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Achtung, Satire!
Kurzer Prozess: DocMorris jetzt auf deutschem Staatsgebiet
Seit Monaten herrscht Goldgräberstimmung in Heerlen. Mit der Einführung des E-Rezeptes will DocMorris in Zukunft noch mehr Kunden gewinnen und das Konzernergebnis – vorsichtigen Schätzungen zufolge – jedes Jahr verdoppeln. Dafür muss der Versender aber an die Telematikinfrastruktur angeschlossen werden. Diese ist jedoch nur für deutsche Leistungserbringer vorgesehen. Weil jede technische Lösung des Problems zu kompliziert gewesen wäre, wurde die deutsch-niederländische Grenze nun kurzerhand einige Meter in den Westen verlegt. Ein kleiner Hoheitsakt für ein großartiges Unternehmen: DocMorris ist jetzt quasi „eingemeindet“. DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat kommentiert satirisch die aktuellen Entwicklungen.
Kein Rx-Versandverbot, eine äußerst wackelige Boni-Regelung und elektronische Rezepte, die nicht mehr der Postbote überbringen muss – die Zukunft der Arzneimittelversender sieht rosig aus, beziehungsweise giftgrün. Denn der Marktführer unter den Versendern, DocMorris, lässt schon jetzt keine Gelegenheit aus, sich bei deutschen Endverbrauchern mit dem E-Rezept ins Gedächtnis einzubrennen. Seit Monaten sind alle Innenstädte, Bahnhöfe und Einkaufspassagen plakatiert, auch online läuft das Marketing auf Hochtouren: Wenn E-Rezept, dann DocMorris.
Doch die Übermittlung digitaler Verordnungsdaten ist längst nicht so trivial wie das Packen und Versenden von Arzneimittelpäckchen. Seit Jahren beschäftigt sich die Gematik mit der Entwicklung der digitalen Infrastruktur im deutschen Gesundheitswesen und stellt momentan die entscheidenden Weichen zur Einführung der E-Rezepte. Das Problem (aus Sicht von DocMorris): Eigentlich ist vorgesehen, entsprechend der Gesellschafterstruktur der Gematik, nur Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen mit Sitz in Deutschland an die Datenautobahn, die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI), anzubinden.
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Anbindung an die Telematikinfrastruktur
Wie sollen DocMorris und Co. künftig E-Rezepte empfangen?
Damit wäre der niederländische Versender, der sich in den letzten zwei Jahrzehnten auf so liebenswürdige und rechtschaffende Art in die Gunst der Patienten, Politik und sonstiger Player des Gesundheitswesens bugsiert hat, aus dem Spiel. Das geht natürlich nicht. Denn zur Lebenswirklichkeit einiger GKV-Versicherter gehört nun mal, Vor-Ort-Apotheken nur im äußersten Notfall aufzusuchen und ansonsten die Rezepte nach Holland zu schicken, um sie gegen Bares und das ein oder andere Arzneimittel einzutauschen.
In einer spontanen Telefonkonferenz zwischen Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), der Gematik und des Verbandes der europäischen Versandapotheken (EAMSP) wurden dem Vernehmen nach nun drei Möglichkeiten diskutiert:
1.) Neuverteilung der Gematik-Gesellschafteranteile zwischen dem BMG, dem EAMSP und dem GKV-Spitzenverband. Die Partner waren sich schon fast handelseinig, bis einem GKV-Vertreter auffiel, dass die Aufteilung mit 51 Prozent, 49 Prozent und 24,5 Prozent nicht stimmen konnte. Außerdem hätte der Spitzenverband weiterhin die Arbeit der Gematik zu 100 Prozent finanzieren müssen.
DocMorris-Gesetz kommt, Freie Berufe werden abgeschafft
2.) Ein DocMorris-Gesetz, dessen Referentenentwurf Jens Spahn schon zu Beginn seiner Amtszeit auf einem kleinen Klebezettel skizziert hatte. Im Konkreten sollte es demnach legitimiert werden, dass sich der Versender „Die Apotheke“ nennen darf und sich über „lästige bürokratische Hürden im Rahmen der Digitalisierung“ ausnahmslos und jederzeit hinwegsetzen kann. Auch dieser Vorschlag wurde verworfen, weil DocMorris ein grundlegend neues Branding anstrebt, sobald die E-Rezepte etabliert sind und Europa die freien, verkammerten Berufe abgeschafft hat.
3.) Verlegung der deutsch-niederländische Grenze an der Konzernzentrale von DocMorris im Gewerbepark Avantis südlich von Heerlen um 250 m Richtung Westen. Damit würde sich das deutsche Staatsgebiet um etwa 4,7 Hektar vergrößern, DocMorris läge in Deutschland und könnte ohne Probleme an die TI angeschlossen werden. König Willem-Alexander willigte schließlich zähneknirschend in den Deal ein – unter der Bedingung, dass sich deutsche Katastrophenhelfer an der Deichverteidigung im Norden und Westen der Niederlande aktiv beteiligen, um weitere Landverluste zu vermeiden.
Pharmazieräte aus Deutschland rücken an
Unmittelbar nach Unterzeichnung der entsprechenden Verträge durch das niederländische und deutsche Staatsoberhaupt wurde bekannt, dass sich vier hauptamtliche Amtsapotheker aus NRW, unterstützt durch zehn ehrenamtliche Pharmazieräte aus Bayern und Baden-Württemberg bereits auf den Weg gemacht hatten, um nach 20 Jahren endlich eine Erstinspektion von DocMorris durchzuführen. Ein Vorhaben, das schließlich erfolglos blieb. Denn im Kleingedruckten hat DocMorris seinen Status als „Grenzapotheke“ durchgesetzt. Außerdem wurde ausgeschlossen, dass Beiträge (und Nachzahlungen) an die Apothekerkammer Nordrhein jemals fällig werden.
Ein kleines Nachspiel dieses territorialen Verwaltungsakts zeichnet sich schon jetzt ab: So haben sich ein Dutzend Imbissbuden und Shisha-Bars bereits in „Grenzapotheke“ umbenannt, um den Kontrollen der örtlichen Behörden zu entgehen, beziehungsweise entsprechende Zuständigkeiten erst klären zu lassen.
1 Kommentar
Weiterdenken
von Andreas P. Schenkel am 22.11.2019 um 20:14 Uhr
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