Computermodell

Menschliches Enzym gehemmt: SARS-CoV-2-Vermehrung gestoppt

Stuttgart - 15.01.2021, 12:15 Uhr

Durch Ausschalten des menschlichen Enzyms Guanylatkinase 1 konnte in einem Computermodell die Vermehrung von SARS-CoV-2 komplett gehemmt werden. (Foto: Matthias Friel / stock.adobe.com)

Durch Ausschalten des menschlichen Enzyms Guanylatkinase 1 konnte in einem Computermodell die Vermehrung von SARS-CoV-2 komplett gehemmt werden. (Foto: Matthias Friel / stock.adobe.com)


Tübinger Forscher des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) identifizierten im Computermodell ein menschliches Enzym – die Guanylatkinase 1 –, bei dessen Hemmung die SARS-CoV-2-Vermehrung komplett stoppte.

Remdesivir war das erste Arzneimittel, das eine Zulassung für die Behandlung schwerer COVID-19-Erkrankungen erhielt. Mittlerweile ist die Euphorie ob des RNA-Polymeraseinhibitors schon wieder abgekühlt. Noch immer fehlen zuverlässige und wirksame Behandlungsmethoden bei COVID-19. Tübinger Bioinformatiker des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) entdeckten nun im Computermodell ein menschliches Enzym, das die Vermehrung von SARS-CoV-2 effektiv hemmte. „Wenn wir das Enzym – die Guanylatkinase 1 – ausschalteten, wurde die Virusvermehrung gestoppt, ohne die Wirtszelle zu beeinträchtigen“, fasst Dr. Andreas Dräger, der eine Juniorprofessur des DZIF an der Universität Tübingen innehat, die Ergebnisse zusammen. Er forscht mit seinem Team seit Januar 2020 an Corona, die Bioinformatiker entwickelten hierfür ein integriertes Computermodell mit SARS-CoV-2 und menschlichen Alveolarmakrophagen. Letztere sind in den Lungenbläschen für die Abwehr von Fremdstoffen zuständig. Ihre jetzige Arbeit veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Bioinformatics“ unter „FBA reveals guanylate kinase as a potential target for antiviral therapies against SARS-CoV-2“. 

Was macht SARS-CoV-2 in der Wirtszelle?

Im Modell gelang es SARS-CoV-2 die Wirtszelle, die menschliche Alveolarmakrophage, zu infizieren und deren Stoffwechselapparat für sich zu nutzen. „Biochemische Reaktionen, die das Virus im Wirt verwendet, sind also bereits in das Modell integriert“, so Dräger. Die Forscher haben zunächst die Zusammensetzung des Virus analysiert und daraus berechnet, welches Material benötigt wird, um ein Viruspartikel herzustellen. „Wenn man das weiß, kann man verschiedene Szenarien durchspielen und sehen, wie sich die biochemischen Reaktionen in den Wirtszellen während einer Virusinfektion verändern.“

Guanylatkinase: möglicher Angriffspunkt antiviraler Wirkstoffe

Die Tübinger Wissenschaftler interessierten sich dann dafür, welche Prozesse in SARS-CoV-2-infizierten Zellen anders ablaufen als in gesunden Zellen. Stück für Stück schalteten sie ausgewählte Reaktionen aus und fanden so die Prozesse, die für SARS-CoV-2 besonders wichtig sind. Hier zeigte ein Enzym, die Guanylatkinase (GK1), eine wichtige Schlüsselrolle: Wurde sie ausgeschaltet, stoppte die Virusvermehrung komplett.

GK1 nicht nur bei SARS-CoV-2 wichtig

GK1, das in Alveolarmakrophagen vorkommt, spielt eine wesentliche Rolle in der RNA-Synthese, sie ist laut Dräger auch bei anderen Viruserkrankungen bedeutsam. „Während die Virusvermehrung ohne GK1 nicht mehr stattfindet, kann die menschliche Zelle auf andere biochemische Stoffwechselwege ausweichen“, erklärt Dräger. Diese Selektivität ist bei antiinfektiven Wirkstoffen stets eine wichtige Voraussetzung, wenn man den Erreger hemmen will, ohne nachteilige Nebenwirkungen beim Menschen auszulösen. Dräger zufolge sind bereits einige Hemmstoffe des Enzyms bekannt und die Bioinformatiker planen, nun möglichst bald mit ihrem Hamburger Kooperationspartner Dr. Bernhard Ellinger vom Fraunhofer IME ScreeningPort (IME) bereits zugelassene Hemmstoffe auf ihre Wirksamkeit gegen das neue Coronavirus zu testen.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

??? ...bald... ???

von Martin R. am 15.01.2021 um 15:26 Uhr

"....planen, nun möglichst bald...." ~kopfschüttel~

Einfach anfangen AP5G u.ä. zu testen, und bitte nicht nur in-vitro für eine schöne theoretische Publikation. Oder muss erst noch ein DFG Antrag geschrieben werden? Geld für Forschung in die Richtung ist derzeit genug da.

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