Elektronisches Verordnungssystem

England: Rezepte künftig nur noch ausnahmsweise auf Papier

Remagen - 24.10.2019, 11:30 Uhr

In England wird in Kürze die letzte Stufe eines Systems für elektronische Verordnungen eingeleitet. Das Projekt E-Rezept läuft in England seit 13 Jahren. (Foto: imago images / Arcaid)

In England wird in Kürze die letzte Stufe eines Systems für elektronische Verordnungen eingeleitet. Das Projekt E-Rezept läuft in England seit 13 Jahren. (Foto: imago images / Arcaid)


England steht kurz vor dem Abschluss der standardmäßigen, landesweiten Einführung des elektronischen Verschreibungsservice (EPS). Das System wird nicht von einem Tag auf den anderen flächendeckend implementiert. Seit vielen Jahren wurde es stufenweise mit einer immer stärkeren Abkehr von Papierversionen weiterentwickelt.

Insgesamt haben die Entwicklung und der Prozess der Umsetzung der Grundelemente des elektronischen Verschreibungsservice (EPS) in England sage und schreibe dreizehn Jahre gedauert. Ab dem 18. November 2019 wird nun die „Phase 4“ in allen Hausarztpraxen in England eingeläutet. Damit wird der EPS endgültig zur Standardmethode für die Verschreibung, Abgabe und Erstattung von Rezepten in der Primärversorgung. Das „Tüpfelchen auf dem i“ in dieser Phase sind Vorkehrungen dafür, dass die Patienten für die Belieferung ihrer elektronischen Rezepte keine spezielle Apotheke angegeben haben, was eigentlich nicht erwünscht ist. Sobald der Roll-out der Endphase abgeschlossen ist, sollen Papierverschreibungen nur noch unter besonderen Umständen erhältlich sein.

Arzneimittel sollen bei einer „nominierten“ Apotheke abgeholt werden

Und so funktioniert der Verschreibungsservice, vereinfacht ausgedrückt:

Die Patienten werden dazu angehalten auszuwählen, in welcher Apotheke sie ihre Arzneimittel abholen wollen. Dies wird „Nominierung“ (nomination) genannt. Eine solche Nominierung kann jederzeit geändert oder storniert werden. Der Hausarzt informiert die nominierte Apotheke dann über die Ausstellung des Rezepts. In der Apotheke wird dieses anschließend vom NHS Spine heruntergeladen und beliefert. NHS Spine ist das Datencenter und die Kommunikationsplattform zum Austausch von Daten zwischen den NHS-Computersystemen. 

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Große Zeitersparnis

Einer der Vorteile bei der elektronischen Übertragung ist, dass die Apotheke die Medikation bereits zusammenstellen und checken kann, ob alles da ist, bevor der Patient in die Apotheke kommt, um seine Arzneimittel abzuholen. In einer Umfrage von NHS digital von Oktober 2017 hatten die Apotheker angegeben, dass sie mit dem System pro Tag im Schnitt eine knappe Stunde an Zeitaufwand für die Arzneimittelabgabe einsparen würden. 72 Prozent der Patienten hatten berichtet, dass ihre Medikation bereits fertig sei, wenn sie in ihrer Apotheke ankommen

Änderungen auf dem Rezept sind jederzeit möglich

Ein weiterer Vorteil wird darin gesehen, dass der Verschreibende das gesamte elektronische Rezept oder einzelne Artikel darauf jederzeit stornieren oder ändern kann, bis es an den Patienten abgegeben wird. In solchen Fällen ist er selbst dafür verantwortlich, dass der Patient darüber informiert wird. Die Abgebenden in der Apotheke bekommen eine Mitteilung über die Änderung, wenn sie versuchen, das elektronische Rezept abzurufen. Elektronische Wiederholungsrezepte (ERD) sind über den EPS ebenfalls möglich.

Geht es ganz ohne Papier?

Nein, ganz ohne Papier geht es in der Phase 4 trotzdem noch nicht. In bestimmten Fällen kommen Papierkopien des Rezepts zum Einsatz. Sie werden als „Token" bezeichnet. Es gibt zwei Arten von Token: Verschreibung und Abgabe. Patienten ohne EPS-Nominierung einer Apotheke erhalten in der Hausarztpraxis ein Verschreibungs-Token, das auf grünem Papier ausgedruckt ist. Der Token enthält einen Barcode, der in jeder Apotheke gescannt werden kann, um Einzelheiten zu der verordneten Medikation abzurufen. Die Arzneimittel dürfen nicht alleine auf der Basis des Tokens beliefert werden. Es zählt nur das elektronische Rezept.

Abgabe-Tokens werden in der Apotheke ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen (auf weißem Papier) ausgedruckt, und zwar, wenn ein Patient für Zahlungs- oder Freistellungserklärungen unterschreiben muss. Sie werden auch dann gedruckt, wenn ein Medikament in der nominierten Apotheke nicht verfügbar ist. Damit kann der Patient dann in eine andere Apotheke gehen, um es dort zu holen. Den Status eines Rezepts können Verschreiber und Abgebende jederzeit über den Electronic Prescription Service (EPS) Prescription Tracker überprüfen.

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Smartcards und Zugangskontrollen

Um an dem elektronischen Verschreibungsservice teilnahmen zu können, müssen die Apotheken sicherstellen, dass während der gesamten Öffnungszeit der Apotheke ein Apotheker verfügbar ist, der im Besitz einer speziellen „Smartcard“ ist. Nur über diese ist der Zugang zu dem System möglich. Die Smartcards werden an Einzelpersonen ausgestellt und dürfen nicht mit jemandem geteilt werden. Außerdem darf der dazugehörige Pass-Code nicht weitergegeben werden. Verluste oder Diebstahl der Karte müssen unverzüglich gemeldet werden.

300 Millionen an Einsparungen

„Die Digitalisierung des gesamten Verschreibungsdienstes ist ein wesentlicher Bestandteil des Bestrebens, den NHS fit für das 21. Jahrhundert zu machen“, sagt die parlamentarische Vize-Staatssekretärin für Gesundheit Jo Churchill, die unter anderem für die Primärversorgung zuständig ist. „Dies wird den Hausärzten und Apothekern wichtige Zeit einsparen. Die Apotheker können so mehr Zeit mit ihren Patienten verbringen.“ Ian Lowry, Direktor für digitale Arzneimittel und Pharmazie bei NHS Digital fügt an: „Das System ist außerdem sicherer, weil Verschreibungen nicht verloren gehen können und Ärzte ihren Status online überprüfen können. Dies ist ein großer Meilenstein, der Patienten, Hausärzten, Apothekern und dem NHS insgesamt zugutekommt.“ Bis zum Jahr 2021 soll der elektronische Verschreibungsservice dem NHS 300 Millionen britische Pfund an Einsparungen bringen. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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