Arzneimittel und Therapie

Eisenmangel: Neue Empfehlungen für die Praxis

Stuttgart - 25.03.2021, 15:15 Uhr

Um den Eisenbedarf zu decken, sollten tierische Produkte wie dunkles Fleisch und Leber oder Blutwurst bevorzugt werden. (Foto: Ildi / stock.adobe.com)

Um den Eisenbedarf zu decken, sollten tierische Produkte wie dunkles Fleisch und Leber oder Blutwurst bevorzugt werden. (Foto: Ildi / stock.adobe.com)


In Europa leiden 5 bis 10 Prozent der Menschen an einem Eisenmangel. Besonders Kinder und junge Frauen sind betroffen. Ein Forscherteam um Professor Martina Muckenthaler vom Universitäts­klinikum Heidelberg hat einen aktuellen evidenzbasierten Leitfaden zur Diagnostik und Therapie der Mangelerscheinung erstellt, der im „Lancet“ veröffentlicht wurde. Er soll die derzeitige Behandlung weltweit optimieren.

Das Spurenelement Eisen ist wichtig für den Sauerstofftransport und an zahlreichen Stoffwechselfunktionen beteiligt. Eisenmangel zählt zu den häufigsten Mangelerkrankungen und wird in drei Stadien unterteilt: Im ersten Stadium tritt eine negative Eisenbilanz auf ‒ der Eisenbedarf kann nicht mehr durch die Nahrung gedeckt werden, der Serum-Ferritin-Wert sinkt. Im Stadium II liegt eine eisendefiziente Erythropoese vor. Wenn der Eisenspeicher erschöpft ist, sinkt das Serum-Eisen. Kommt es zur gleichzeitigen Senkung der Transferrinsättigung, wird auch die Hämoglobinsynthese beeinträchtigt. Ist der Eisenmangel so stark ausgeprägt, dass zudem der Hämoglobin- und Hämatokrit-Wert abfällt, spricht man von einer Eisenmangelanämie (Stadium III).

Tierische Produkte bevorzugen

Der Gesamteisengehalt eines Erwachsenen beträgt 3,5 bis 5 g. Davon sind circa 65 bis 70 Prozent im Hämoglobin enthalten. Bei Männern liegen die täglichen Eisenverluste bei rund 1 mg, bei Frauen im gebärfähigen Alter liegt der Anteil bei 2 mg. Die tägliche Eisenzufuhr über die Nahrung beträgt zwischen 10 und 20 mg, dabei wird Eisen aus tierischen Produkten besser aufgenommen als aus pflanzlichen. Die Darmschleimhaut resorbiert Eisen hauptsächlich in zweiwertiger Form. Die Aufnahme erfolgt über den divalenten Metalltransporter 1 (DMT1), welcher spezifisch zweiwertiges Eisen durch die Zellmembran im Austausch zweier Protonen überführt. Das ebenfalls in der Zellmembran verankerte Cytochrom B kann einen Teil des dreiwertigen Eisens im Darm in Fe2+ reduzieren, sodass auch dieses resorbiert wird. Das Transportprotein Ferroportin übergibt die Metallionen an das Blut. Die Eisenaufnahme wird von dem in der Leber gebildeten Protein Hepcidin reguliert. Indem es Ferro­portin abbaut, begrenzt es die Verfügbarkeit von Eisen im Blut. Nach der Oxidation von Fe2+ wird dreiwertiges Eisen an das Transportprotein Transferrin als Komplex gebunden und weitertransportiert. Über entsprechende Transferrinrezeptoren wird die Aufnahme von Eisen aus dem Blut in die Zellen ermöglicht.

Auf Entzündungen achten

Wichtigster diagnostischer Parameter zur Feststellung eines Eisenmangels ist die Bestimmung des Serum-Ferritins. Der Proteinkomplex Ferritin dient in erster Linie als intrazellulärer Eisenspeicher, doch auch seine Serumkonzentration dient als verlässlicher Parameter für im Organismus gespeichertes Eisen. Sinkt der Wert bei Männern unter den Normwert von 30 µg/l beziehungsweise bei Frauen unter 15 µg/l, liegt ein Mangel des Eisenspeichers vor. Wenn gleichzeitig die Hämoglobin­werte erniedrigt sind, besteht eine behandlungsbedürftige Eisenmangel­anämie. Die Folge können schwere Folgeschäden wie Herzerkrankungen oder Entwicklungsstörungen sein.

Bei systemischen Entzündungen oder Krebserkrankungen ist der Ferritin-Wert jedoch kein aussagekräftiger Parameter. In solchen Zuständen bewirkt Interleukin-6 eine Hochregulierung von Hepcidin. Dadurch steigt der Ferritin-Wert, wodurch ein Eisenmangel ­verdeckt werden kann. Bei diesem Phänomen spricht man von einem funktionellen Eisenmangel. Zur weiteren Diagnostik ist in diesem Fall unter anderem die Bestimmung von Hepcidin erforderlich.

Symptome und Ursachen

Symptome eines Eisenmangels sind unter anderem Müdigkeit, Konzen­trationsstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen und Blässe. Ursachen können ein erhöhter Eisenbedarf, ein erhöhter Eisenverlust oder eine verminderte Eisenzufuhr sein. Ein erhöhter Eisenbedarf tritt zum Beispiel während des Wachstums und in der Schwangerschaft auf. Unter erhöhten Eisenverlusten leiden insbesondere Frauen mit starken Menstruationsblutungen. Bei Männern und postmenopausalen Frauen empfehlen die Autoren des neuen Leitfadens, einen Gastroenterologen zu kontaktieren, damit dieser mögliche gastrointestinale Blutungsquellen erkennen kann.

Eine verminderte Eisenzufuhr kann durch einen ungenügenden Eisengehalt der Nahrung auftreten, insbesondere bei Vegetariern, da Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln in dreiwertiger Form vorliegt und somit schlechter resorbiert wird. Auch Interaktionen zwischen Nahrungsbestandteilen können zu einer verringerten Eisenaufnahme führen. Phytate in Hülsenfrüchten, Calcium und Tannine (in Kaffee und Tee) können Eisen komplexieren und so die Resorption beeinträchtigen. Vitamin C hingegen kann die Eisenresorption fördern, indem es die Oxidation von Fe2+ hemmt.

Auch Arzneimittel können die Eisenresorption negativ beeinflussen. Patienten, die Protonenpumpeninhibitoren oder H2-Rezeptor-Antagonisten einnehmen, können einen Eisenmangel entwickeln, da bei höheren pH-Werten im Magen beziehungsweise Duodenum die Löslichkeit des Eisens sinkt. Auch Eisenresorptionsstörungen infolge von Magen-Darm-Erkrankungen wie Zöliakie, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Gastritiden können Auslöser eines Eisenmangels sein. Des Weiteren konnte auch eine Assoziation zwischen Helicobacter-pylori-Infektionen und Eisenmangel bzw. Eisenmangelanämie gezeigt werden und sollte in der Diagnostik berücksichtigt werden. Zudem tragen übergewichtige und fettleibige Patienten durch erhöhte Hepcidin-Spiegel das Risiko, einen Eisenmangel zu entwickeln.

Dieser Artikel erschien in der DAZ Ausgabe 12 / 2021, S. 48

Hohe Dosen bei Therapie­beginn meiden

Zur Behandlung eines Eisenmangels stehen orale und parenterale Präparate zur Verfügung. Als Erst­linientherapie gilt die orale Eisensupplementierung. Es ist darauf zu achten, dass aufgrund der besseren Bioverfügbarkeit Präparate mit Fe2+ zum Einsatz kommen. Die Dosierung beträgt zwischen 50 und 200 mg pro Tag. In Studien konnte gezeigt werden, dass Dosierungen von mehr als 60 mg die Konzentration an Hepcidin für 24 Stunden erhöhen können, was die weitere Eisenresorption hemmt. Deshalb sollten insbesondere zu Therapie­beginn nicht zu hohe Dosen appliziert werden. Limitierender Faktor sind die sehr häufig auftretenden gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit oder Verstopfung. Die Einnahme von oralem Eisen an jedem zweiten Tag erzielte ein besseres Ergebnis (33 Prozent höhere Resorption) als die tägliche Einnahme und konnte von den Patienten besser vertragen werden. 

Bei ausgeprägtem Eisenmangel, sehr schlechter Verträglichkeit oraler Eisenpräparate oder entzündlichen Darmerkrankungen kommen parenterale Eisenpräparate zum Einsatz. Mittlerweile stehen moderne Eisenformulierungen zur Verfügung, die die Eisenspeicher rasch auffüllen. Hier haben sich insbesondere Eisencarboxymaltose (z. B. Ferinject®) und Eisen(III)-Derisomaltose (z. B. Monofer®) bewährt. Es ist darauf zu achten, dass bei der intravenösen Gabe schwere allergische Reaktionen auftreten können, weshalb die Anwendung nur in spezialisierten Facharztpraxen oder Kliniken durchgeführt werden sollte. Es ist wichtig, dass ein Eisenmangel bzw. eine Eisenmangel­anämie frühzeitig entdeckt und die Ursachen des Mangels identifiziert werden, um eine adäquate Therapie einzuleiten und Folgeschäden zu vermeiden. Der neue Leitfaden soll dabei eine ergänzende Hilfestellung für die tägliche Praxis leisten.

Literatur 

Pasricha S, Tye-Din J, Muckenthaler MU, Swinkels DW. Iron deficiency. Lancet 2021; 397:233-48 
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; 2019 
Eisenmangel. Doccheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Eisenmangel, Abruf am 28. Februar 2021



Dr. Martina Wegener, Apothekerin
redaktion@daz.online


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