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- Das gefährliche Mantra ...
„Wir haben zu viele Apotheken in Deutschland“ – dieses Mantra hört man von Gesundheitsökonomen seit Jahren, so auch von David Matusiewicz. Auch nicht neu ist die These, dass die Digitalisierung zu einer in den Augen der Ökonomen nötigen Marktbereinigung führen wird. Doch damit macht es sich die Zunft der Wirtschaftswissenschaftler nicht nur viel zu leicht. Auf diese natürliche Selektion zu setzen, ist auch gefährlich. Ein Kommentar von DAZ-Chefredakteurin Julia Borsch.
Gesundheitsökonom und Digitalisierungsfachmann Professor David Matusiewicz erwartet, dass die digitale Transformation für die Apotheken einen radikalen Umbruch bedeuten wird. Wer nicht mitgeht, wird nicht überleben. Und ja, wenn man die Dinge einfach so laufen lässt, hat er mit großer Wahrscheinlichkeit recht. Die anstehende Marktbereinigung wird eine spürbare Reduktion der Apothekenzahlen mit sich bringen. Was der Ökonom mit einem Schulterzucken quittiert, weil es in seinen Augen ohnehin zu viele Apotheken gibt, ist aber aus Versorgungssicht ein großes Problem. Denn die platte Aussage „es gibt ohnehin zu viele Apotheken“, die vor Matusiewicz schon viele Ökonomen getätigt haben, greift viel zu kurz und wird der Komplexität der Sache nicht gerecht.
Für die Innenstädte deutscher Großstädte mag richtig sein, dass die Versorgung auch mit deutlich weniger Apotheken keinen Deut schlechter wäre. Insbesondere dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass besonders leistungsstarke Apotheken den Wandel überleben werden. Aber die Welt besteht nicht nur aus Innenstädten von Großstädten, wo Patient:innen freie Apothekenwahl im wahrsten Sinne des Wortes haben. Ganz im Gegenteil: Der große Teil der Menschen lebt in Stadtrandlagen oder auf dem Land. Und da macht sich das Apothekensterben der vergangenen Jahre schon jetzt bemerkbar, ohne dass die große digitalisierungsbedingte Marktbereinigung abgeschlossen ist. Ja vielleicht sogar, ohne dass sie wirklich schon begonnen hat. Aber in diesen Regionen ist die wohnortnahe Versorgung durch Apotheken bereits jetzt ernsthaft in Gefahr. Wenn die versorgungsrelevanten Apotheken einmal weg sind, sind sie weg. Das Rad wäre dann nur mit staatlichen Eingriffen zurückzudrehen.
Die Politik muss genau hinsehen
Auf die flächendeckende wohnortnahe Versorgung nimmt nämlich die digitalisierungsbedingte Selektion keine Rücksicht. Die Menschen haben nichts von einer Apotheke, die sich zwar neu erfunden hat, denn nur die werden Matusiewicz zufolge überleben, die aber 100 km weit weg ist.
Von daher wäre die Politik gut beraten, nicht dem Mantra der Ökonomen zu unterliegen, dass es ohnehin zu viele Apotheken gibt und den Markt dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, sondern genau hinzusehen und gegebenenfalls regulierend einzugreifen. Die Fähigkeit sich neu zu erfinden und möglichst digital aufzustellen, ist zwar eine auch für Apotheken positive Eigenschaft, sollte in Bereichen der Daseinsvorsorge aber auf jeden Fall nicht das Überlebenskriterium sein.
8 Kommentare
es gibt zu viele Apotheken...
von Janna-Luise Dickmann am 03.08.2022 um 8:56 Uhr
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zu viele Apotheken
von Ariane Maaß am 02.08.2022 um 9:41 Uhr
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zu viele Ökonomen
von Norbert Brand am 02.08.2022 um 8:36 Uhr
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Kommentar Frau Bosch
von Dr. Thomas Richter am 02.08.2022 um 8:12 Uhr
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AW: Scham
von Holger am 03.08.2022 um 8:32 Uhr
Cui bono ? Ein bisschen brainstorming....
von Thomas B am 02.08.2022 um 0:13 Uhr
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Die vielen Apotheken....
von Dr.Diefenbach am 01.08.2022 um 18:14 Uhr
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AW: Digitalisierungsfachmann
von Harald Schmidt am 01.08.2022 um 18:29 Uhr
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