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Statine sind als Cholesterol-Senker aus dem Apothekenalltag nicht mehr wegzudenken. Allzu häufig werden jedoch trotz höchster Dosis nicht die gewünschten Blutfettwerte erreicht. Abhilfe schaffen kann der seit November 2020 auf dem Markt erhältliche Wirkstoff Bempedoinsäure (Nilemdo), der die Cholesterol-Synthese auf neuartige Weise hemmt und das „schlechte“ LDL-Cholesterol deutlich senkt.
Cholesterol ist ein zentrales Biomolekül unseres Körpers. Durch genetische Faktoren oder die Ernährung kann die Regulation des Cholesterols aus dem Gleichgewicht geraten, in der Folge steigt dessen Konzentration im Blut. Vor allem das sogenannte LDL-Cholesterol (Lipoproteine geringer Dichte) ist an der Entstehung arteriosklerotischer Plaques beteiligt und begünstigt so kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte und Schlaganfälle. Um diese lebensbedrohlichen Komplikationen zu verhindern, müssen erhöhte Cholesterolwerte gesenkt werden.
Ein Gastkommentar zum neuen LDL-Cholesterol-Senker Bempedoinsäure
„Weniger muskuläre Beschwerden als unter Statinen“
Verschiedene medikamentöse Möglichkeiten stehen zur Verfügung, wobei Statine meist den Hauptbaustein einer lipidsenkenden Therapie darstellen. Sie hemmen die Biosynthese des Cholesterols in der Leber, indem sie das Enzym HMG-CoA-Reduktase (3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase) inhibieren (s. Abb. 1). Oftmals können die Cholesterol-Werte jedoch auch mit maximalen Dosierung der Statine oder aufgrund einer Intoleranz nicht ausreichend gesenkt werden, sodass weiterhin ein Medical Need besteht.1,2
Für schwierige Fälle
Die Europäische Kommission hat im April 2020 einen neuartigen Cholesterol-Senker zugelassen: Bempedoinsäure. Der Arzneistoff ist ein Prodrug, welches in der Leber durch das Enzym ACSVL1 (Very-long-chain-Acyl-CoA-Synthetase 1) in die aktive Form Bempedoyl-CoA umgewandelt wird.3 Dieses hemmt die Adenosintriphosphat-Citrat-Lyase (ACL), welche Citrat in Acetyl-CoA umwandelt, dem Ausgangsprodukt der Cholesterol-Biosynthese. Der Arzneistoff greift somit oberhalb der HMG-CoA-Reduktase, dem Target der Statine, in den Stoffwechselweg ein (s. Abb. 1).1 Da die Zelle so weniger Cholesterol selbst bildet, erhöht sie die LDL-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, um mehr LDL-Cholesterol aus dem Blut aufzunehmen, wodurch der LDL-Cholesterol-Spiegel sinkt. Der Zulassungsinhaber Daiichi Sankyo hat im November 2020 das Monopräparat Nilemdo® (180 mg Bempedoinsäure) und das Kombinationspräparat Nustendi® (180 mg Bempedoinsäure, 10 mg Ezetimib) auf den deutschen Markt gebracht. Die Medikamente sind zugelassen zur Behandlung der primären Hypercholesterolämie bzw. gemischten Dyslipidämie bei Erwachsenen. Beide können allein oder zusammen mit Statinen und weiteren lipidsenkenden Medikamenten verordnet werden, wenn z. B. die Lipidspiegel mit Statinen nicht ausreichend gesenkt werden konnten oder wenn Statine unverträglich oder kontraindiziert sind. Die Präparate sind einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten einzunehmen.3,4
Gute Wirksamkeit
Die Wirksamkeit und Sicherheit der Bempedoinsäure wurde in dem vierteiligen Studienprogramm CLEAR (Cholesterol Lowering via Bempedoic acid, an ACL-inhibiting Regimen) und einer weiteren Studie für die Fixkombination mit Ezetimib an insgesamt 4.000 Teilnehmern demonstriert.5-9 So verringerte Bempedoinsäure in der CLEAR-Harmony-Studie die LDL-Cholesterol-Spiegel kardiovaskulärer Risikopatienten bei gleichzeitig maximal tolerierter Statingabe und ggf. zusätzlichen Lipidsenkern nach drei Monaten um 16,5 Prozent (Placebo: +1,6 Prozent, p < 0,001).5 Statin-intolerante Patienten, die entweder gar kein Statin oder nur eine niedrige, tolerierte Dosis ggf. zusammen mit anderen Lipidsenkern einnahmen, profitierten ebenso von dem neuen Wirkstoff. Bempedoinsäure senkte deren LDL-Cholesterolspiegel in der CLEAR-Serinity-Studie zusätzlich um 23,6 Prozent (Placebo: -1,3 Prozent, p < 0,001).8 Die Fixkombination von Bempedoinsäure und Ezetimib reduzierte den LDL-Cholesterol-Spiegel von kardiovaskulären Risikopatienten bei gleichzeitig maximal verträglicher Statingabe um sogar 36,2 Prozent (Placebo: +1,8 Prozent, p < 0,001).9 Weiterhin wurden in den Zulassungsstudien auch die Spiegel an Apolipoprotein B und C-reaktivem Peptid signifikant reduziert. Die Triglyceridspiegel wurden nur minimal durch Bempedoinsäure beeinflusst, während jedoch HDL-Cholesterol-Spiegel geringfügig, aber statistisch signifikant sanken. Die klinische Relevanz dieses Befunds ist jedoch unbekannt. Ob die erniedrigten LDL-Spiegel erwartungsgemäß auch harte Endpunkte wie Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren, wird derzeit in einer Studie mit 14.000 Probanden geklärt. Ergebnisse werden für 2022 erwartet.10
Achtung bei Kombination mit Statinen
Insgesamt erwies sich Bempedoinsäure als gut verträglich. Häufig beobachtet wurden erhöhte Harnsäure-Werte, da der Arzneistoff den renalen Organo-Anion-Transporter-2 (OATP) hemmt. Auch Anämien sind möglich, wenn Bempedoinsäure eingenommen wird. Weiterhin traten Schmerzen in den Extremitäten auf.3 Da das aktivierende Enzym nur gering in den Muskeln ausgebildet wird, sind Myopathien im Vergleich mit Statinen jedoch wenig wahrscheinlich.11 Für Diabetiker ist auch wichtig zu wissen, dass der Wirkstoff die Kontrolle der Blutzuckerwerte nicht nachteilig beeinflusste.12 Bempedoinsäure ist kontraindiziert bei einer Unverträglichkeit sowie während Schwangerschaft und Stillzeit.
Wird Bempedoinsäure mit Statinen kombiniert, so muss darauf geachtet werden, dass Bempedoinsäure deren Plasmaspiegel erhöht. Patienten sollten daher über ein erhöhtes Risiko einer Myopathie aufgeklärt werden und gegenüber Symptomen einer Muskelempfindlichkeit wachsam sein. Da die Simvastatin-Spiegel besonders stark erhöht werden, sollte dessen Dosis grundsätzlich auf 20 mg täglich bzw. 40 mg bei schwerer Hypercholesterolämie begrenzt werden.3 Eine gleichzeitige Anwendung mit mehr als 40 mg Simvastatin stellt eine Kontraindikation dar. Bempedoinsäure inhibiert die beiden Transporterproteine OATP1B1 und OATP1B3 und erhöht dadurch die Serumkonzentration anderer Substrate dieser Transporter, wie z. B. Bosentan, Fimasartan, Asunaprevir, Glecaprevir, Voxilaprevir und die bereits genannten Statine.
Literatur
1 Perez de Isla L et al. Attainment of LDL-Cholesterol Treatment Goals in Patients With Familial Hypercholesterolemia: 5-Year SAFEHEART Registry Follow-Up. J Am Coll Cardiol 2016;67:1278-1285
2 Rosenson RS et al. Optimizing Cholesterol Treatment in Patients With Muscle Complaints. J Am Coll Cardiol 2017;70:1290-1301
3 Fachinformation Nilmendo® 180 mg Filmtabletten
4 Fachinformation Nustendi® 180 mg/ 10 mg Filmtabletten
5 Ray KK et al. Safety and Efficacy of Bempedoic Acid to Reduce LDL Cholesterol. N Engl J Med 201;380:1022-1032
6 Goldberg AC et al. Effect of Bempedoic Acid vs Placebo Added to Maximally Tolerated Statins on Low-Density Lipoprotein Cholesterol in Patients at High Risk for Cardiovascular Disease: The CLEAR Wisdom Randomized Clinical Trial. JAMA;322:1780-1788
7 Ballantyne CM et al. Efficacy and safety of bempedoic acid added to ezetimibe in statin-intolerant patients with hypercholesterolemia: A randomized, placebo-controlled study. Atherosclerosis 2018;277:195-203
8 Laufs U et al. Efficacy and Safety of Bempedoic Acid in Patients With Hypercholesterolemia and Statin Intolerance. J Am Heart Assoc 2019;8(7):e011662
9 Ballantyne CM et al. Bempedoic acid plus ezetimibe fixed-dose combination in patients with hypercholesterolemia and high CVD risk treated with maximally tolerated statin therapy. Eur J Prev Cardiol 2020;27:593-603
10 ClinicalTrials.gov. Evaluation of major cardiovascular events in patients with, or at high risk for, cardiovascular disease who are statin intolerant treated with bempedoic acid (ETC-1002) or placebo (CLEAR Outcomes). https://clinicaltrials.gov/ct2/show/study/NCT02993406 (Zugriff am 8. Dezember 2020)
11 Pinkovsky SL et al. Liver-specific ATP-citrate lyase inhibition by bempedoic acid decreases LDL-C and attenuates atherosclerosis. Nat Commun 2016;7:13457
12 Leiter LA et al. Abstract 11417: Bempedoic Acid and Glycemic Control: A Pooled Analysis of 4 Phase 3 Clinical Trials. Circulation 2019;140:A11417
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