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Arzt-Telefonate, E-Rezepte, TI-Anbindung
Internet-Notstand auf dem Land – Apotheke im Notfall schwer erreichbar
Die bundesweite Umstellung der Telefonie auf die Voice over IP-Technik durch die Telekom, also Telefonieren über das Internet, bedeutet für viele ländliche Gegenden einen Rückfall in die 90er-Jahre. Apotheker Thomas Löhner, der im hessischen Hirzenhain seine Hirsch-Apotheke betreibt, berichtet vom Telefonie- und Internetchaos und fürchtet „das Schlimmste“, wenn es um zukünftige E-Rezepte geht.
Ziemlich genau in der Mitte zwischen Frankfurt am Main, Gießen und Fulda liegt die hessische 2800-Einwohner-Gemeinde Hirzenhain im Wetteraukreis. Doch die nur rund 65 Kilometer zu den großen Städten dehnen sich im Informationszeitalter zu gefühlten Lichtjahren – wobei Licht ein gutes Stichwort ist. Denn die schnelle Informationsübertragung per Licht durch Glasfaserkabel gibt es hier nicht.
Bis zur Umstellung der Telefonie durch die Telekom von analog auf digital über das Internet, der sogenannten Voice over IP (VoIP)-Technik, war das noch nicht so schlimm. Denn: Das Internet funktioniert auch über Kupferkabel, nur eben langsamer. Doch seit der Umstellung funktioniert vieles nicht mehr so reibungslos. „Wenn im Notdienst Telefonate von der Telefonanlage auf meinen privaten Anschluss umgestellt werden, brechen die von jetzt auf gleich ab“, berichtet Apotheker Thomas Löhner, der in Hirzenhain die Hirsch-Apotheke betreibt.
Zwei Telefonate gleichzeitig über die Telefonanlage seien praktisch nicht möglich. Oft müsse er dienstliche Telefonate von privaten Handy aus zu Ende führen. „Dass die Telekom überall, auch auf dem Land die Telefonie auf VoIP umstellt, ist gar nicht richtig durchdacht“, sagt der Apotheker. Dazu fehle wie in Hirzenhain die notwendige Infrastruktur. „Als ich mich mehrfach bei der Telekom beschwert habe, hat man mir erklärt, das läge halt an der Kapazität der Kupferkabel“, sagt er. Das sei schlimmer als in der 90er-Jahren, als man zum Telefonieren erst einmal aus dem Internet gehen musste.
Flaschenhals der Leitungskapazität merkbar
Dazu sei der lange Ärger mit Technikern der Telekom und von dem Unternehmen beauftragten Sub-Unternehmern gekommen, bis die alternativlose Umstellung überhaupt vollzogen worden sei. Da habe anfangs überhaupt nichts funktioniert, sagt Löhner.
Besonders häufig gebe es die Probleme mit dem Telefon, wenn die Kapazitäten der Internetleitung merklich ausgeschöpft würden. „Nachmittags oder in den Ferien, wenn die Jugendlichen online spielen oder Filme streamen, merkt man den Flaschenhals“, sagt der Apotheker.
Besonders ärgerlich findet Löhner dabei, dass das Kommunikationsunternehmen ihm, als er nach der Ankündigung der Umstellung nachgefragt habe, versichert habe, dass mit dem Telefonieren auch mit der Umstellung „alles problemlos laufen werde“. Und dass man jedes Mal, wenn man beim Kundendienst anrufe, jemand anderes dran habe, sei ein weiteres Ärgernis.
Anschluss an Telematikinfrastruktur könnte fraglich sein
„Wenn in Zukunft die E-Rezepte per Datenleitung kommen sollen, befürchte ich das Schlimmste“, sagt er. Der vom Gesetzgeber geforderte Anschluss an die Telematikinfrastruktur, die für alle Apotheken ja – nach erfolgter Verlängerung der Frist – bis zum 30. September 2020 abgeschlossen sein soll, wird damit zumindest in Hirzenhain eventuell fraglich.
Wenn es nach der Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen in Deutschland geht, könnte das Problem sogar weiter verbreitet sein. Laut Zahlen des Portals Statista waren Ende 2018 für 7,7 Prozent der hessischen Haushalte überhaupt nur ein Glasfaseranschluss verfügbar. Spitzenreiter bei den Bundesländern war zu dem Zeitpunkt Hamburg mit 71 Prozent, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 21,9 Prozent und Bayern mit 11,7 Prozent. Wer meint, das läge an der Größe der Bundesländer – die Stadtstaaten müssten ja führen: Am Ende der Tabelle stehen Berlin mit 1 Prozent und Bremen mit 0,1 Prozent. Die Zahlen wurden für den Stand Ende 2018 im November 2019 veröffentlicht.
Hirzenhain: Verzögerter Glasfaseranschluss
In Hirzenhain zeichnet sich zumindest ab, dass es in nicht allzu ferner Zukunft vielleicht doch verfügbare Glasfaseranschlüsse geben könnte. Ein privates Unternehmen gab dort nach langer Vorgeschichte im April 2019 zunächst bekannt, man habe nun die notwendige Anzahl an Verträgen, um mit der Verlegung starten zu können. Nachdem der angekündigte und geplante Baubeginn sich dann allerdings im Jahr 2019 weiterhin verzögerte, hat die Gemeinde nun wohl den Vertrag mit dem Anbieter gekündigt und will sich ab Sommer 2020 neu orientieren, heißt es. Die Telekom wird dort aber wohl keine Glasfaser verlegen.
Die Telekom hat unterdessen dem Apotheker angeboten, einen Anschluss nach dem SDSL-Standard einzurichten, einer auf Kupferkabel funktionierenden schnellen Datenübertragung für Geschäftskunden. Das Angebot sei allerdings auch bereits drei Wochen alt, ohne dass sich etwas weiteres getan habe. „Aber als kürzlich ein Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über mein Telefon-Problem erschien, meldete sich am kommenden Tag sogar jemand vom Vorstand der Telekom“, sagt Löhner. Er wartet nun gespannt, was weiter passiert.
3 Kommentare
Zum Umstellen auf Voice over IP
von Olaf Klietsch am 23.12.2019 um 22:00 Uhr
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Internet & Co
von J.M.L. am 18.12.2019 um 18:39 Uhr
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Der Skandal ist noch weit schlimmer ...
von Ralf SchabikDr. am 18.12.2019 um 18:27 Uhr
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