Hat die Noventi wirklich das erste E-Rezept Deutschlands abgerechnet?

Damit in der Arzneimittelversorgung der gesamte Verordnungsweg digitalisiert werden kann, müssen mehrere Strukturen umgebaut werden. Auf der Seite des Arztes muss die Verordnung elektronisch erzeugt werden können, auch die Unterschrift muss digital erfolgen. Aus seiner Praxissoftware muss der Arzt das erzeugte E-Rezept dann auf einen Speicher hochladen. In den vielen Modellprojekten ist dieser Prozess allerdings unterschiedlich gestaltet. Apothekenseitig muss es möglich sein, dass der Apotheker den (QR-)Code für das E-Rezept vom Kunden lesen und dann auf die Verordnung zugreifen kann. Die Warenwirtschaft muss die Verordnung dann erkennen und mit den Rabattverträgen gegenchecken, um das richtige Präparat und die Lieferbarkeit anzuzeigen. Nach der erfolgten Abgabe muss die Verordnung ebenfalls digital ans Rechenzentrum weitergeleitet werden.

Der Noventi-Konzern ist zumindest apothekenseitig in all diese Prozesse involviert. Denn zur Noventi-Gruppe gehören mit Awinta sowohl ein großes Warenwirtschafssystem als auch mehrere Rechenzentren. Das größte davon ist die VSA. Außerdem ist Noventi als Dienstleister der ABDA-Tochter NGDA im E-Rezept-Projekt Nummer eins der Apothekerschaft tätig: Im GERDA-Projekt hat die Noventi am Aufbau der technischen Infrastruktur mitgewirkt und bietet den teilnehmenden Apothekern jetzt sowohl E-Rezept-fähige Warenwirtschaftssysteme als auch die digitale Abrechnung an.

Insofern überraschte auch eine Pressemitteilung des Konzerns nicht, in der zu lesen war, dass die Noventi bei ihrer turnusmäßigen Abrechnung von GKV-Rezepten am 11. Dezember erstmals auch E-Rezepte abgerechnet und anschließend an die Apotheken ausbezahlt habe. Weiter hieß es dann allerdings in der Mitteilung: „Somit haben E-Rezepte zum ersten Mal in Deutschland den kompletten Prozess von der Einreichung in der Apotheke, über die Verarbeitung in der Warenwirtschaft und Übermittlung an das Abrechnungszentrum bis hin zur Auszahlung an die Apotheke erfolgreich durchlaufen.“

Doch diese Aussage darf zumindest angezweifelt werden. Denn in Hamburg läuft bereits seit dem Frühjahr 2019 ein E-Rezept-Projekt, das die Techniker Krankenkasse gemeinsam mit einer Apotheke, einer Arztpraxis und Technik-Dienstleistern gestartet hatte. Der Aufbau des Hamburger E-Rezeptes ist anders: Hier erzeugt der Arzt die digitale Verordnung, die zunächst auf seinem eigenen Server bleibt. Der Patient bringt per Handy-App die Zugriffsberechtigung auf das E-Rezept in die Apotheke, die Apotheke kann das E-Rezept dann einsehen. 

Mit einer eigens entwickelten Software transportiert die Apotheke die Verordnungsinformationen in die Warenwirtschaft. Nach der Abgabe kommt die DocMorris- und Shop Apotheke-Tochter König IDV ins Spiel. Das Unternehmen rechnet bereits seit Jahren für Versandapotheken bei Krankenkassen ab. Auch im Hamburger E-Rezept-Projekt fungiert es als Abrechner: König IDV erhält die digitalen Rezeptinformationen und leitet sie an die TK weiter.

Dass die Noventi erstmals den kompletten E-Rezept-Prozess abgewickelt hat, kann schon alleine wegen des Startdatums des Hamburger Projektes nicht sein. Die TK hatte ihr Projekt am 1. Februar gestartet. Eine TK-Sprecherin bestätigte gegenüber DAZ.online, dass bereits im Frühjahr der gesamte Verordnungsweg elektronisch ablaufe: „Wir können zu Ihrer Frage sagen, dass die Abläufe bei unserem Pilotprojekt in Hamburg Wandsbek bereits seit April 2019 vollständig digital laufen.“