Nirmatrelvir plus Ritonavir

Pfizers Paxlovid punktet – auch gegen Omikron?

Stuttgart - 17.12.2021, 13:45 Uhr

Nirmatrelvir plus Ritonavir in Paxlovid verhinderte Krankenhauseinweisungen und Tod bei COVID-19-Patienten. (Foto: rarrarorro / AdobeStock)

Nirmatrelvir plus Ritonavir in Paxlovid verhinderte Krankenhauseinweisungen und Tod bei COVID-19-Patienten. (Foto: rarrarorro / AdobeStock)


Pfizer bestätigt in den finalen Studienergebnissen die sehr gute Wirksamkeit von Paxlovid bei Patienten mit COVID-19: 89 Prozent weniger Krankenhauseinweisungen und Tod. Der Wirkmechanismus von Nirmatrelvir lässt auch auf eine Wirksamkeit gegen Omikron hoffen.

Während Mercks Molnupiravir in der finalen Analyse enttäuschte – es wirkte gegen Hospitalisierung und Tod bei COVID-19 nur zu 30 statt 50 Prozent –, bestätigen die endgültigen Daten von Pfizers PaxlovidTM die Zwischenergebnisse vom November: Paxlovid reduzierte bei erwachsenen COVID-19-Hochrisikopatienten das Risiko für Krankenhauseinweisung und Tod um 89 Prozent verglichen mit Placebo. Zudem erhält der orale antivirale Wirkstoff PF-07321332 – in Paxlovid kombiniert mit Ritonavir als Booster – nun auch einen eigenen Trivialnamen: Nirmatrelvir.

89 Prozent weniger Krankenhauseinweisungen mit Nirmatrelvir

Pfizer untersuchte die Wirkung von Paxlovid mit 2.246 erwachsenen COVID-19-Hochrisikopatienten in einer Phase-2/3-Studie EPIC-HR (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in High-Risk Patients). Die nicht hospitalisierten COVID-19-Patient:innen erhielten innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn für fünf Tage Paxlovid, ausgewertet wurde am 28. Tag nach Randomisierung: Mit Paxlovid mussten 0,7 Prozent der Patient:innen in ein Krankenhaus eingeliefert werden, keiner verstarb. Unter Placebotherapie kamen hingegen 6,5 Prozent der COVID-19-Patient:innen ins Krankenhaus oder starben (44 von 682 Patient:innen hospitalisiert, neun Todesfälle) – womit eine fünftägige Paxlovid-Therapie das Risiko für Krankenhauseinweisung und Tod verglichen mit Placebo um 89 Prozent reduzierte.

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Ähnlich gut waren die Ergebnisse, wenn die Patient:innen Paxlovid nicht innerhalb von drei Tagen, sondern innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn einnahmen (sekundärer Endpunkt): 88 Prozent weniger Krankenhausweinweisung oder Tod (0,8 Prozent der Paxlovid-Patient:innen hospitalisiert [8/1.039], kein Todesfall vs. 6,3 Prozent Hospitalisierung oder Tod [66 von 1.046] mit zwölf Todesfällen unter Placebo). Noch ausgeprägter war der Effekt bei älteren Menschen: Bei Ab-65-Jährigen verhinderte Paxlovid Krankenhaus oder Tod zu 94 Prozent (1,1 Prozent der Paxlovid-Patient:innen mussten ins Krankenhaus [1 von 94], kein Todesfall vs. 16,3 Prozent der Placebopatient:innen [16 von 98], sechs Todesfälle).

Wie wirkt Paxlovid?

Paxlovid ist ein antivirales Arzneimittel, das zwei Wirkstoffe kombiniert: Nirmatrelvir (PF-07321332) plus Ritonavir. Nirmaltrelvir hemmt als SARS-CoV-2-3CL-Proteaseinhibitor die für die Vermehrung von SARS-CoV-2 wichtige Protease 3CL und stört dadurch die Virusvermehrung. Ritonavir ist zwar ebenfalls ein Virostatikum und wird in der Behandlung von HIV und Hepatitis C angewendet, jedoch wirkt es nicht antiviral gegen SARS-CoV-2. In Kombination mit Nirmatrelvir fungiert es als Booster für diesen Wirkstoff, denn: Es blockiert als CYP3A4-Inhibitor den Abbau von Nirmatrelvir und verlängert dadurch die Wirkdauer, sodass man geringer dosieren kann.

Kein Todesfall unter Nirmatrelvir

Insgesamt kam es unter Nirmatrelvir in Kombination mit Ritonavir zu keinem einzigen Todesfall, in der Placebogruppe verstarben zwölf Menschen (1,2 Prozent). Die antivirale Kombination reduzierte zudem die Viruslast (sekundärer Endpunkt) zehnfach stärker als Placebo, laut Pfizer die „stärkste Reduzierung der Viruslast, die bisher für einen oralen COVID-19-Wirkstoff berichtet wurde“.

Meist nur leichte Nebenwirkungen

Den Studiendaten zufolge ähnelten sich die Nebenwirkungsraten von Nirmatrelvir (23 Prozent) und Placebo (24 Prozent). Die meisten unerwünschten Arzneimittelwirkungen seien leichter Natur gewesen. Es gab unter Nirmatrelvir sogar weniger schwere Ereignisse (1,6 Prozent gegenüber 6,6 Prozent) und Studienabbrüche (2,1 Prozent gegenüber 4,2 Prozent).

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Die vollständigen Studiendaten hat Pfizer bereits der FDA mitgeteilt, die derzeit die Notfallzulassung von Paxlovid prüft. Auch der EMA liegen bereits Daten zu Paxlovid vor. Sie hat zudem am 16. Dezember Empfehlungen zur Anwendung von Paxlovid noch vor Marktzulassung ausgesprochen. Damit will sei eine wissenschaftliche Basis für die EU-Mitgliedstaaten liefern, wenn diese Paxlovid bei Patienten, denen es helfen könnten, noch vor Zulassung einsetzen möchten – so bei erwachsenen COVID-19-Patienten ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf und mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf. Sie sollten Paxlovid so schnell wie möglich – innerhalb von fünf Tagen nach der Diagnose – und für fünf Tage einnehmen.

Wie wird Paxovid dosiert?

Paxlovid wird mit einer Dosis von 300 mg (zwei 150-mg-Tabletten) Nirmatrelvir und einer Tablette à 100 mg Ritonavir zweimal täglich und das über fünf Tage verabreicht. Eine Schachtel enthält je fünf Blister für die Tagesdosen.

Wie sieht es bei der Wirksamkeit gegen Omikron aus?

Es gibt Hinweise, dass derzeit bereits zugelassene oder in späten Stadien der Forschung befindliche COVID-19-Arzneimittel gegen die Omikron-Variante wirkungslos oder zumindest weniger wirksam sein könnten, vor allem wenn sie als Angriffspunkt das Spikeprotein von SARS-CoV-2 adressieren, das bei Omikron mehr als 30 Mutationen aufweist. Pfizer gibt sich jedoch zuversichtlich, dass Paxlovid auch bei Omikron wirksam ist, da es nicht am Spikeprotein angreift, sondern intrazellulär wirkt.

Nirmatrelvir habe bereits eine konstante In-vitro-Wirksamkeit gegen die früheren Varianten alpha, beta, delta, gamma, lambda und mu gezeigt. Bei Omikron liegen nun Daten aus einem In-vitro-Assay vor, wo Nirmatrelvir die mit Omikron assoziierte 3CL-Protease laut Pfizer „stark“ hemmte. „Dies deutet auf das Potenzial von Nirmatrelvir hin, eine robuste antivirale Aktivität gegen Omikron zu entfalten“, erklärt Pfizer. Allerdings seien weitere Studien nötig und bereits im Gange.

Wirksamkeit von Paxlovid bei Coronapatienten ohne Risiko

Neben den bestätigenden Endergebnissen aus EPIC-HR mit Hochrisikopatient:innen hat Pfizer zeitglich auch Zwischenergebnisse aus EPIC-SR (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in Standard-Risk Patients) bekanntgegeben, die Nirmatrelvir plus Ritonavir mit ungeimpften COVID-19-Patient:innen ohne erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf und geimpften COVID-19-Patienten mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf untersucht. Auch hier konnte Paxlovid Krankenhauseinweisungen und Tod verringern, und zwar um 70 Prozent (sekundärer Endpunkt). Auch die Viruslast reduzierte sich um das Zehnfache verglichen mit Placebo, was den Ergebnisse aus EPIC-HR entspricht. Den primären Endpunkt (selbstberichtete, anhaltende Linderung aller Symptome an vier aufeinanderfolgenden Tagen, im Vergleich zu Placebo) riss die Studie jedoch.

Pfizer prüft Paxlovid auch zur Postexpositionsprophylaxe (EPIC-PEP, Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in Post-Exposure Prophylaxis), die Phase-2/3-Studie läuft seit September.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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