Wirkstoff-Modifizierung

Was bringt die Glykosylierung von Paracetamol?

09.03.2021, 09:15 Uhr

Paracetamol gehört zu den bekanntesten Schmerz- und Fiebermitteln. Eine Vergiftung ist ein Grund für die Einweisung ins Krankenhaus. (Foto: IMAGO / MiS)

Paracetamol gehört zu den bekanntesten Schmerz- und Fiebermitteln. Eine Vergiftung ist ein Grund für die Einweisung ins Krankenhaus. (Foto: IMAGO / MiS)


Paracetamol ist ein etabliertes Schmerzmittel, die Packungen sind zum Teil für Cent-Beträge ohne Rezept zu haben. Dennoch hat sich das Münchener Unternehmen „4Gene“ an eine Neuformulierung des Oldies gewagt – mittels Glykosylierung. Wird der Wirkstoff dadurch möglicherweise sicherer?

Die Retardierung von neuen Arzneimitteln gehört zum Methodenschatz eines pharmazeutischen Entwicklers. Ziel des speziellen Aufbaus des Medikaments ist eine verzögerte, verlängerte, langanhaltende oder kontrollierte Freigabe des Wirkstoffs. Auch eine kontinuierliche Freigabe kann gewünscht sein. Zudem besteht durch solche Modifizierungen die Möglichkeit, bekannten Wirkstoffen eine „neue Karriere“ zu verschaffen. So wie in diesem Fall: Dem Münchner Unternehmen 4Gene ist die Neuformulierung des gut bekannten Wirkstoffs Paracetamol gelungen. Hierbei konnte ein – nach eigener Aussage – sehr effektives Verfahren zur biotechnologischen Herstellung eines Paracetamol-ß-D-Glukosids entwickelt werden.

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Die Firma, die aus einer Ausgründung der Technischen Universität München entstanden ist, bietet sonst modifizierte Aromen- und Duftstoffe für die Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie an. Durch die Modifizierung von Wirkstoffen mittels eines neu entwickelten Prozesses zu glykosylierten Wirkstoff-Derivaten, soll sich die Freisetzungskinetik besser steuern lassen. Das Verfahren hat das Unternehmen bereits beim Deutschen Patentamt zum Patent angemeldet. Diesen biotechnologischen Herstellungsprozess der Glykosylierung hat sich das Unternehmen zu Nutze gemacht, um Paracetamol in eine neue Formulierung zu bringen. Dadurch soll sich die Freisetzung des Arzneimittels besser steuern lassen, die Freigabe der Dosis ließe sich kontrollieren, heißt es.

Bessere Löslichkeit, schnellere Aufnahme

Laut 4Gene hat das Paracetamol-Derivat viele unterschiedliche Stoffeigenschaften im Vergleich zum herkömmlichen Paracetamol. Beispielsweise weist das Paracetamolglukosid eine um den Faktor 40 erhöhte Wasserlöslichkeit auf, wodurch sich der erste Schritt, die Aufnahme in den Körper, wesentlich erleichtern soll. Die glykosylierten Wirkstoff-Derivate können anschließend im Körper durch Glukosidasen freigesetzt werden. Diese Enzyme lassen sich in körpereigenen Zellen, aber auch bei Bakterien finden. So kann die Freisetzung bereits durch Glukosidasen im Speichel oder im Darm erfolgen. Das Unternehmen besitzt gute Erfahrungen mit der Freisetzung von Aromastoffglukosiden im Mund und konnte diese auf das Paracetamolglukosid ummünzen. Dieses wird in vitro auf gleiche Art gespalten.

Laut 4Gene kann der modifizierte Wirkstoff problemlos von Pharmaunternehmen in ihrer Produktion mit eingesetzt werden. Das Unternehmen selbst besitzt seine Expertise aber nur in der Biotechnologie und benötigt daher für die Durchführung der klinischen Studien ein Pharmaunternehmen, welches diese Aufgabe übernimmt.

Dabei ist das Verfahren wohl nicht nur auf den Wirkstoff Paracetamol beschränkt. Darüber hinaus können laut 4Gene viele niedermolekulare Alkohole, Phenole, primäre und sekundäre Amine, sowie Thiole in dem Herstellungsprozess Anwendung finden. Das Verfahren sei für eine Vielzahl von Wirkstoffen ähnlich, heißt es.

Wird Paracetamol sicherer?

Paracetamol ist bekanntermaßen ein Grund für die Einweisung ins Krankenhaus – es kommt immer wieder zu Vergiftungen. Auf die Frage, ob der Wirkstoff durch die Glykosylierung sicherer wird, antwortete 4Gene, dass man dazu ohne klinische Studien nur schwer eine Aussage treffen könne – aber dass der Blutspiegelverlauf und somit die Gefahren des Wirkstoffes womöglich durch den generellen Prozess der Glykosylierung positiv beeinflusst werden können. Hierdurch könnte die Dosierung besser auf den Patienten abgestimmt und dadurch im besten Fall die therapeutische Breite erhöht werden, so 4Gene.

Es bleibt also spannend, ob der Wirkstoff Paracetamol in Zukunft seinen Weg als neue Formulierung auf den Markt findet.



Michael Gabel, Apotheker
redaktion@daz.online


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