDA-Mitgliederversammlung vom Dezember 2018. Einige Verbände hätten sich damals „in anbiedernder Weise“ für die „Weitsicht“ von Spahn bedankt. Nur wenige Kammern hätten die richtigen Worte gefunden und „die Vorschläge und die Art des Vortrags als Erpressung“ bezeichnet. Der Verband und die Kammer in Hamburg hätten eindeutig gesehen, dass Spahns Vorschläge „alles andere als konsensfähig“ gewesen seien.

Beschlusslage wird nicht vehement vertreten

Die beiden außerordentlichen ABDA-Mitgliederversammlungen in diesem Jahr hätten Eines gemeinsam: „Trotz massiven Einwirkens des Präsidiums wurden eindeutige Beschlüsse zum Erhalt der Gleichpreisigkeit gefasst sowie als Rückfallposition die Rückkehr zur Forderung des Rx-Versandverbots“, erklärte Siemsen. Doch leider würden diese eindeutigen Beschlusslagen des höchsten ABDA-Gremiums vom ABDA-Präsidium in der Öffentlichkeit „nicht mit Vehemenz und Nachhaltigkeit vertreten“. Die Forderungen würden „kleinlaut und demütig relativierend vorgetragen“. „Unsere Forderungen existieren gar nicht in der öffentlichen, politischen Welt“, folgerte Siemsen.

Siemsen: ABDA-Spitze auf „Kuschelkurs“ mit Spahn

Spahn habe die ABDA-Spitze mit der Aussicht auf honorierte Dienstleistungen „geködert“ und „dermaßen über den Tisch gezogen, dass die dabei entstehende Reibungswärme als Nestwärme empfunden wird.“ Anders könne er sich den „Kuschelkurs“ zu Spahn nicht erklären. Doch damit verkläre sich der Blick „auf den Tsunami, der auf uns zurollt“. Denn die Streichung der Preisbindung für ausländische Versender könnte auch kritische Folgen für die Gleichpreisigkeit im Inland haben. Außerdem bestehe die Gefahr, mit einem gesetzlichen Anspruch der Versicherten auf pharmazeutische Dienstleistungen und einer gedeckelten Finanzierung in den Ruin zu laufen. Die Punktwerte der Ärzte würden diese „Finanzfalle“ deutlich machen. Die „Träume“ von ABDA-Vize Mathias Arnold, dass bereits übliche Leistungen honoriert würden, würden sich mit der GKV und der SPD nicht realisieren lassen. Siemsen räumte ein, dass das geplante Makel- und Zuweisungsverbot für E-Rezepte positiv sei, aber „zur Gesamtbeurteilung gehört immer auch eine Nutzen-Risiko-Abschätzung“.

Die existenzielle Forderung nach kompletter Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel werde nicht erfüllt, betonte Siemsen. Er habe in Jahrzehnten berufspolitischer Arbeit noch nie erlebt, dass alle Juristen zum gleichen Ergebnis kommen. Doch nun würden alle befragten Juristen erklären, die fehlende Gleichpreisigkeit außerhalb der GKV werde mittelfristig überhaupt zum Verlust der Preisbindung führen. Daher sei es unabdingbar, nun „alle Register zu ziehen“, um „aus dem Sterbegesetz ein Stärkungsgesetz“ zu machen, forderte Siemsen und ergänzte: „Doch das wird umso schwerer, je mehr man seine eigenen Jäger zum Jagen tragen muss.“

Regularien für Abwahl der ABDA-Spitze

Siemsen ging auch auf Forderungen nach dem Rücktritt des ABDA-Präsidiums ein. Nordrheins Kammerpräsident Lutz Engelen sowie die Kammerversammlung in Brandenburg hatten dies gefordert. Für eine Abberufung seien satzungsgemäß Mehrheiten von zwei Dritteln der Stimmen und der Hälfte der Organisationen in der Mitgliederversammlung nötig. „Da sind wir nicht“, erklärte Siemsen. Doch aus der Kammerversammlung wurde detailliert nach den Möglichkeiten für die Abwahl einzelner Präsidiumsmitglieder gefragt. 

Siemsen berichtete außerdem, bei der jüngsten Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) habe es deutliche Kritik an der Rede von BAK-Präsident Kiefer in Meran gegeben. Daraufhin habe die BAK-Mitgliedversammlung klargestellt, dass kein Konsens zwischen den Apothekerorganisationen und Minister Spahn zum aktuellen Gesetzesvorhaben bestehe.

Höhere Vorstandsbezüge „politisch vollkommen ungeschickt“

In seinem weiteren Bericht legte Siemsen mit zusätzlicher Kritik an der ABDA nach. Er verwies auf die Berichte von DAZ.online, die ABDA-Vorstandsentschädigung solle um über 100.000 Euro steigen. Siemsen versicherte: „Der Haushaltsausschuss, der dies satzungsgemäß anschieben müsste, war in dieser Frage nicht involviert.“ Insoweit betrachte er den Haushaltsentwurf als nicht satzungskonform und er lehne ihn ebenso wie der Vorstand der Apothekerkammer Hamburg ab. Siemsen ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses und hatte die anderen Mitgliedsorganisationen in einem Schreiben darüber informiert.

Siemsen kritisierte den „fehlenden Respekt gegenüber den zuständigen Gremien“. Außerdem halte er es „auch für politisch vollkommen ungeschickt, in der jetzigen Lage den Etat für Aufwandsentschädigungen um 23 Prozent zu erhöhen“, erklärte Siemsen und ergänzte: „Es zeugt von fehlendem Fingerspitzengefühl und größtmöglicher Entfernung von den Apothekerinnen und Apothekern an der Basis, deren Interessen eigentlich vertreten werden sollten.“

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Welche Anträge zum Apothekertag?

Allerdings gab es auch Kritik an der Apothekerkammer Hamburg. Einzelne Apotheker bemängelten, dass die Kammer zum Deutschen Apothekertag Anträge für den verantwortungsbewussten Umgang mit Zucker vorbereitet. In dieser existenzbedrohenden Lage seien stattdessen politische Themen gefragt. Siemsen deutete jedoch an, die Kammer werde sich an politischen Anträgen anderer Kammern beteiligen.

Resolution zur Gleichpreisigkeit

Im weiteren Verlauf der Sitzung verabschiedete die Kammerversammlung eine Resolution mit der Forderung an die Bundesregierung, sich für den sicheren Erhalt fester Preise für Rx-Arzneimittel einzusetzen. Darin heißt es, das aktuelle Gesetzesvorhaben führe jedoch zum Gegenteil. In den vorigen Tagen hatten auch andere Kammern ähnliche Resolutionen beschlossen, um deutlich zu machen, dass kein Konsens zum Apotheken-Stärkungsgesetz besteht.

Spätdienste abgeschafft

Siemsen berichtete außerdem, dass sich auch Hamburg um die verpflichtende Einführung von Stationsapothekern in Krankenhäusern bemühe. In Niedersachsen wurde dies mittlerweile beschlossen. Er sei zuversichtlich, dass dies auch in Hamburg eingeführt werde, und ergänzte, es stünden dafür genügend Apotheker zur Verfügung.

Die Kammerversammlung beschloss, Spätdienste im Rahmen des Notdienstes abzuschaffen. Es soll daraufhin ab 2020 in Hamburg nur noch Apothekennotdienste geben, die die ganze Nacht dauern und die dann auch über den Notdienstfonds honoriert werden.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Besser als der HSV!

von Ulrich Ströh am 19.06.2019 um 20:37 Uhr

Ups,sollte- die -Kammer heißen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Besser als der HSV !

von Ulrich Ströh am 19.06.2019 um 20:15 Uhr

Man muss der Hamburger Kammer für die klare Positionierung loben!
Endlich mal norddeutscher Klartext!

Vorbild für andere norddeutsche Kammern und Verbände...
Manche sind noch nicht soweit.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Besser als der HSV

von Dirk Krüger am 20.06.2019 um 9:29 Uhr

Lieber Herr Ströh,
tatsächlich höre ich von unserer Kammer und von unserem Verband in Kiel nichts. Aber machen wir uns doch nichts vor: der Drops ist gelutscht. Da nützen jetzt auch noch so harsche Stellungnahmen einzelner Kammern und Verbände nichts mehr. Die ABDA hat´s vergeigt. Was besonders perfide ist: durch ihr Agieren hat die ABDA-Spitze die Unterstützer eines RxVV verprellt, die es vor allem in der Partei des Herrn Spahn gab.
Möglicherweise kippt das ganze Gesetzgebungsverfahren. Dann haben wir keine honorierten Dienstleistungen ( das Trost-Leckerli, das keins ist ), kein Verbot von Zuweisungen von elektronischen Rezepten usw. . Vielleicht bleibt zwar der § 73 AMG erstmal erhalten, nützt uns aber so isoliert auch nix, das EuGH-Urteil hat ja Bestand. Die ABDA hinterlässt verbrannte Erde...

Die Wertschätzung des Ministers

von Reinhard Rokitta am 19.06.2019 um 18:23 Uhr

Die Freie Apothekerschaft im Januar 2019
https://apothekerverein.de/apotheken-2019-die-wertschaetzung-des-ministers/

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ABDA

von Karl Friedrich Müller am 19.06.2019 um 17:11 Uhr

Wenn das so stimmen würde:
Fürchtet die ABDA die Politik mehr als uns.
Konsequenterweise müssen wir dafür sorgen, dass es umgekehrt wird, die ABDA uns mehr fürchtet als die Politik.
Am Besten wäre es, wenn uns die Politik auch noch fürchtete.
Aber ich glaub nicht daran. Die ABDA war und ist viel zu abgehoben. Sie interessiert sich nur für die eigenen Pläne, die zufällig in die gleiche Richtung gehen wie Spahns.
Verraten und verkauft sind wir.

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Über den Tisch ziehen

von Roland Mückschel am 19.06.2019 um 15:23 Uhr

Die sind nicht über den Tisch gezogen worden
sondern wollten sich in Luftschlössern einrichten
die Spahn ihnen in fernen Nebeln angedeutet hatte.
Einem Politiker der eins noch schneller kann als sein
Wort geben, nämlich es brechen.
Eigentlich verbietet es die eigene Lebenserfahrung
solchen Leuten zu trauen.
Und niemand verbietet es aus eigenen Fehlern zu
lernen. Und denen der anderen.

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