Gastkommentar

Alternativlos: Das RxVV

Erding - 21.10.2020, 07:00 Uhr

Der Paketdienstfahrer wird die Folgen einer falschen Lagerung oder eines zu langen Transports weder erkennen noch melden. (c / Foto: helivideo / stock.adobe.com)

Der Paketdienstfahrer wird die Folgen einer falschen Lagerung oder eines zu langen Transports weder erkennen noch melden. (c / Foto: helivideo / stock.adobe.com)


Vergangene Woche wurde eine Ausarbeitung des Deutschen Bundestages zur Vereinbarkeit eines deutschen Rx-Versandhandelsverbotes (RxVV) mit dem Unionsrecht bekannt. In einem sehr flapsigen Ton wurde dabei die juristische Auffassung vertreten, dass die Einführung eines Verbotes des Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln „wohl als unverhältnismäßig und damit als ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit aus 
Art. 34ff. AEUV zu bewerten“ sei. Leider verstehen die Juristen nicht, dass Arzneimittel ein besonderes Gut sind, meint Dr. Franz Stadler, Apotheker und Autor des kürzlich erschienen Buchs „Medikamenten Monopoly“.

Eigentlich gibt es zwei Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages: Die bereits erwähnte des Fachbereichs Europa (PE 6 – 3000 – 068/20) und eine aus dem Fachbereich Gesundheit (WD 9 – 3000 – 067/20), die beide Anfang September erstellt und jetzt bekannt wurden. Fasst man beide gedanklich zusammen, ergibt sich folgendes Bild:

  1. Es ist unstrittig, dass ein deutsches RxVV einen Eingriff in die europäische Warenverkehrsfreiheit darstellt, was aber auch nie bezweifelt wurde.
  2. Grundsätzlich hat der EuGH den Mitgliedstaaten die Entscheidung über ein RxVV überlassen.
  3. Nur nicht-wirtschaftliche, nicht willkürlich diskriminierende, nicht verschleierte und verhältnismäßige Beschränkungen würden ein RxVV ausreichend begründen.
  4. Eine Rechtfertigung aus Gründen des Gesundheitsschutzes ist nach Art. 36 AEUV zulässig.

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Die Ausarbeitung des Fachbereiches Gesundheit (WD 9) liefert praktischerweise auch gleich die entsprechenden Belege für ein RxVV aus Gründen des Gesundheitsschutzes, werden doch ausführlich die geltenden Rahmenbedingungen gemäß Apothekengesetz (ApoG) und  Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) für den innerdeutschen Versandhandel aufgeführt:

  1. Es gilt das Gebot einer Präsenzapotheke (nur aus einer öffentlichen Apotheke heraus darf Versandhandel betrieben werden). Damit gelten für den Versandhandel automatisch auch alle für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke geltenden Vorschriften (z. B. räumliche und personelle Ausstattung, Fremdbesitzverbot).
  2. Hinzu kommen einige Spezialvorschriften, die die inhaltlichen Anforderungen an ein Qualitätssicherungssystem regeln: Versendete Arzneimittel müssen so verpackt, transportiert und ausgeliefert werden, dass die Qualität und Wirksamkeit erhalten bleiben. Die Auslieferung darf nur an die angegebene Person und innerhalb von zwei Tagen erfolgen (ansonsten kostenfrei Zweitlieferung). Es muss eine Transportversicherung abgeschlossen und ein System zur Sendungsverfolgung unterhalten werden. Ggf. muss die Möglichkeit bestehen, bekannt gewordene Risiken auch an den Kunden zu melden. Ebenso muss die Beratung durch pharmazeutisches Personal in deutscher Sprache erfolgen.
  3. Diese Standards unterliegen nach AMG einer Überwachung durch deutsche Behörden. Es besteht eine Anzeigepflicht vor Aufnahme der Tätigkeit und der Überwachte hat zudem eine umfassende Duldungs- und Mitwirkungspflicht.
  4. Der Versand durch eine Apotheke eines EU-Mitgliedstaates muss entsprechend den deutschen Vorschriften erfolgen (§ 73 AMG).

Zusammenfassend stellt die Ausarbeitung auf Seite 9 fest, dass ausländische Versandapotheken an das deutsche Arzneimittelrecht, das Heilmittelwerberecht und an das Apothekenrecht vollständig gebunden sind. Diese Regelung dienen alle dem Gesundheitsschutz, sind diskriminierungsfrei, nicht verschleiert und wohl nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers auch verhältnismäßig. Nicht zuletzt durch diese Rahmenbedingen sind wir bisher so gut durch die Corona-Pandemie gekommen.

Geht man nun über die beschriebenen rechtlichen Grundlagen hinaus und nähert sich der Realität, so wird schnell klar, wo die eigentlichen Probleme liegen: Niemand vergleicht die tatsächlichen Abläufe grenzüberschreitenden Versandhandels mit den gesetzlichen Anforderungen und niemand kann (und will?) ein Fehlverhalten feststellen und sanktionieren.



Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

RxVV jetztr

von Monika Schübel am 21.10.2020 um 22:19 Uhr

Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist absoltut verzichtbar. Präsenzapotheken bieten flächendechend Botendienste an, die pünktlich liefern und dazu alle notwendigen Belange der Arzneimittelsicherheit und Patientenbetreuung erfüllen. Unverständlicherweise stellt sich unsere einene Standesvertretung durch ihr Verhalten auf die Seite der Versender und gefährdet damit für die Zukunft der flächendeckenden Versorgung. Wenn den Apotheken durch die Rosinenpickerei des Versandhandels, der sich nicht an die Apothekenbetriebsordnung halten muss, keine Nacht- und Notdienste leistet und auch keine patientenindividuelle Rezepturen, weitere Umsätze verloren gehen, wird das Netz der Präsenzapotheken löchrig. Dann ist die Lobby der Versandapotheken, die gute Kontakte zum Gesundheitsministerium zu haben scheint, am Ziel.
Zu Lasten der hervorragenden Versorgung, um die uns jetzt die ganze Welt beneidet.

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RxVV jetzt

von Dr. Thomas Wellenhofer am 21.10.2020 um 12:30 Uhr

MIt der Synthese der Ausarbeitungen des wissenschaftlichen Dienstes ist geklärt, dass ein RxVV EU-Rechts-konform ist.
Es ist daher für Politik und Standesvertretung an der Zeit, die als verbale Monstranz vorgetragenen "EU-rechtlichen Bedenken" auf dem Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen und endlich die sachlich zielführende, notwendige und angemessene Einführung des RxVV vorzunehmen.

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