Rezeptfreie Triptane bei Migräne

Zu welchem Triptan greifen – besser Almotriptan, Naratriptan oder Sumatriptan?

Stuttgart - 27.11.2020, 07:00 Uhr

Lange oder kurze Migräne-Attacke? Wann eignet sich Almotriptan, wann Naratriptan und welcher Migräniker profitiert von Sumatriptan? (Foto: Dan Race / stock.adobe.com)

Lange oder kurze Migräne-Attacke? Wann eignet sich Almotriptan, wann Naratriptan und welcher Migräniker profitiert von Sumatriptan? (Foto: Dan Race / stock.adobe.com)


Apotheker können mittlerweile zwischen Almotriptan, Naratriptan oder Sumatriptan in der Selbstmedikation von Migränepatienten wählen: Für welche Betroffenen eignet sich Naratriptan? Welches Triptan wirkt besonders schnell? Und welches der drei Triptane hat das günstigste Nebenwirkungsprofil?

Für welchen Migränepatienten eignet sich Almotriptan in der Selbstmedikation, wann Naratriptan? Und welchem Migränepatienten sollten Apotheker vielleicht Sumatriptan empfehlen? Bei starken Migräneattacken und Wunsch nach schnellem Wirkeintritt könnten Almotriptan und Sumatriptan vorteilhaft sein. Doch auch Naratriptan kann bei manchen Migränikern zum Mittel der Wahl werden. Welches Triptan hat am wenigsten Nebenwirkung, welches wirkt am „besten“ – und wann dürfen Triptane in der Apotheke im Rahmen der Selbstmedikation überhaupt abgegeben werden? 

„Triptane sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken und sollten bei starken Kopfschmerzen und Migräneattacken, die nicht auf Analgetika oder NSAR ansprechen, eingesetzt werden“, bringt die aktuelle S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ den Nutzen von Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan in einem Satz auf den Punkt. Drei Wirkstoffe erhalten Migräniker mittlerweile auch rezeptfrei in der Apotheke: Den ersten OTC-Switch aus der Verschreibungspflicht schaffte Naratriptan (Formigran®) bereits 2006, Almotriptan (Dolortriptan®) folgte 2011. Nun gibt es seit Kurzem ein drittes Triptan, das PTA und Apotheker bestimmten Migränepatienten empfehlen und abgeben dürfen: Sumatriptan. 

OTC-Triptane: Nur als Tabletten und Diagnose muss ärztlich gestellt sein

Laut Anlage 1 der AMVV (Arzneimittelverschreibungsverordnung) dürfen alle drei Triptane als Selbstmedikation nur dann abgegeben werden, wenn zuvor die „Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt“ gestellt wurde. Auch dürfen Almotriptan, Naratriptan und Sumatriptan nur als „feste Zubereitungen zur oralen Anwendung“ als OTC-Präparate empfohlen werden – das ist insofern wichtig, da Sumatriptan zusätzlich als Nasenspray (Imigran® Nasal 20 mg) und zur subcutanen Injektion (z. B. Imigran®-Inject 6 mg/0,5 ml Injektionslösung, Migrapen® 3 mg/0,5 ml Injektionslösung im Fertigpen) im Handel ist. Die Sumatriptan-Injektion ist aktuell die wirksamste Therapie akuter Migräneanfälle. Nasenspray und Injektionen bleiben verschreibungspflichtig.

Auszug aus Anlage 1 der AMVV

„Verschreibungspflichtig sind, sofern im Einzelfall nicht anders geregelt (…) 
Almotriptan: ausgenommen zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit und ohne Aura, nach Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 12,5 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 25 mg je Packung. 
Naratriptan: ausgenommen zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit und ohne Aura, nach Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 2,5 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 5 mg je Packung. 
Sumatriptan: ausgenommen zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit und ohne Aura, nach Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 50 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 100 mg je Packung.“ 

Sollte jeder Migräniker ein Triptan erhalten?

Die Leitlinie sieht nicht für jeden Migränepatienten ein Triptan vor. Leichtere und mittelstarke Migräneattacken sollten zunächst mit Analgetika und NSAR wie ASS behandelt werden. Zu Triptanen raten die Leitlinien-Autoren bei (mittel)schweren Migräneattacken und bei Nichtansprechen auf Analgetika. Nun stehen PTA und Apotheker vor der Entscheidung – welcher Migränepatient erhält Almotriptan, wer Nara- oder Sumatriptan? Oder ist es vielleicht egal, zu welchem Triptan man in der Apotheke greift?

Wenn eine schnelle Wirkung gewünscht ist

Bei den drei rezeptfreien Triptanen setzt die schmerzlindernde Wirkung bei Almotriptan und Sumatriptan am schnellsten ein. Die jeweiligen Fachinformationen sprechen hier von 30 Minuten, die Leitlinie nennt 45 bis 60 Minuten. Naratriptan benötigt bis zum Wirkungseintritt vier Stunden, also deutlich länger. Ist also eine besonders rasche Wirkung bei Patienten gewünscht, was vor allem bei starken Attacken der Fall sein dürfte, könnten Almotriptan und Sumatriptan vorteilhaft sein. Doch auch Naratriptan bringt für manche Migräniker Vorzüge mit sich: Für welchen Migränepatienten eignet sich Naratriptan?

Bei längeren Attacken

Vergleicht man die Halbwertszeiten der einzelnen Triptane, ist diese für Naratriptan mit sechs Stunden am längsten. Almotriptan hat eine Halbwertszeit von 3,5 Stunden, bei Sumatriptan liegt sie bei zwei Stunden. Bei Patienten mit längeren Migräneattacken könnten PTA und Apotheker folglich eher zu Naratriptan raten. Sumatriptan eignet sich den pharmakokinetischen Daten zufolge eher für kurze Attacken.

Wenn die Kopfschmerzen wiederkommen

Nicht immer ist mit einer Triptandosis die Migräneattacke vorbei: Bei 15 bis 40 Prozent der Patienten kommt es nach Einnahme des Triptans zu einem Wiederkehrkopfschmerz (Headache Recurrence). Das bedeutet, die erste Triptandosis hat zwar gewirkt und die Kopfschmerzen besserten sich, doch sie treten innerhalb von zwei bis 24 Stunden wieder auf oder verschlimmern sich. Diese Wiederkehrkopfschmerzen sind unter Triptanen häufiger als unter ASS. Eine zweite Gabe des gleichen Triptans ist möglich. Hier scheinen auch Triptane mit längerer Halbwertszeit vorteilhafter zu sein – also Naratriptan. Die Patienten berichten tendenziell über geringere Recurrence-Raten.

Welches Triptan wirkt am „besten“?

Als wichtiger Punkt für die Wirksamkeit von Triptanen wird in klinischen Studien gerne die Verringerung des Kopfschmerzes zwei Stunden nach Gabe des Arzneimittels herangezogen. Bei Sumatriptan liegen die Ansprechraten hier bei 50 bis 60 Prozent, das bedeutet: Bei etwa der Hälfte der Patienten hatte sich nach zwei Stunden die Kopfschmerzen gebessert. Bei Almotriptan liegen die Ansprechraten nach zwei Stunden mit 57 bis 70 Prozent in einem ähnlichen Bereich. Naratriptan ist erst nach vier Stunden mit Sumatriptan vergleichbar (längere Zeit bis zum Wirkeintritt). „Für die Besserung des Kopfschmerzes nach zwei Stunden“ ist Naratriptan „weniger wirksam“ als Sumatriptan, erklärt die Leitlinie.

Am besten verträglich

Almotriptan ist den Experten der Migräne-Leitlinie zufolge das Triptan (gemeinsam mit dem verschreibungspflichtigen Eletriptan) mit dem besten Nebenwirkungsprofil. Bekannte unerwünschte Wirkungen einer Triptantherapie sind Engegefühl im Hals- und Brustbereich. Diese treten unter Almotriptan „gelegentlich“ auf, bei Sumatriptan „häufig“. Auch Naratriptan bescheinigt die Leitlinie „geringere“ Nebenwirkungen im Vergleich zu Sumatriptan.

Wann nachdosieren?

Im Rahmen der Selbstmedikation stehen Almo-, Nara- und Sumatriptan in Packungen mit je zwei Tabletten zur Verfügung. Die Wirkstärken pro Tablette sind: 12,5 mg Almotriptan, 2,5 mg Naratriptan und 50 mg Sumatriptan. Die Patienten nehmen je eine Tablette so früh wie möglich nach Auftreten des Migränekopfschmerzes. Bessern sich die Kopfschmerzen, die Migränesymptome treten aber wieder auf, dürfen Almotriptan und Sumatriptan frühestens nach zwei Stunden, Naratriptan frühestens nach vier Stunden mit der zweiten Tablette der Packung nachdosiert werden. Die Unterschiede in den Applikationsintervallen könnten auf den langsameren Wirkeintritt bei Naratriptan zurückzuführen sein – während Almo- und Sumatriptan bereits nach 30 Minuten wirken, kann es bei Naratriptan bis zu vier Stunden dauern. Man will somit verhindern, dass Naratriptan bereits nachdosiert wird, bevor die Wirkung der ersten Tablette überhaupt einsetzen konnte. Es dürfen jeweils nicht mehr als zwei Tabletten innerhalb von 24 Stunden eingenommen werden, was durch die Packungsgröße à zwei Tabletten verhindert wird.

Die Preise der OTC-Triptane

Die Preise der einzelnen OTC-Triptane bewegen sich zwischen 6,50 Euro und 11 Euro. Sumatriptan-Hexal® 50 mg bei Migräne liegt bei 9,71 Euro, Ratiopharm ist mit 8,09 Euro für zwei Tabletten Sumatriptan à 50 mg etwas günstiger. Almotriptan Heumann liegt bei 7,98 Euro, als Dolortriptan® kosten zwei Tabletten Almotriptan à 12,5 mg 10,71 Euro. Die größte Preisspanne und auch die meisten Anbieter liegen bei Naratriptan vor: Die günstigsten Varianten bieten Aliud und Dexcel mit 6,58 Euro, Formigran® liegt bei 10,65 Euro (Lauer-Taxe: Stand 13. November 2020).

Zusammenfassend lässt sich sagen:  

  • Almotriptan, Naratriptan und Sumatriptan dürfen in der Selbstmedikation bei mittelschweren und schweren Migräneattacken abgegeben werden. 
  • Eine ärztliche Erstdiagnose der Migräne muss gestellt sein. 
  • Bei starken Attacken und dem Wunsch nach schnellem Wirkeintritt eignen sich Almotriptan und Sumatriptan. (Sind diese Attacken tendenziell kürzer, könnte auf Sumatriptan zurückgegriffen werden, bei etwas längeren auf Almotriptan.) 
  • Bei längeren Attacken kann Naratriptan vorteilhaft sein (auch Almotriptan ist eine Option). 
  • Berichten die Patienten über Wiederkehrkopfschmerzen, eignet sich Naratriptan. 
  • Nebenwirkungsempfindliche Patienten könnten mit Almotriptan oder Naratriptan besser zurechtkommen. 

Hier können Sie im Podcast mit PTAheute.de-Chefredakteurin Cornelia Neth nachhören, was bei Triptanen zu beachten ist:



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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