Weniger Antibiotika dank besserer Kommunikation

Vdek stellt Ergebnisse der RESIST-Studie vor

Marseille - 16.09.2020, 07:00 Uhr

„Oft ist Ruhe wirksamer als ein Antibiotikum. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber, was für Sie die beste Medizin ist.“ Patienten-Flyer wie diese lagen in den letzten Wintern in vielen Wartezimmern aus. (Foto: DAZ.online)

„Oft ist Ruhe wirksamer als ein Antibiotikum. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber, was für Sie die beste Medizin ist.“ Patienten-Flyer wie diese lagen in den letzten Wintern in vielen Wartezimmern aus. (Foto: DAZ.online)


Mit dem Projekt RESIST wollten der Verband der Ersatzkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in Zusammenarbeit mit acht Länder-KVen Haus-, Kinder- und HNO-Ärzte für eine fachgerechte Verschreibung von Antibiotika sensibilisieren. Ist das gelungen?

„Oft ist Ruhe wirksamer als ein Antibiotikum. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber, was für Sie die beste Medizin ist.“ Patienten-Flyer wie diese lagen in den vergangenen Wintern in vielen Wartezimmern aus. Darin wurde kurz und verständlich erklärt, dass Antibiotika gegen Erkältungsviren nicht helfen, aber Nebenwirkungen haben und Resistenzen fördern können. Die Broschüren sind Teil des Modellprojekts RESIST vom Verband der Ersatzkassen (vdek), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und acht Kassenärztlichen Vereinigungen. Ziel des Modellvorhabens war es gewesen, die Verschreibungsrate von Antibiotika bei Atemwegsinfektionen zu senken, indem nicht nur Ärzte, sondern auch Patienten besser informiert werden und die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessert werden sollte. Infektionen der Atemwege sind der häufigste Verschreibungsgrund für Antibiotika, obwohl sie meist durch Viren verursacht werden. Nun erschien der Evaluationsbericht zu RESIST.

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Der vdek wertet das Projekt als Erfolg: RESIST habe „eindrucksvoll bestätigt, dass durch gute Kommunikation und Information die Verordnungszahlen zurückgehen“, so die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner in einer Presseerklärung. An dem RESIST-Projekt hatten von Mitte 2017 bis Mitte 2019 insgesamt 2.460 Haus-, Kinder- und HNO-Ärzte teilgenommen. Sie lernten zum einen Techniken, um mit Patienten über das Thema Antibiotika zu sprechen. So scheint ein Problem bei deren Verordnung zu sein, dass zu oft der vermeintliche Patientenwunsch erfüllt wird. Fast die Hälfte der teilnehmenden Ärzte glaubte, sie könnte Patienten verlieren, wenn sie ihnen keine Antibiotika verschreiben würde. In der RESIST-Studie hatte sich aber gezeigt, dass  die Ärzte sogar öfter Antibiotika verschrieben, als die Erkrankten es sich erhofft oder darum gebeten hatten.

Aufklärung statt Verordnung

Für das Modellprojekt wurden die Ärzte mit Videosequenzen darin geschult, die Patienten offen auf ihre Erwartungen anzusprechen, ohne sich selbst unter Druck zu setzen. Stattdessen sollten sie den Erkrankten sachlich vermitteln, welche Prognose deren Beschwerden mit und ohne Antibiotikabehandlung wirklich hatten. Um eine bessere Basis für die Arzt-Patienten-Gespräche zu schaffen, wurden zudem die Patientenflyer zur Aufklärung über Antibiotika und Poster für das Wartezimmer erstellt. Laut Evaluationsbericht stimmten anschließend über drei Viertel der teilnehmenden Ärzte der Aussage zu: „Seit der Teilnahme an RESIST fühle ich mich sicherer darin, meinen Patienten zu erklären, warum ein Antibiotikum bei Atemwegsinfektionen meist nicht notwendig ist.“

Präzisere Auswahl der Antibiotika

Sowohl die teilnehmenden Ärzte als auch die Ärzte in einer Vergleichsgruppe verschrieben in der Wintersaison 2018/2019 seltener Antibiotika gegen Atemwegsinfektionen als noch im Winter 2016/2017. In der Vergleichsgruppe wurden nicht mehr 29 Prozent der Patienten mit Atemwegserkrankungen Antibiotika verschrieben, sondern nur noch 24 Prozent. Die Ärzte, die an den RESIST-Schulungen teilgenommen hatten, hatten bei Atemwegserkrankungen schon zuvor seltener Antibiotika verordnet, nämlich nur 26 Prozent ihrer Patienten. Teilgenommen hatten also offenbar vor allem solche Ärzte, die ohnehin schon einen kritischen Umgang hatten. Die Verordnungsrate sank aber auch bei ihnen noch weiter, auf nur noch 22 Prozent. Die relative Verordnungshäufigkeit war damit in der RESIST-Gruppe um etwa 3 Prozent stärker gesunken als bei den anderen Ärzten.

Weniger Fluorchinolone und Cephalosporine

Auch in der Wahl der Antibiotika waren die Ärzte durch das RESIST-Programm erfolgreich geschult worden. Die Teilnehmer hatten eine für den Praxisgebrauch optimierte Kurzzusammenfassung über die Antibiotika der ersten und zweiten Wahl mit Dosierungsschemata erhalten. Die Empfehlungen basierten auf der Reihe „Wirkstoff Aktuell“, die die KBV in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) erstellt hatte. Außerdem wurden die Ärzte auf die Problematik nicht-indizierter Breitspektrumantibiotika hingewiesen. Anschließend wendeten sie Antibiotika zielgerechter an und verzichteten häufiger als ihre Kollegen auf den Einsatz von Fluorchinolonen und Cephalosporinen.

Wissenschaftlich begleitet worden war RESIST vom Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock. Der Institutsdirektor Attila Altiner sagte, die Corona-Pandemie habe deutlich gemacht, wie wichtig der Ansatz des Projekts sei. In vielen Ländern sei es gerade zu Beginn des Ausbruchs zu einem irrationalen Anstieg von Antibiotikaverordnungen gekommen: „Wenn die Sorgen der Menschen angemessen, transparent und realistisch im Arzt-Patienten Gespräch berücksichtigt werden, passiert so etwas nicht“, sagte Altiner.

Die vdek teilte mit, sie wolle sich dafür einsetzen, dass das Konzept von RESIST zukünftig dauerhaft in allen KV-Regionen und für alle GKV-Versicherten angeboten werden könne.



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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