ARD-Magazin „Plusminus“

Sollte Titandioxid neben Lebensmitteln auch aus Arzneimitteln verschwinden?

Stuttgart - 17.08.2021, 07:00 Uhr

Um dem Anteil an Titandioxid-Nanopartikeln auf die Spur zu kommen, hat „Plusminus“ verschiedene Produkte an ein Labor geschickt. (Screenshot: Plusminus)

Um dem Anteil an Titandioxid-Nanopartikeln auf die Spur zu kommen, hat „Plusminus“ verschiedene Produkte an ein Labor geschickt. (Screenshot: Plusminus)


Kein Grund für Titandioxid in „Dolormin Extra“ und „Buscopan“?

Um dem Anteil an Titandioxid-Nanopartikeln auf die Spur zu kommen, hat „Plusminus“ mehrere verschiedene Produkte an ein Labor geschickt. Im Filmbeitrag zu sehen ist ein Päckchen, in das neben diversen Zahnpasta-Tuben auch Nahrungsergänzungsmittel sowie Arzneimittel wie beispielsweise „Dolormin Extra“ oder „Buscopan“ gepackt werden. Auch dort habe man schließlich Nanopatikel gefunden, heißt es. Die Hersteller verwiesen auf Nachfrage von „Plusminus“ jedoch darauf, dass Titandioxid dort die Wirksamkeit sichere, Titandioxid schütze vor Licht. „Mehr als 30.000 Medikamente, die es in Europa zu kaufen gibt, sind mit Titandioxid überzogen“, so „Plusminus“. Als Arzneimittel sind sie von den Warnungen der EFSA zunächst nicht betroffen. 

„Plusminus“ hat auch den unter Apotheker:innen bekannten *Gerd Glaeske um Rat gefragt: Dieser meint, dass es in Arzneimitteln für den Lichtschutz nicht ausgerechnet Titandioxid brauche. Nur ein „vorgeschobenes Argument“ der Hersteller also? Blister-Packungen und Umkartons bieten laut Glaeske bereits so viel Lichtschutz, dass Titandioxid gar keine Rolle mehr spielen könne. Für ihn gibt es keinen wirklich nachvollziehbaren Grund zur Verwendung von Titandioxid in Arzneimitteln.

Die Arzneimittelhersteller haben das Thema Titandioxid jedenfalls nicht abgehakt. So versucht zum Beispiel die „Association of the European Self-Care Industry“ (AESGP) mittels einer Umfrage bei den Unternehmen herauszufinden, welche Konsequenzen durch ein Verbot von Titandioxid zu befürchten wären. Offenbar will man auch erfahren, in wie vielen Arzneimitteln tatsächlich Titandioxid enthalten ist – egal ob Tabletten, Kapseln, Pasten oder flüssige Arzneimittel. Und es wird auch gefragt, welche Funktion Titandioxid im jeweiligen Fall erfüllt und ob bereits alternative Stoffe in Aussicht stehen. Welche Zeit würden die Hersteller benötigen, um von Titandioxid auf Alternativen umzustellen, und welche Kosten würden auf sie zukommen? Würde eine Umstellung die Lieferkette beeinflussen? 

Die Titandioxid-Lobby

Tatsächlich ist in dem „Plusminus“-Beitrag schließlich von einer „Titandioxid-Lobby“ die Rede. Im Interview mit der „Lobby-Expertin“ Vicky Cann heißt es, dass sie damit rechne, dass in der EU ein Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln nicht so schnell kommen werde wie etwa bereits in Frankreich 2020. Die entsprechende Lobby versuche schon seit Jahren ein Verbot zu verhindern. Diese habe „Millionen“ investiert und die größte PR-Agentur in Brüssel engagiert. Als 2019 die EU-Kommission empfahl, Frankreichs Maßnahmen auf die EU auszudehnen, hieß es etwa in einem Brief des Lebensmittelverbands an das Verbraucherministerium: „Wir fordern die Bundesregierung hiermit entschieden auf, keiner der beiden von der Kommission vorgeschlagenen Optionen zu folgen, […]“. „Plusminus“ hat schließlich beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nachgefragt, warum man Titandioxid nicht schon früher verboten hat. Von dort hieß es: „Ausschlaggebend für das Handeln unseres Ministeriums war und ist die wissenschaftliche Risikobewertung.“ Im Jahr 2019 habe keine wissenschaftliche Handlungsgrundlage für eine Änderung der Zulassung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff bestanden. 

„Dieser Stoff hätte gar nicht zugelassen werden dürfen“, sagt hingegen Martin Rücker, ehemaliger Geschäftsführer von „Foodwatch“ im Interview mit „Plusminus“, denn eigentlich sei das solchen Substanzen vorbehalten, die eine wirkliche Funktion in dem Lebensmittel hätten, den Verbraucher:innen also einen Nutzen bringen. Bei Titandioxid sei das nicht der Fall, weil es um einen rein optischen Effekt gehe.

Die aktuelle Print-Ausgabe der DAZ 32/2021 ist nun jedenfalls nochmals der Frage nachgegangen, ob Titandioxid (in Arzneimitteln) nun schädlich ist oder nicht. Auf welche Daten kann man sich bei der Einschätzung stützen? Abonnent:innen können hier weiterlesen.

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Bei aller bestehender Unsicherheit scheint in der Diskussion schließlich ausschlaggebend zu sein, dass Titandioxid an vielen Stellen – ob Lebensmittel oder Arzneimittel – verzichtbar wäre. Aber auch hinsichtlich der Auswirkungen von Nanopartikeln scheint (nicht nur bei Titandioxid) noch Forschungsbedarf zu bestehen.

 *Zuletzt am 17.08.2021 um 10:13 redaktionell bearbeitet.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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