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Auslizensierung an Almirall
DNA-Testunternehmen 23andMe entwickelt Wirkstoff aus Kundendaten
Das kalifornische Biotechnologie-Unternehmen „23andMe“ bietet Privatpersonen über Speichelproben Gen-Analysen an, mit denen diese auf genetisch bedingte Krankheiten, Veranlagungen und Fragen zur Abstammung untersucht werden können. Nun hat der findige Gentester auch den Sektor der Arzneimittelerforschung und -entwicklung entdeckt. Dafür verwendet er eigene Kundendaten und kooperiert mit der Pharmaindustrie.
Das im Jahr 2006 gegründete US-amerikanische DNA-Testunternehmen 23andMe hat zum ersten Mal die Rechte an einem neuen Medikament verkauft, das es anhand seiner eigenen Kundendaten selbst entwickelt hat. Einzelheiten dazu berichtet das Medienunternehmen „Bloomberg“: Kooperationspartner und Nutznießer der Auslizensierung ist das spanische Pharmaunternehmen Almirall. Gegenstand ist ein bispezifischer monoklonaler Antikörper, der alle drei Mitglieder der IL-36-Zytokin-Unterfamilie blockieren soll. IL-36 ist ein Teil der IL-1-Zytokinfamilie, die mit entzündlichen Erkrankungen, einschließlich verschiedenen dermatologischen Krankheiten in Zusammenhang gebracht wird. 23andMe soll bis dato am meisten an der Wirksamkeit des Antikörpers zur Behandlung schwerer Formen der Psoriasis interessiert gewesen sein und bereits Tierversuche mit der Substanz durchgeführt haben. Gemäß der Vereinbarung wird Almirall den Antikörper nun durch das klinische Prüfprogramm und das Zulassungsverfahren schleusen und erhält die Vermarktungsrechte für den weltweiten Einsatz.
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„Bahnbrechender Moment für 23andMe“
23andMe ist überzeugt davon, genau den richtigen Partner gefunden zu haben. „Wir waren der Meinung, dass Almirall als führender Anbieter in der medizinischen Dermatologie das beste Unternehmen war, um dieses Programm voranzubringen und letztendlich eine effektive Therapie für Patienten zu entwickeln“, erklärt Kenneth Hillan, Leiter der Division Therapeutics bei 23andMe in einer Pressemitteilung von Almirall. Emily Drabant Conley, Vizepräsidentin für Geschäftsentwicklung bei 23AndMe, bezeichnet das Ereignis gegenüber „Bloomberg“ als „bahnbrechenden Moment“ für 23andMe: „Wir sind jetzt von der Datenbank über die Entdeckung bis zur Entwicklung eines Arzneimittels gegangen“, fasst Conley zusammen.
Mehr als 80 Prozent der Kunden haben der Datenverwendung zugestimmt
Die Nutzung seiner genetischen Daten zur Entwicklung von Medikamenten ist zu einem immer wichtigeren Teil des Geschäfts von 23andMe geworden. Im Jahr 2015 wurde das 23andMe Therapeutics Team gegründet, mit dem Ziel, humangenetische Informationen zu nutzen, um die Wirkstofffindung zu verbessern. Die Basis bilden mehr als zehn Millionen verkaufte DNA-Testkits. Damit verfügt 23andMe über den weltweit größten Satz an genotypischen und phänotypischen Informationen. Nach Unternehmensangaben haben mehr als 80 Prozent der Kunden zugestimmt, dass ihre Daten für Forschungszwecke und von Wissenschaftlern verwendet werden dürfen, um damit die Ursachen von Krankheiten zu verstehen und zu ermitteln, wie diese am besten behandelt werden können.
Die Therapeutics-Gruppe identifiziert mithilfe der 23andMe-Datenbank selbst neue Zielstrukturen, generiert Leitverbindungen zu diesen Zielen und führt präklinische Forschung durch. Derzeit soll das Unternehmen über ein Portfolio von Forschungsprogrammen in mehreren Krankheitsgebieten verfügen.
Sollten Kunden nicht eher Geld bekommen, statt für die Tests zu zahlen?
Daneben hat 23andMe bereits Partnerschaften mit mehreren akademischen Gruppen geschlossen. Im Juli 2018 ging das Unternehmen eine vierjährige Vereinbarung mit dem Pharmariesen Glaxo Smith Kline (GSK) ein. Im Rahmen des Deals wird GSK exklusiver Partner von 23andMe für Programme zur Erforschung von neuen Zielstrukturen für Wirkstoffe. Zusammen wollen beide die Daten von 23andMe für F&E-Aktivitäten auf dem Gebiet der personalisierten Medizin ausschlachten. Gleichzeitig erwarb GSK Anteile an 23andMe im Wert von 300 Millionen US-Dollar.
Noch mehr Auslizensierungen zu erwarten
Die Auslizensierung des bispezifischen monoklonalen Antikörpers an Almirall könnte die erste von vielen sein, vermutet Tim Frayling, Molekulargenetiker an der Universität von Exeter. Mit dem Anwachsen der genetischen Datenbank von 23andMe, die sich in den letzten Jahren verdoppelt habe, werde es immer wahrscheinlicher, dass sie medizinisch nützliche Informationen liefere. „Im Allgemeinen finde ich es sehr gut, dass humangenetische Informationen für die Wirkstoffentdeckung nutzbar gemacht werden", sagt Frayling in einer Online-Meldung des Magazins „New Scientist“. Er fragt sich jedoch, ob es fair ist, dass das Unternehmen von genetischen Daten profitiert, die seine Kunden freiwillig für die medizinische Forschung zur Verfügung gestellt haben.
Der Molekulargenetiker verweist auf die Nutzungsbedingungen von 23andMe. Dort heißt es, dass die Kunden bei der Anmeldung zu Testzwecken Folgendes genau verstehen: „Sie erhalten für Forschungs- oder kommerzielle Produkte, die Ihre genetischen Informationen oder selbst gemeldeten Informationen enthalten oder daraus resultieren, keine Entschädigung.“
„Aber wie bewusst sind sich die Leute dessen, dass das Unternehmen viel Geld damit verdienen könnte?“, fragt Frayling nach. „Ich vermute, dass sie nicht wissen, wie profitabel das für 23andMe ist.“ Wenn das Unternehmen den Spieß umdrehe und stattdessen für einen Test 99 US-Dollar zahle, sei das wahrscheinlich immer noch profitabel, so seine Überzeugung.
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