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Heterologe Impfschemata gegen COVID-19
AstraZeneca-Primer plus Biontech/Pfizer-Boost erzeugt signifikant mehr Antikörper
In der vergangenen Woche hat die Ständige Impfkommission mit ihrer Empfehlung, nach der Corona-Erstimpfung mit Vaxzevria als zweite Dosis einen mRNA-Impfstoff zu verabreichen, für große Aufregung gesorgt. Bringt das wirklich mehr? Die Datenlage dazu ist noch recht dünn. Nun hat ein deutsches Forschungsteam einen neuen Erkenntnis-Baustein beigesteuert.
Schon mit der Erteilung der Zulassung Ende Januar 2021 war der Vektor-basierte COVID-19-Impfstoff Vaxzevria® in die Schlagzeilen geraten. Abweichend von der EMA ermittelte die Ständige Impfkommission (STIKO) beim RKI durch einen anderen Ansatz bei der Bewertung der Studienlage eine Wirksamkeit von 70 statt wie die EMA knapp 60 Prozent. Außerdem riet die STIKO zunächst davon ab, die Vakzine auch bei über 65-Jährigen einzusetzen, eine Empfehlung, die am 4. März revidiert wurde. Zehn Tage später wurden die Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff dann wegen Sicherheitsbedenken vorübergehend ausgesetzt, ein weiterer Schlag ins „Image-Kontor“.
EMA bleibt beim positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis
Die Bedenken betreffen eine auffällige Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen. Die Fälle wurden überwiegend bei Frauen im Alter bis zu* 55 Jahren beobachtet. Der Ausschuss für Arzneimittelsicherheit PRAC bei der Europäischen Arzneimittelagentur hat das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis für Vaxzevria® über alle Altersgruppen zwar zwischenzeitlich mehrfach bestätigt, aber der Impfstoff blieb in der öffentlichen Wahrnehmung nachhaltig beschädigt. Die EMA überließ es schließlich den EU-Mitgliedstaaten, wie sie den Impfstoff in ihren nationalen Impfkampagnen einsetzen.
Der Einstieg in gemischte Impfregime
Die STIKO hatte auf Basis der Datenlage zunächst empfohlen, nur noch Personen ab 60 Jahren damit zu impfen. Jüngere, die bereits eine Erstimpfung mit der AstraZeneca-Vakzine erhalten hatten, sollten als zweite Dosis einen m-RNA-Impfstoff, das heißt entweder Comirnaty® oder Spikevax® von Moderna bekommen. Damit war die „Ära“ der gemischten COVID-19-Impfungen in Deutschland eingeläutet, was bei vielen ein ungutes Gefühl verursachte.
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Schließlich sind solche heterologen Impfregime gegen SARS-CoV-2 in der EU bislang nicht zugelassen und weder die EMA noch die Weltgesundheitsorganisation empfehlen diese aktuell. In der letzten Woche legte die STIKO sogar noch einen drauf und empfahl den Umstieg auf eine Booster-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff unabhängig vom Alter mit einem mindestens vierwöchigem Impfabstand zur ersten Impfstoffdosis.
* Der Text wurde am 09.07.2021 um 10:55 Uhr korrigiert. Statt ab 55 Jahren heißt es nun richtig bis zu 55 Jahren.
Heterologe Regime theoretisch sinnvoll
Ein Argument für heterologe Impfregime ist, dass unterschiedliche Impfstofftypen unterschiedliche Immunantworten auslösen. Während mRNA-Impfstoffe, wie diejenigen von Biontech/Pfizer und Moderna, vor allem eine starke virusneutralisierende Antikörperantwort erzeugen, aktivieren Vektorimpfstoffe wie Vaxzevria® stärker die T-Zellen. Jedoch liegen zu solchen gemischten Prime-Boost-Regimes gegen COVID-19 bislang kaum Daten vor.
Neue Studienergebnisse am Menschen
Nun haben Forschende aus Deutschland am Menschen beobachtet, dass eine Auffrischimpfung mit einer mRNA-Vakzine nach der Grundimmunisierung mit dem adenoviralen vektorbasierten Impfstoff von AstraZeneca offenbar ausreicht, um hohe Konzentrationen neutralisierender Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu erzeugen. Das Team vom Universitätsklinikum Erlangen, dem Universitätsklinikum Köln und der Technischen Universität München glaubt, dass das heterologe Prime-Boost-Regime die Wirksamkeit der COVID-19-Impfung sogar erhöhen kann. Eine kurzgefasste Pre-Print-Version ihrer Forschungsergebnisse ist auf dem medRxiv-Server verfügbar, während der Artikel einem Peer-Review unterzogen wird.
Was haben die Forscher gemacht?
Die Direktorin des Instituts für Virologie an der TU München/Helmholtz Zentrum München, Professor Ulrike Protzer, und ihre Kollegen untersuchten eine Kohorte von 480 geimpften Personen. 229 davon hatten im Abstand von neun bis zwölf Wochen eine heterologe Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff als Hauptimmunisierung und Comirnaty® als Auffrischimpfung erhalten. Die anderen, Gesundheitspersonal oder Freiwillige, waren jeweils mit einem homologen Regime der beiden Vakzine immunisiert worden. Zur Ermittlung des Immunstatus bestimmten sie die neutralisierenden SARS-CoV-2-Antikörper.
Weitere Studien zur Sicherheit und klinischen Wirksamkeit erforderlich
Den Geimpften wurden am Tag der Auffrischung mit BNT162b2 und zwei Wochen danach Serumproben abgenommen und analysiert. Das Team führte sowohl einen kulturbasierten SARS-CoV-2-Neutralisationsassay mit Vero-E6-Zellen als auch einen Surrogat-Neutralisations-Assay durch. Dieser zeigt an, ob die Serum-Antikörper die Wechselwirkung der SARS-CoV-2 Spike-Protein-Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD) mit ihrem Rezeptor, dem Angiotensin-Converting Enzym 2 (ACE2) blockieren. Die Spike-RBD ist das primäre Ziel neutralisierender Antikörper nach einer SARS-CoV-2-Impfung oder einer natürlichen Infektion.
Die Auswertung aller 480 Personen nach zwei Wochen ergab, dass die Verabreichung einer Einzeldosis einer COVID-19-mRNA-Vakzine als Auffrischimpfung nach der Prime-Impfung mit dem Vektorimpfstoff nicht nur für einen hohen Schutztiter ausreichte. Das heterologe Regime induzierte auch eine signifikant höhere Zahl neutralisierender Antikörpertiter als die homologen Impfserien, auch mit Comirnaty® alleine. Weitere Studien müssen sich jedoch mit der Sicherheit und klinischen Wirksamkeit heterologer Impfschemata befassen, rät das Team abschließend.
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