Kleinkinder

Kann man einen Fieberkrampf verhindern?

Waren (Müritz) - 05.01.2022, 17:50 Uhr

Bei drei Viertel der betroffenen Kinder mit einem Fieberkrampf werden Temperaturen über 39 °C gemessen. (x / Foto: Africa Studio / AdobeStock)

Bei drei Viertel der betroffenen Kinder mit einem Fieberkrampf werden Temperaturen über 39 °C gemessen. (x / Foto: Africa Studio / AdobeStock)


Blaue Lippen, Zittern, im schlimmsten Fall Bewusstseinsverlust: Hat ein Kleinkind einen Fieberkrampf, ist die Verunsicherung der Eltern meist so groß, dass sie einen Notarzt rufen. Viele von ihnen machen sich danach Vorwürfe, das Fieber nicht rechtzeitig gesenkt zu haben. Mittlerweile gilt es allerdings als erwiesen, dass die schnelle Gabe von Antipyretika einen Fieberkrampf nicht verhindern kann. Ein kurzer Überblick, was im Notfall zu tun ist.

Bis zu fünf von 100 Kindern erleiden mindestens einmal im Leben einen Fieberkrampf, meist zwischen dem sechsten Lebensmonat und dem sechsten Lebensjahr, mit einem Gipfel um das zweite Lebensjahr. Jedes dritte betroffene Kind erleidet ein Rezidiv. Je jünger es ist, desto höher ist das Risiko – da heißt es, vorbereitet zu sein.

Keine Form von Epilepsie

Fieberkrämpfe zählen nicht zum Krankheitsbild der Epilepsie, das durch das wiederholte Auftreten afebriler epileptischer Anfälle definiert ist. Es handelt sich dabei um eine altersabhängige Antwort des noch unreifen Zentralnervensystems (ZNS), verbunden mit einer erhöhten neuronalen Exzitabilität. Unklar ist, ob die absolute Höhe des Fiebers oder die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs entscheidend für das Auftreten von Fieberkrämpfen sind, wohl aber eher die maximale Temperatur. Bei Dreiviertel der betroffenen Kinder werden über 39 °C gemessen. Die häufigste Ursache für Fieberkrämpfe sind Virusinfektionen, insbesondere mit dem humanen Herpesvirus 6 (Drei-Tage-Fieber) oder Influenzaviren. Entgegen der landläufigen Meinung sind Fieberkrämpfe nach Impfungen mit einer Inzidenz von vier Krampfanfällen pro 100.000 Kindern sehr selten.

Erste-Hilfe-Maßnahmen

Im ersten Moment kann einen der Anblick des krampfenden Kindes panisch werden lassen. Doch im Notfall sind Ruhe und Besonnenheit gefragt – und ein prüfender Blick auf die Uhr. Die Dauer des Fieberkrampfes ist entscheidend für die Therapie. Die meisten Anfälle (mehr als 90 Prozent) sistieren innerhalb von drei Minuten von selbst (einfacher Fieberkrampf). Das Kind sollte in die stabile Seitenlage gebracht und darf auf keinen Fall geschüttelt werden. Nach ein bis zwei Stunden hat es sich meist vollständig erholt. Ist das Kind älter als zwölf Monate und nach dem Anfall klinisch unauffällig, besteht kein zwingender Grund für eine stationäre Aufnahme. Eine Kontrolle beim Kinderarzt sollte aber erfolgen.

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Ein Notarzt sollte unbedingt verständigt werden, wenn der Fieberkrampf länger als fünf Minuten dauert: Er gilt dann als „kompliziert“ und muss medikamentös durchbrochen werden. Dies gelingt durch die rektale Gabe von Diazepam oder die bukkale Gabe von Midazolam. Letzteres Benzodiazepin ist allerdings für Fieberkrämpfe ohne Epilepsie nicht zugelassen und darf somit nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs angewendet werden. Ob das Kind im Krankenhaus bleiben muss, hängt vom klinischen Befund ab. Kinder unter eineinhalb Jahren bleiben in der Regel einige Tage zur Beobachtung. In schweren Fällen werden Benzodiazepine auch intravenös gegeben (Lorazepam, Clonazepam). Derartige Ereignisse sind allerdings selten.

Für das nächste Mal gewappnet

In der Regel endet auch ein komplizierter Fieberkrampf glimpflich. Einfache Fieberkrämpfe haben nach dem ersten Mal oftmals sogar ihren Schrecken verloren. Es ist wichtig, die Eltern über das Risiko eines Rezidivs und das Vorgehen in diesem Fall aufzuklären und sie zu beruhigen. Populationsbasierte Untersuchungen beweisen, dass sich betroffene Kinder bis zum Schulalter bezüglich Intelligenz und Verhalten nicht von gesunden Kontrollen unterscheiden. Das Mortalitätsrisiko ist nicht erhöht.

Die aktualisierte S1-Leitlinie stellt klar, dass sich der Anfall durch eine schnelle Gabe von Paracetamol oder Ibuprofen in der Regel nicht aufhalten lässt. Möglicherweise können Antipyretika in üblicher Dosierung aber das Rezidivrisiko während des gleichen Infekts senken und zum Wohlbefinden des Kindes beitragen. Eine Übertherapie sowie ein zwanghaftes Messen der Körpertemperatur sind allerdings zu vermeiden. Um für einen weiteren Anfall gewappnet zu sein, hat sich die Verordnung von Zubereitungen mit Diazepam zur rektalen Anwendung bewährt. Kinder bis drei Jahre und einem Körpergewicht (KG) von 10 bis 15 kg erhalten 5 mg Diazepam, Kinder ab drei Jahren und ≥ 15 kg KG 10 mg. Eine Anpassung der Dosierung kann erforderlich sein. Zur Anwendung sollte das Kind möglichst in Bauch- oder Seitenlage gebracht werden. Wirksame Blutspiegel werden nach etwa zwei bis vier Minuten erreicht. Eine Alternative bietet im Einzelfall bukkales Midazolam.

Keine sinnvolle Prophylaxe bekannt

Ein aktueller Cochrane-Review beschäftigte sich mit der Frage, ob und wie die Rezidivrate für Fieberkrämpfe gesenkt werden kann. Mehrere Arzneimittel werden in diesem Zusammenhang diskutiert, darunter auch Antiepileptika. Doch weder Valproat noch Phenytoin konnten überzeugen. Ebenso wenig entfalteten Pyridoxin oder Zink eine Wirkung. Lediglich die intermittierende Gabe von Diazepam sowie die kontinuierliche perorale Gabe von Phenobarbital gingen mit einer Verringerung des Rezidivrisikos einher, allerdings waren die Effekte nach 60 bis 72 Monaten nicht mehr nachweisbar. Dem mäßigen Nutzen stehen Nebenwirkungen wie Ataxie, Verhaltensstörungen und Müdigkeit entgegen.

In Anbetracht der mäßigen Evidenz, der guten Prognose auch rezidivierender Fieberkrämpfe und des hohen Risikos unerwünschter Wirkungen werden Kinder heute selbst nach komplizierten Fieberkrämpfen nicht mehr dauerhaft medikamentös therapiert.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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