Marketingmaßnahmen mit geringem Anspruch

AkdÄ zu Anwendungsbeobachtungen: Ärzte sollen nicht teilnehmen!

Stuttgart - 15.07.2020, 10:30 Uhr

Die AkdÄ warnt, dass Anwendungsbeobachtungen relevante Fragen, die nach der Zulassung eines Arzneimittels offenbleiben, nicht beantwortetn können – beispielsweise zum Nutzen und Schaden im Vergleich mit verschiedenen anderen Arzneimitteln oder zur Arzneimittelsicherheit. (s / Foto: Kim Schneider / stock.adobe.com)

Die AkdÄ warnt, dass Anwendungsbeobachtungen relevante Fragen, die nach der Zulassung eines Arzneimittels offenbleiben, nicht beantwortetn können – beispielsweise zum Nutzen und Schaden im Vergleich mit verschiedenen anderen Arzneimitteln oder zur Arzneimittelsicherheit. (s / Foto: Kim Schneider / stock.adobe.com)


Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft rät Ärzten von der Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen ab. Das geht aus einer aktuell im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Stellungnahme sowie einer wissenschaftlichen Publikation hervor. Letztere zeige erstmals, „dass Anwendungsbeobachtungen tatsächlich zu höheren Verschreibungsvolumina der untersuchten Medikamente führen“. Beispielsweise Fragen zur Adhärenz beantworteten solche Studien aber nicht.

Sie sind weit verbreitet in der Ärzteschaft – jedoch offenbar ohne Nutzen: Anwendungsbeobachtungen (AWB). Während pharmazeutische Unternehmer sie häufig als „unverzichtbares Instrument für die Arzneimittelforschung“ bezeichnen, rät die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Ärzten aktuell, an keinen Anwendungsbeobachtungen teilzunehmen. Denn: Die Fragen, die nach der Zulassung eines Arzneimittels offen bleiben, würden AWB nicht beantworten. Schlimmer noch: „Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich hinter AWB oftmals Marketingmaßnahmen mit geringem wissenschaftlichen Anspruch verbergen.“

Konkreter  Anlass der Stellungnahme des „Fachausschuss Transparenz und Unabhängigkeit“ der AkdÄ ist eine Publikation aus dem Monat Juni: Diese zeige, dass Ärzte, die an einer AWB teilnehmen, das entsprechende Arzneimittel während der Studie und im Jahr danach signifikant häufiger verschreiben.

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Auch die Vorgänge um Daclizumab (Zinbryta®, Biogen), das im Jahr 2016 zur Behandlung der schubförmig verlaufenden Form der Multiplen Sklerose (MS) zugelassen wurde, würden auf eine Veränderung des Verordnungsverhaltens durch AWB hinweisen: „Zur Einführung von Daclizumab zur Behandlung der MS versuchte der pharmazeutische Unternehmer trotz eines laufenden Risikobewertungsverfahrens mithilfe einer AWB rasch einen größeren Marktanteil zu erlangen.“ Weil die AWB nur in Deutschland durchgeführt wurde, sei die „weit überwiegende“ Zahl der Patienten, die in Europa Daclizumab erhielten, aus Deutschland gekommen – 2.800 in Deutschland versus 400 Patienten aus dem restlichen Europa. Das Arzneimittel wurde wegen schwerer und teils tödlich verlaufender Nebenwirkungen schließlich vom Markt genommen.

Die AkdÄ empfiehlt nun also nicht an AWB, sondern bei Studien nach der Zulassung oder Registrierung eines Arzneimittels nur an PASS oder PAES teilzunehmen: AWB sind abzugrenzen von Post-Authorisation Safety Studies (PASS) oder Post-Authorisation Efficacy Studies (PAES), die von den regulatorischen Behörden, vor allem der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), meist im Zusammenhang mit der Neuzulassung einer Substanz als nichtinterventionelle oder interventionelle Studien angeordnet oder freiwillig von pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt werden.

Wenn an einer PASS oder PAES teilgenommen wird, solle die Vergütung für die Teilnahme einen Stundensatz von 75 Euro aber auch nicht überschreiten. Währenddessen seien die Vergütungen für AWB nämlich oft unangemessen hoch oder würden nicht ausreichend begründet, „obwohl dies eindeutig rechtlich gefordert wird“, so die AkdÄ.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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