Erfolgreiche Studie

Dreifachkombi besser als Lopinavir plus Ritonavir gegen COVID-19

Remagen - 18.05.2020, 09:00 Uhr

Patienten mit COVID-19 (hier ein Symbolfoto) könnten laut einer Studie von einer Dreifachkombination aus Lopinavir/Ritonavir und Interferon beta-1b und Ribavirin profitieren. (c / Foto: imago images/Hollandse Hoogte)

Patienten mit COVID-19 (hier ein Symbolfoto) könnten laut einer Studie von einer Dreifachkombination aus Lopinavir/Ritonavir und Interferon beta-1b und Ribavirin profitieren. (c / Foto: imago images/Hollandse Hoogte)


In einer multizentrischen offenen Phase-2-Sudie in Hongkong war eine Dreifachkombination von Lopinavir/Ritonavir, Interferon beta-1b und Ribavirin bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer COVID-19 Lopinavir/Ritonavir alleine überlegen. Dies betraf sowohl die Linderung der Symptome als auch die Dauer der Virusausscheidung und des Krankenhausaufenthaltes der Patienten.

Zum ersten Mal hat eine Studie mit einer Dreifachkombination gegen COVID-19 zum Erfolg geführt. Die Ergebnisse der multizentrischen, prospektiven, offenen, randomisierten Phase-2-Studie bei Erwachsenen mit COVID-19 in sechs Krankenhäuser in Hongkong wurden jetzt im Lancet publiziert.

Warum gerade diese Dreifach-Kombi?

Die Rationale für die Dreifach-Kombination eines injizierbaren Interferons (Interferon beta-1b), eines oralen Proteaseinhibitors (Lopinavir/Ritonavir) und eines oralen Nukleosidanalogons (Ribavirin) beruht nach den Ausführungen der Forscher darauf, dass Lopinavir und viele Interferone, insbesondere Interferon Beta in vitro nur eine schwache Aktivität gegen SARS-CoV und MERS-CoV besitzen und dass diese mit Ribavirin Synergieeffekte entwickeln könnten. Eine offene Studie aus dem Jahr 2003 hatte gezeigt, dass eine Kombination von Lopinavir/Ritonavir mit Ribavirin die Sterblichkeit und den Bedarf an intensiver Atemunterstützung von hospitalisierten Patienten mit SARS reduzierte.

Darüber hinaus legten Erfahrungen aus der Behandlung von hospitalisierten Influenzakranken nahe, dass eine Kombination mehrerer antiviraler Medikamente bei Patienten mit hoher Viruslast wirksamer ist als einzelmedikamentöse Behandlungen.

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Die Hongkonger Studie ist die erste randomisierte kontrollierte Studie, die eine Dreifach-Kombination von Lopinavir/Ritonavir, Interferon beta-1b und Ribavirin mit Lopinavir/Ritonavir alleine bei der Behandlung hospitalisierter COVID-19-Patienten vergleicht. Zwischen dem 10. Februar und dem 20. März 2020 wurden 144 erwachsene Patienten untersucht und 127 rekrutiert. Die Zahl der untersuchten Patienten machte in diesem Zeitraum 80 Prozent der bestätigten COVID-19-Fälle in Hongkong aus. Das Durchschnittsalter betrug 52 Jahre. 51 Patienten hatten Grunderkrankungen. Die durchschnittliche Zeit bis zur Krankenhauseinweisung nach Symptombeginn betrug fünf Tage (drei bis sieben). Nach dem Zufallsprinzip wurden 86 Patienten der Kombinationsgruppe und 41 der Kontrollgruppe zugeordnet.

Interferon nur innerhalb von sieben Tagen nach Symptombeginn

Die Patienten in der Kombinationsgruppe erhielten alle zwölf Stunden eine dreifache Kombination von oralem Lopinavir/Ritonavir (400 mg/100 mg), 400 mg Ribavirin und subkutane Injektionen von einer bis drei Dosen Interferon beta-1b mit 1 ml (8 Millionen internationale Einheiten [I.E.]), je nach dem Tag des Starts der Medikation. Wurde diese am Tag 1 bis 2 nach Symptombeginn gestartet, so erhielt der Patient drei Dosen Interferon beta-1b. Fiel der Start auf Tag 3 bis 4, so wurden zwei Dosen verabreicht, und wenn der Patient am Tag 5 bis 6 damit begann, bekam er nur eine Dosis. Patienten, die zwischen den Tagen 7 und 14 rekrutiert und behandelt wurden, erhielten gar keine Interferon-Injektionen, um die proinflammatorische Wirkung zu vermeiden. Das heißt, die Dreifach-Kombi wurde nur innerhalb von sieben Tagen nach Symptombeginn verabreicht.

Zeit bis zum negativen Abstrich als primärer Zielparameter

Patienten, die der Kontrollgruppe zugeordnet wurden, erhielten 14 Tage lang nur orales Lopinavir/Ritonavir (400 mg/100 mg). Bei Patienten mit bestimmten Risikofaktoren, wie etwa einer stark erhöhten Alanintransaminase, wurde die Gabe auf einmal pro Tag reduziert. Zur Standardbehandlung gehörte unter anderem die Zufuhr von Sauerstoff und nicht-invasive und invasive Beatmungsunterstützung, soweit erforderlich. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zu einem RT-PCR-negativen nasopharyngealen Abstrich auf SARS-CoV-2, bestimmt in der Intent-to-treat-Population. 

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Symptome ebenfalls schneller gelindert

Die Dreifach-Kombination, innerhalb von sieben Tagen nach Symptombeginn verabreicht, unterdrückte effektiv die Viruslast in allen klinischen Proben, einschließlich des nasopharyngealen Abstrichs, des Kehlspeichels, des hinteren oropharyngealen Speichels und des Stuhls. So war der Nasopharyngealabstrich in der Gruppe mit der Dreifach-Kombi im Mittel sieben Tage (bei allen Proben acht Tage) nach Beginn der Studienbehandlung negativ und in der Kontrollgruppe erst nach zwölf Tagen. Sie reduzierte damit die Infektiosität des Patienten. Außerdem linderte sie die Symptome innerhalb von vier Tagen vollständig, ebenfalls deutlich schneller als in der Kontrollgruppe, und unterdrückte auch die IL-6-Spiegel. Die klinische und virologische Wirksamkeit führte schließlich zu kürzeren Krankenhausaufenthalten. Die Nebenwirkungen waren im Allgemeinen mild und selbstlimitierend.

In einer chinesischen Studie an 199 Patienten mit schwerer COVID-19 (ChiCTR2000029308), deren Ergebnisse gerade im New England Journal of Medicine publiziert wurden, hatte die alleinige Gabe von Lopinavir/Ritonavir auch keine Vorteile gegenüber der Standardtherapie alleine erbracht

Interferon beta-1b könnte wichtiger Bestandteil der Kombi sein

Als Einschränkungen ihrer Studie führen die Autoren an, dass sie offen und ohne Placebo-Gruppe war. Außerdem habe eine Untergruppe innerhalb der Kombinationsgruppe abhängig von der Zeit nach Symptombeginn kein Interferon beta-1b bekommen. Sie schlagen deshalb vor, eine neue Phase-3-Studie mit Interferon beta-1b als Backbone-Behandlung mit einer Placebo-Kontrollgruppe in Betracht zu ziehen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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