Kommentar

Honorierungsvorschlag im Koalitionsvertrag: katastrophal bis hilfreich, je nach Details

Süsel - 22.11.2021, 13:45 Uhr

Wenn große (Versand-)Apotheken billiger sind, entsteht ein Anreiz für Krankenkassen, die Patienten dorthin zu steuern. Außerdem droht Preiswettbewerb um Privatpatienten. (s / Foto: Pixelot / AdobeStock)

Wenn große (Versand-)Apotheken billiger sind, entsteht ein Anreiz für Krankenkassen, die Patienten dorthin zu steuern. Außerdem droht Preiswettbewerb um Privatpatienten. (s / Foto: Pixelot / AdobeStock)


Wie viel kann umverteilt werden?

Dann bliebe zu fragen, wie groß der Unterschied sein soll und welche Apotheken be- oder entlastet werden. Die Grünen hatten 2019 vorgeschlagen, dass die umsatzstärksten zehn Prozent der Apotheken einen Euro weniger pro Rx-Arzneimittel erhalten und das Geld auf die übrigen Apotheken verteilt wird. Die Fraktion der „Basis-Apotheker“ in der Kammerversammlung von Westfalen-Lippe hatte damals eine viel stärkere Umverteilung vorgeschlagen. Die ökonomische Grundidee hinter allen diesen Vorschlägen ist das Ausnutzen von Skaleneffekten aufgrund der Fixkosten, beispielsweise für Apothekenräume und Betriebsausstattung. Diese Fixkosten beflügeln seit Jahrzehnten die Fantasie mancher Politiker, die sich größere Einheiten bei den Apotheken wünschen. In manchen politischen Betrachtungen werden die Fixkosten überschätzt, in anderen Fällen werden sie ignoriert – je nach Argumentationsziel.

Selbstverständlich gibt es diese Fixkosten, aber ein sehr großer Teil der Kosten in Apotheken entsteht durch die Arbeit unmittelbar am Patienten. Eine gute Beratung dauert in einer kleinen Apotheke ebenso lange wie in einer viel größeren Apotheke. Darum ist der Effekt der Fixkosten begrenzt. Sie sind kein Wundermittel gegen alle Probleme. Viel größer ist der Unterschied zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern, weil der Versand manche Leistungen gar nicht erbringen kann und die Beratung über eine Hotline organisiert wird. Dort sollten durchaus Effizienzgewinne zugunsten des Systems zu realisieren sein. Der Vorschlag kann daher auch im Sinne einer unterschiedlichen Honorierung für Vor-Ort-Apotheken und Versender verstanden werden, wobei die drohenden Fehlanreize für Patienten und Krankenkassen über den neuen Sicherstellungsfonds verhindert werden können.

Keine langfristige Antwort

Was ist das Fazit für die Apotheken? Die Idee kann alles sein – von katastrophal bis hilfreich. So sehr wie bei kaum einer anderen Idee kommt es auf die Details an. Doch eines ist offensichtlich: Die Idee wird nicht das Grundproblem der Unterfinanzierung lösen. Das Konzept kann allenfalls nur noch etwas länger kaschieren, dass das System nur mit mehr Geld genügend Nachwuchs für die Zukunft gewinnen kann. Doch dieses Problem will die Politik offenbar weiter vertagen.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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