COVID-19-Kontakt und Personalmangel

RKI-Empfehlungen für medizinisches Personal – gelten sie für Apotheken?

Stuttgart - 01.04.2020, 07:00 Uhr

Entschärfte Quarantänemaßnahmen bei relevantem Mangel an medizinischem Personal: Gelten sie auch für Apotheken? ( r / Foto: imago images / Roland Mühlanger)

Entschärfte Quarantänemaßnahmen bei relevantem Mangel an medizinischem Personal: Gelten sie auch für Apotheken? ( r / Foto: imago images / Roland Mühlanger)


Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat Empfehlungen veröffentlicht, wie medizinisches Personal bei einer SARS-CoV-2-Exposition vorgehen soll – Quarantäne? Und für wie lange? Im Sinne des Infektionsschutzes von Mitarbeitern und Patienten empfiehlt sich eine Quarantäne, allerdings muss auch die medizinische Versorgung gewährleistet sein – was schwierig ist, wenn das halbe Personal unter häuslicher Absonderung steht. Auch der Apotheke drohen personelle Engpässe, wenn sich Apothekenmitarbeiter (potenziell) mit SARS-CoV-2 infizieren. Gelten die RKI-Empfehlungen auch für Apotheken? Was sagen ABDA und das BMG?

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat „Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal bei Personalmangel“ veröffentlicht, denn auch medizinisches Personal kann sich mit SARS-CoV-2 infizieren und an COVID-19 erkranken. Allerdings ist erkranktes medizinisches Personal besonders kritisch, denn die Heilberufler versorgen ja die Patienten. Somit konkurrieren bei (potenziell) SARS-CoV-2-infiziertem medizinischem Personal zwei Ziele miteinander:

  • Die Absonderung/Quarantäne von medizinischem Personal als Kontaktperson der Kategorie I, um das Risiko von Übertragungen zu minimieren (Infektionsschutz) und
  • die Gewährleistung der akutmedizinischen Versorgung (größtmögliche Aufrechterhaltung der Kapazitäten).

Diese Gratwanderung gilt es bei medizinischem Personal zu meistern.

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Bei relevantem Personalmangel, wenn die adäquate Versorgung von Patienten nicht mehr gewährleistet werden kann und andere Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Personalbesetzung erschöpft sind, empfiehlt das RKI unter anderem Quarantäneregeln zu lockern (verkürzen) und auch medizinisches Personal mit Erkältungssymptomen oder gar SARS-CoV-2-positivem Nachweis einzusetzen. Allerdings jeweils gekoppelt an besondere Bedingungen.

Medizinisches Personal als Kontaktperson

Kategorie Ia: Medizinisches Personal mit hohem Expositionsrisiko, zum Beispiel ungeschützte relevante Exposition zu Sekreten, Exposition gegenüber Aerosolen von COVID-19-Fällen, wie im Rahmen von Bronchoskopien.

Kategorie Ib: Medizinisches Personal mit begrenztem Expositionsrisiko, zum Beispiel medizinisches Personal mit Kontakt unter 2 m zu COVID-19-Fällen ohne Schutzausrüstung, ≥15 Min Face-to-Face Kontakt (ohne Exposition wie unter Ia beschrieben); grundsätzlich gilt: je länger und enger der Kontakt, desto höher das Risiko.

Unter anderem kann bei  relevantem Personalmangel, also wenn droht, dass Patienten nicht versorgt werden können, medizinisches Personal der Kategorie Ia die Quarantäne von 14 auf sieben Tage reduzieren und bei Symptomfreiheit mit Mund-Nasenschutz arbeiten (und in Ausnahmefällen NUR mit COVID-19-Patienten). Zudem ist eine Selbst­beo­bach­tung und Doku­men­tation (bis 14 Tage nach Ex­po­sition) und gegebenenfalls eine SARS-CoV-2-Testung (beim Auf­treten von Symp­to­men um­gehen­de Testung auf SARS-CoV-2) vorgesehen. 

Bei Personalmangel: keine Quarantäne

Bei begrenzter Exposition (Kategorie Ib) und relevantem Personalmangel kann laut RKI bei Symptomfreiheit auch ohne vorherige häusliche Absonderung gearbeitet werden (mit Mund-Nasenschutz), jedoch wenn möglich nicht mit besonders vulnerablen Patientengruppen. Wenige Unterschiede gibt es bei Kontaktpersonen der Kategorie III, Quarantäne ist bei medizinischem Personal hier ohnehin nicht vorgesehen, sowohl bei ausreichender Personalsituation als auch bei relevantem Personalmangel. Beim Auf­treten von Symp­tomen soll umgehen­d eine Testung auf SARS-CoV-2 stattfinden. 

Oberstes Ziel hinter all dieser „Erleichterungen“  ist die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung.

ABDA sieht RKI-Empfehlungen auch für Apotheken 

Auch Apotheken halten die medizinische Versorgung der Bevölkerung am Laufen, auf Arzneimittelbasis. Und auch Apotheken können bei relevantem Personalmangel die Patienten nicht mehr adäquat versorgen oder müssen gar schließen, weil beispielsweise alle Apotheker bei engem Kontakt zu einem SARS-CoV-2-positivem Mitarbeiter vom Gesundheitsamt in häusliche Quarantäne geschickt werden. 

Gelten die Empfehlungen des RKI bei relevantem Personalmangel folglich auch für Apotheken – mit verkürzter/keiner häuslicher Absonderung? (Wobei Expositionskategorien nach Ia im Apothekenbetrieb wohl nicht vorkommen.)

Friedemann Schmidt äußerte sich in einem Pressetermin vorige Woche zum Umgang mit möglichen Infektionen im Apothekenteam. Er erklärte, dass Apothekenschließungen aufgrund von Infektionen vermieden werden müssten. Der ABDA-Präsident geht jedoch davon aus, dass die vom RKI empfohlenen „Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal bei Personalmangel“ auch für Apotheker und den Apothekenbetrieb gelten, denn laut Schmidt hat das Bundesgesundheitsministerium selbst die ABDA auf diese RKI-Empfehlungen hingewiesen.

Nordrhein: Apothekenmitarbeitern offiziell „medizinischem Personal“ zuordnen

Nicht ganz so selbstverständlich sehen es Apothekerverband und Apothekerkammer Nordrhein, dass Apotheken in diesem Zirkel des medizinischen Personals vom RKI berücksichtigt sind. Sie wünschen hier eine eindeutige Klarstellung. Auch Apotheken müssten vor einer Totalquarantäne geschützt werden, um die Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken in der Corona-Krise zu sichern. Deswegen fordern Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein e.V., und Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, auch Apothekenmitarbeitern offiziell in die Gruppe „medizinisches Personal“ einzuordnen und bei Personalmangel nach den Empfehlungen des RKI zu verfahren. Der Ausfall einer Apotheke könne derzeit in den meisten Fällen nicht von umliegenden Apotheken kompensiert werden, weil auch diese in der aktuellen Situation übermäßig stark belastet seien.

Was sagt das BMG?

Das BMG beschränkt sich auf Nachfrage der DAZ.online-Redaktion auf den Hinweis, dass betroffene Apotheken sich mit den zuständigen Gesundheitsämtern besprechen sollten. 

Was ist also zu tun? Verantwortlich für die Verhängung von Quarantäne zeichnen die einzelnen zuständigen Gesundheitsämter. Apotheker könnten folglich im berechtigten Einzelfall darauf hinweisen, dass eine häusliche Absonderung einzelner oder mehrerer Apothekenmitarbeiter oder des gesamten Apothekenpersonals die odnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gefährdet. Ausschlaggebend für „Quarantäne-Erleichterungen“ dürfte vor allem auch sein, dass keine andere Maßnahme zur Verfügung steht, um die Versorgung der Menschen in der Stadt oder dem Bezirk sicherzustellen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Delegation nach unten ... wenn der Amtsschimmel wiehert ... Apotheken im OFF?

von Christian Timme am 04.04.2020 um 8:47 Uhr

Föderalismus will auch mal "Urlaub machen" ... Gesundheitsämter könnten zugunsten des Versandhandels ...

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