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Viele Mikro-Pikser statt einem „richtigen“
Impfpflaster aus dem 3D-Drucker
Unter den Impfverweigerern gibt es auch Menschen, die einfach nur Angst vor der Spritze haben. Das könnte in Zukunft vielleicht kein Argument mehr sein, denn die Entwickler arbeiten mehr und mehr an Vakzinen, die einfach über die Haut verabreicht werden, zum Beispiel als Mikronadel-Pflaster. Ein US-Forscherteam ist diesbezüglich mit einer ausgeklügelten Technik einen großen Schritt vorangekommen.
Es sieht ein bisschen aus wie ein Miniatur-Fakirbrett, das Mikronadel-Impfstoffpflaster, das Wissenschaftler der kalifornischen Stanford University und der University of North Carolina (UNC) in Chapel Hill entwickelt haben. Das Pflaster kommt allerdings nicht etwa aus einer Metallwerkstatt, sondern einfach aus dem 3D-Drucker. Mikronadelpflaster sind per se nichts Neues. Sie werden schon lange untersucht. Das Novum der US-Wissenschaftler meistert jedoch einige Herausforderungen der Vergangenheit. Genaueres dazu ist in der Publikation des Teams in den Proceedings of the National Academy of Sciences nachzulesen.
Was liegt näher als die Haut?
Immer mehr Beweise deuten darauf hin, dass die Kinetik eines Impfstoffs und der Ort der Verabreichung eine wesentliche Rolle bei der Förderung der schützenden Immunität spielen. Die menschliche Haut ist reich an Immunzellen (Langerhans-Zellen und dermalen dendritischen Zellen). Was liegt also näher, als einen Impfstoff dort zu verabreichen, zum Beispiel über Mikronadeln? Die Impfung ist einfach und macht geschultes medizinisches Personal und Injektionsnadeln überflüssig. Außerdem werden die Impfstoffe in getrockneter Form formuliert und gelagert. Sie brauchen nicht rekonstituiert zu werden und es braucht womöglich auch keine Kühlkette. Man könnte damit also wahrscheinlich schneller auf Epidemien und Pandemien wie COVID-19 reagieren.
Wie werden die Nadelpflaster hergestellt und wie funktionieren sie?
Kurz zur Technologie: Mikronadeln (MNs) sind Anordnungen von mikrometergroßen festen Nadelvorsprüngen, die die Hornschicht (das Stratum corneum) der Haut schmerzfrei durchstechen und Therapeutika oder Impfstoffe in die Epidermis/Dermis abgeben können. Sie können aus massivem Metall, Silizium oder Polymeren hergestellt und mit Therapeutika beschichtet werden, oder auch aus abbaubaren Materialien, die die gewünschte Beladung einkapseln. Nach dem Auftragen eines Mikronadelpflasters auf die Haut löst sich die Ladung entweder von den Mikronadeln oder das Matrixmaterial zersetzt sich und gibt die Ladung in die Haut ab.
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Gegenwärtige Herstellungstechniken stammen aus der Mikroelektronikindustrie. Meist werden zuerst Masterschablonen gefertigt, mit deren Hilfe die Mikronadeln aus einer Reihe von Materialien abgeformt werden. Das Formen von Mikronadeln ist jedoch nicht sehr wandelbar und die Nadelschärfe nimmt nach wiederholtem Abformen oft ab. „Außerdem ist es eine Herausforderung, Mikronadeln an verschiedene Impfstofftypen anzupassen“, sagt die leitende Studienautorin Shaomin Tian von der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie der UNC School of Medicine.
Der Trick mit der Oberflächenvergrößerung
Angesichts dieser Probleme hat sich die additive Fertigung, das heißt der dreidimensionale (3D)-Druck, in letzter Zeit als Fertigungstechnologie für Mikronadeln entwickelt. Das US-Forscherteam hat hierzu als besondere Technik den Continuous Liquid Interface Production (CLIP)-basierten 3D-Druck eingesetzt. Um die Oberfläche der Nadeln im Vergleich zum glatten quadratischen Pyramidendesign zu vergrößern und damit die Menge an Impfstofffracht zu erhöhen, die auf einem bestimmten Bereich des Mikronadel-Pflasters beschichtet werden kann, haben sie die Nadeln facettiert. Außerdem ist es ihnen mithilfe einer speziell entwickelten Beschichtungsmaske gelungen, mehrere Ladungen in bestimmten Abschnitten des MN-Arrays gemeinsam zu laden. Sie hoffen, dass mit dieser Strategie Kombinationen mehrerer Antigene (wie Proteine, RNAs und DNAs) und Adjuvantien mit unterschiedlichen chemischen Strukturen aufgebracht werden können.
Starke Wirkung spart Impfstoff
Für die Testung an Mäusen beschichteten sie die Mikronadeln mit einer Modellimpfstoffformulierung, bestehend aus dem Modellantigen Ovalbumin (OVA), und CpG-Oligonukleotid, einem Toll-like-Rezeptor-9-Agonisten und potenten Immunstimulator, und verglichen die Abgabe und Retention der Fracht abhängig vom Abgabeweg. Im Vergleich zur subkutanen Bolusinjektion der löslichen Komponenten führte die transdermale Verabreichung mit Mikronadeln nicht nur zu einer besseren Rückhaltung der Ladung in der Haut, sondern auch zu einer verbesserten Aktivierung der Immunzellen in den drainierenden Lymphknoten. Darüber hinaus induzierte der Mikronadel-Impfstoff eine starke humorale Immunantwort mit einem höheren Gesamt-IgG (Immunoglobulin G) und einem ausgewogeneren IgG1/IgG2a-Repertoire. Außerdem löste er T-Zell-Antworten aus, und zwar in Form von funktionellen zytotoxischen CD8+-T-Zellen und CD4+-T-Zellen, die Th1-(Typ 1-T-Helfer)-Zytokine sezernieren. Durch die erheblich stärkere Wirkung könnte Impfstoff eingespart werden, womit die Immunisierung nicht nur kostengünstiger würde. Auch mögliche Antigen- oder Adjuvans-induzierte Nebenwirkungen könnten so begrenzt werden.
Leichte Anwendung und höhere Impfraten
„Mit der Entwicklung dieser Technologie hoffen wir, die Grundlage für eine noch schnellere globale Entwicklung von Impfstoffen in niedrigeren Dosen zu schaffen, die schmerz- und angstfrei verabreicht werden können“, sagt der leitende Studienautor und Unternehmer im Bereich 3D-Drucktechnologie Joseph M. DeSimone, Professor für Translationale Medizin und Chemieingenieurwesen an der Stanford University und emeritierter Professor an der UNC-Chapel Hill.
Die COVID-19-Pandemie habe deutlich vor Augen geführt, welchen Unterschied eine rechtzeitige Impfung macht, betonen die Wissenschaftler. Aber um einen Impfstoff zu bekommen, sei in der Regel ein Besuch in einer Klinik oder einem Krankenhaus erforderlich. Impfstoffpflaster mit beschichteten Mikronadeln, die sich in der Haut auflösen, könnten dagegen ohne besondere Handhabung überall auf der Welt verschickt werden, und die Menschen können das Pflaster selbst anbringen. Schließlich könne die einfache Anwendung auch zu höheren Impfraten führen, so ihre Erwartung.
Laut Aussage der Forscher können die Mikronadeln durch den 3D-Druck leicht angepasst werden, um verschiedene Impfstoffpflaster gegen Grippe-, Masern-, Hepatitis- oder COVID-19-Impfstoffe herzustellen. Das Team aus Mikrobiologen und Chemieingenieuren will nun versuchen, RNA-Impfstoffe wie die COVID-19-Vakzine von Pfizer und Moderna für künftige Tests zu Mikronadelpflastern zu formulieren.
1 Kommentar
Versklavung der Menschheit
von Frank der Ungeschlumpfte am 17.10.2021 um 1:30 Uhr
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