Kommentar zu kostenlosen Corona-Schnelltests

Rechnung mit vielen Unbekannten

Süsel - 18.02.2021, 12:15 Uhr

(Foto: IMAGO / MedienServiceMüller)

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Bundesgesundheitsminister Spahn hat mit der Ankündigung kostenloser Corona-Schnelltests für Schlagzeilen gesorgt. Die Apotheken stellt er damit vor große Herausforderungen, weil die Nachfrage nach den Tests nicht abzuschätzen ist. Auch die weitere Strategie der Politik im Umgang mit den Tests bleibt unklar. Die Konsequenzen daraus hinterfragt DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.

Kostenlose Antigen-Schnelltests für alle - damit kann Gesundheitsminister Spahn mal wieder eine Schlagzeile für sich verbuchen. Natürlich freuen sich alle, wenn sie sich künftig ohne Bezahlung auf das Coronavirus testen lassen können. Als mögliche Orte für solche Tests werden die Apotheken genannt. Spahn hat selbst erklärt, dass nicht alle Apotheken mitmachen werden – und liegt mit dieser Einschätzung wohl richtig. Denn das Thema ist für die Apotheken zwiespältig.

Zwiespalt für Apotheken

Es ist gut, dass die Apotheken an exponierter Stelle in eine Strategie zur Bewältigung der Pandemie einbezogen werden. Wenn Spahn die Apotheken hier übergangen hätte, wäre der Aufschrei unter den Apothekern groß und berechtigt. Andererseits kann der Aufwand für solche Tests die personellen und räumlichen Kapazitäten der Apotheken überfordern. Der Auftrag zur Arzneimittelversorgung muss im Mittelpunkt bleiben. Dazu gehört auch, den normalen Apothekenbetrieb von den Tests abzuschirmen, damit die Versorgung nicht durch Infektionen oder Quarantänemaßnahmen lahmgelegt wird. Darum werden vermutlich viele Apotheken Tests außerhalb der Apothekenräume anbieten. Berufspolitisch ist zu beklagen, dass dies die Apothekenlandschaft weiter aufspreizen wird. Kleinen Apotheken mit ebenso kleinen Handlungsspielräumen stehen immer größere Apotheken gegenüber, die sich durch solche Aktionen weiter profilieren können.

Nachfrage als große Unbekannte

Die Tests stellen alle Anbieter vor große Herausforderungen. Denn die große Unbekannte ist die Nachfrage. Können das zwei Personen in zwei Stunden täglich im Beratungsraum erledigen oder sollte dafür eine Halle angemietet werden? Mit dieser Unsicherheit lässt sich auch nicht kalkulieren, ob das angekündigte Honorar von 9 Euro akzeptabel ist. Wie schon bei der ersten Tranche der Maskenverteilung wälzt Spahn das wirtschaftliche Risiko und den organisatorischen Aufwand auf die Betreiber ab, in diesem Fall nicht nur die Apotheken. Die sollten gewarnt sein. Nach der massiven Kürzung des Maskenentgelts für die dritte Tranche kann das angekündigte Honorar für die Tests nicht als sichere Größe eingeplant werden.

Tests für wen und wofür?

Trotz der vielen Unwägbarkeiten werden die Testangebote sicherlich in den kommenden Tagen aufgebaut. Dabei werden auch die vorhandenen Testzentren zu nutzen sein, weil sich die kostenpflichtigen Tests erübrigen werden. Dann wird sich die letztlich entscheidende Frage stellen, die der Minister bisher nicht beantwortet hat: Wer soll sich wofür testen lassen? Wenn flächendeckende und kostenlose Angebote vorhanden sind, kann die Politik die Lockerungen der Corona-Maßnahmen von Tests abhängig machen. Erst mit diesem zweiten Schritt würde sich der Zweck des ersten Schritts, also der kostenlosen Tests, erklären.

Diese häppchenweise Vorgehensweise erscheint in doppelter Weise problematisch. Erstens sollten die Bürger den ganzen Plan erfahren, falls es ihn jetzt schon gibt. Zweitens wäre es für die Apotheken und andere Testanbieter entscheidend, diesen Plan zu kennen, statt ihn als weitere große Unbekannte einkalkulieren zu müssen. Denn mit einem solchen Plan ließe sich die Nachfrage wenigstens grob einschätzen. Sollen die Tests nur freiwillig zur eigenen Sicherheit gemacht werden? Sollen Friseurbesuche oder andere körpernahe Leistungen davon abhängig gemacht werden? Oder sollen sich demnächst die Gäste vor jedem Restaurantbesuch testen lassen?

Testzentrum als Hotspot?

Damit droht ein weiteres Problem. Tests sind sicherlich ein intelligenter Weg, der an vielen Stellen den Weg zu mehr Normalität eröffnen kann. Doch Tests haben auch ihre Grenzen. Das Infektionsrisiko in der Schlange vor dem Testzentrum oder bei der Durchführung des Tests darf nicht größer sein als bei der Handlung, die der Test ermöglichen soll. Vermutlich ist ein Restaurantbesuch nicht riskanter als der Aufenthalt in einem Testzentrum, und es wäre nicht förderlich, wenn Testzentren zu Hotspots wie Fußballstadien würden. Auch bei Tests kommt es auf das richtige Maß an.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Aufwandsentschädigung

von Valentin Hirsch am 21.02.2021 um 10:12 Uhr

Wieso gibt es nicht eine zusätzliche Aufwandsentschäsigung für die Bevorratung das zur Verfügung gestellte Personal, die Übernahme der Logistik der Tests inkl. Verhandlungen + das Problem, dass die Testungen um eine Gefährdung der Apotheken Kunden zu verhindern räumlich getrennt stattfinden sollten, wozu oft ein Extragrundstück notwendig ist und der Aufbau eines Zeltes. Eine einmalige Pauschale je teilnehmende Apotheke zusätzlich sollte auf jeden Fall notwendig sein, sonst sehe ich hier hinsichtlich des Risikos, dass nur sehr wenige Menschen die Tests warnehmen (weil wofür auch, gibt dadurch ja keine Lockerungen), schwarz.
#apothekerkämpft

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Vertrauensbruch mit Folgen

von Carsten am 18.02.2021 um 17:44 Uhr

Da sieht man schon, was Herr Spahn mit der nachträglichen Senkung des Maskenhonorars erreicht hat.

In Zukunft wird jede solche (auch durchaus sinnvolle) Aktion auch unter dem Aspekt dieses Wortbruches betrachtet werden. Hinzu kommt, daß es sowieso lächerlich ist, dass ein und die selbe Handlung unterschiedlich bezahlt wird.

Finanzielle Wagnisse einzugehen um zB. ein (teil)städtisches Testzentrum aufzubauen grenzt dadurch an Unvernunft und wird in vielen Fällen unterbleiben.

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