BKK Dachverband fordert

Gegen Lieferengpässe – bessere Vorratshaltung in Apotheken statt erleichterter Abgaberegeln

Stuttgart - 16.08.2022, 09:15 Uhr

Apotheken sollten nicht nur verpflichtet werden, mindestens einen Vollsortimenter als Großhandel zu nutzen, sondern auch mindestens einen zweiten als „Back-up“, fordert der BKK Dachverband. (x / Foto: Westend61 / AdobeStock)

Apotheken sollten nicht nur verpflichtet werden, mindestens einen Vollsortimenter als Großhandel zu nutzen, sondern auch mindestens einen zweiten als „Back-up“, fordert der BKK Dachverband. (x / Foto: Westend61 / AdobeStock)


In einem Positionspapier fordert der BKK Dachverband, die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu stärken. Dazu macht er konkrete Vorschläge, um gegen Lieferengpässe vorzugehen, und richtet einen Großteil seiner Forderungen direkt an die einzelnen Apotheken: Deren Vorratshaltung hält der Verband offenbar für ausbaufähig – nicht zuletzt wegen des mittlerweile etablierten Botendienstes, durch den der Großhandel die Lagerhaltung für die Apotheken übernehme.

Der BKK Dachverband fordert in einem aktuellen Positionspapier, die „Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln zu stärken und die bereits gesetzlich vorhandenen Werkzeuge etwa aus dem Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) zu schärfen“. Dabei lenkt er erwartbar die Aufmerksamkeit weg von Rabattverträgen als mögliche Ursache für Lieferengpässe, hin zur Konzentration auf wenige Produktionsstätten weltweit. 

Der BKK Dachverband ist die politische Interessenvertretung von 68 Betriebskrankenkassen und vier BKK Landesverbänden mit nach eigenen Angaben über neun Millionen Versicherten.

Als eine Lösung der aktuellen Lieferengpass-Situation schlägt der BKK Dachverband vor, „die bislang geltende freiwillige Selbstverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen zu einer verpflichteten Meldung“ umzuwandeln. „Wir fordern also, ein Frühwarnsystem zu etablieren“, heißt es. Und: „Um all diese Informationen zu bündeln, könnten die Lieferschwierigkeiten in einer öffentlich zugänglichen Datenbank transparent abgebildet werden. Geeignet wäre die bereits existierende Lieferengpass-Datenbank des BfArM, die dahingehend schnell erweitert werden sollte.“

Mit der Forderung nach einem Frühwarnsystem ist der BKK Dachverband sich tatsächlich mit der Industrie einig: Erst Ende Mai hatte der Verband Pro Generika ein Frühwarnsystem für Engpässe bei unverzichtbaren Wirkstoffen gefordert. Anlass war der Tamoxifen-Versorgungsengpass, an dessen Beispiel sich ein Systemversagen gezeigt habe, weil niemand rechtzeitig wahrnahm, dass sich immer mehr Unternehmen aus der Versorgung zurückzogen. Pro Generika stehe als Verband bereit, „wenn sich die Politik des Themas annehmen will“, hieß es.

Apotheken kommen Verpflichtung zur Vorratshaltung nicht nach?

Weniger einig dürfte sich der BKK Dachverband allerdings mit den Apotheken sein. Denn er fordert, dass künftig bestehende oder zu erwartende Lieferengpässe auch von Großhändlern und Apotheken verpflichtend dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angezeigt werden sollen. Zudem seien die Vorgaben zur Vorratshaltung der Apotheken zu konkretisieren und vor allem ihre Einhaltung zu prüfen.

Im Februar 2020 hatte bereits der GKV-Spitzenverband (nicht erfolgreich) im Vorfeld des GKV-FKG auch für Apotheken Meldepflichten im Zusammenhang mit Lieferengpässen angeregt. Der BKK Dachverband meint nun auch, dass eine solche Pflicht helfen würde, schnell nachzuvollziehen, „an welcher Stelle ein Engpass besteht. Es würde etwa deutlich, ob es sich tatsächlich um einen Produktionsengpass oder um eine nicht optimale Bevorratung handelt.“

Denn ein wichtiger Punkt sei eben die Bevorratung in Apotheken: „Laut § 15 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sind Arzneimittel für mindestens eine Woche vorrätig zu halten.“ In Zeiten von Corona habe sich gezeigt, wie wichtig eine regelhafte und ausreichende Bevorratung unmittelbar in den Apotheken ist. „Allerdings scheinen Apotheken dieser Verpflichtung nicht regelhaft nachzukommen“, schreibt der BKK Dachverband. 

Vielmehr habe der mittlerweile dauerhaft etablierte Botendienst der Apotheken „dazu beigetragen, dass die Bevorratung auf den pharmazeutischen Großhandel verlagert wird, der die Lagerhaltung für Apotheken übernimmt“. Der BKK Dachverband hält deshalb regelmäßige Prüfungen inklusive Sanktionen bei Nichteinhaltung der Apotheken für angebracht. Eine bessere Vorratshaltung würde dann auch erleichterte Abgaberegelungen für Arzneimittel entbehrlich machen.

Mindestens einen Vollsortimenter als Großhandel

Doch damit nicht genug, der BKK Dachverband sieht noch mehr Verbesserungsbedarf bei den Apotheken: So könnten diese frei bestimmen, welchen und wie viele Großhändler sie beauftragten. „Wählen sie nur einen, der zudem kein Vollsortimenter ist, kann der Eindruck einer schlechteren Lieferfähigkeit entstehen. Das liegt dann aber an den Bestellkonditionen und Bestellorganisationen der einzelnen Apotheke, nicht aber daran, dass die Arzneimittel tatsächlich nicht verfügbar wären“, kritisiert der Verband. Deshalb sollten Apotheken nicht nur verpflichtet werden, mindestens einen Vollsortimenter als Großhandel zu nutzen, sondern auch mindestens einen zweiten als „Back-up“.

Mit dem Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz, das am 1. April 2020 in Kraft trat, hat das BfArM unter anderem die Befugnis erhalten, Daten und Informationen zu existierenden und drohenden Lieferengpässen von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern abzufragen. Liefern die Unternehmen die gewünschten Daten nicht, drohen ihnen Bußgelder. Wie der BKK Dachverband aber nun in seinem Positionspapier dazu erklärt, gibt es eine gesetzliche Verpflichtung zur umgehenden Information nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel zur stationären Versorgung. Er sieht also Nachbesserungsbedarf.

Seit dem 1. April 2020 kann das BfArM zudem Maßnahmen ergreifen, um versorgungsrelevante Engpässe abzuwenden oder abzumildern – etwa zur Kontingentierung. Und bei Arzneimitteln mit versorgungskritischen Wirkstoffen kann die Behörde seitdem eine Lagerhaltung anordnen. Bislang haben solche Änderungen die Apotheken aber nicht direkt betroffen, das würde der BKK Dachverband jetzt offenbar gerne ändern.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Kausalität überprüfen

von Dr. House am 18.08.2022 um 17:46 Uhr

Irgendwie erinnert mich das an den SPD Politiker der sich über zu weite Notdienstwege beschwert hat. That's Karma. Nur, dass die Betroffenen so gut wie nie bemerken, dass sie selbst Teil des Problems sind.

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Sommerloch bei den BBK

von KM am 18.08.2022 um 17:12 Uhr

Wenn die Verantwortlichen des BKK-Verbandes sich langweilen, können sie gerne mal bei uns vorbeikommen und die Defektlisten bearbeiten.
Wir versorgen sie dann mit Diclosalbe, natürlich die billigste wie gefordert, für die schmerzenden Finger nach unzähligen Tastaturanschlägen in der WaWi und am Telefon. Als Bonus bekommen sie die Möglichkeit, den Kunden die Kassenrabattverträge zu erklären und wieviel Geld man damit sparen kann.

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Fairness von den KKs?

von KM am 18.08.2022 um 17:11 Uhr

Dürfen die Apotheken bzw. die Apo-Verbände auch finanzielle Sanktionen gegen BKKs aussprechen, die Rabattverträge bewußt mit Firmen schließen, die gar nicht oder zu wenig liefern können?
Wir kassieren die Retaxe, weil irgendwann in der Hektik eine Sonder-PZN samt Erklärung und dreifacher Defektliste vergessen wurde. Aber wer schließt denn mit Superbilligfirmen diese Verträge überhaupt ab?
Ich kann auch bei permanenten Preisänderungen nicht jedesmal das Lager umbauen.
Das "Fair" aus dem Gesetz kann man gleich streichen, das gilt eh nicht für die KK-Seite.

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Vorratshaltung in Apotheken

von Dorf-Apothekerin am 17.08.2022 um 14:27 Uhr

ÜBERALL in der Wirtschaft werden Warenlager als treibender Kostenfaktor seit langem auf Null gefahren. In der Arzneimittelindustrie und bei den Großhandlungen ist die Null zwar nicht möglich, aber eine Reduktion seit Jahren deutlich erkennbar. Wie sonst sollen die rigorosen Sparmaßnahmen der Krankenkassen und die steigenden bürokratischen und betriebswirtschaftlichen Kosten incl. Löhnen, von denen sie selbst selbstverständlich ausgenommen sind, kompensiert werden. Wir sind ausgelutscht und da helfen jetzt auch keine ausländischen AM-Hersteller mehr. Im Gegenteil sie bringen die Luftnummer der Rabattverträge zum Platzen.
Um trotz Einsparungen zu überleben bietet der Großhandel Optimierungsmodelle an, die man nutzen kann aber nicht muß. Bei keinem GH würde ich heute noch von einem Vollsortimenter sprechen. Direktbestellungen mit Porto zu unseren Lasten haben immens zugenommen.Mittlerweile muß auch der GH den Druck nach unten weitergeben.
Die Verpflichtung zu einem noch größeren Warenlager kostet Arbeitsplätze (irgendwo muß das Geld ja auch herkommen) und bricht noch mehr Apotheken das Genick.
2Euro Rabatt, größeres Warenlager, Investitionen für die Präqualifizierung, darfs noch ein bißchen mehr sein?
Wann macht die ABDA endlich einen Punkt!!!!!!!!!
Seit 45 Jahren! helfen wir den KK zu sparen, so lange wie kein anderer Anbieter im Gesundheitswesen und mit Ergebnissen, die auf der untersten Ebene wohl keiner erbracht hat.
Die Politik wird ihre eigene Logik nicht aufgeben: "Wir wissen, dass wir bei AM nicht mehr sparen können, aber AM sind berechenbar, deshalb machen wir dort weiter".
Dieser Spruch ist ca. 20 Jahre alt.

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Problemlösung

von Holger am 17.08.2022 um 10:07 Uhr

Ist doch eher witzig, eine auf der Herstellerebene entstehende Problematik auf der Handelsebene lösen zu wollen. Für sehr kurzfristige Lieferengpässe von ein paar Tagen mag das ja funktionieren, aber wenn rTPA über ein ganzes Jahr nicht lieferbar sein wird - wann hätte ich denn anfangen sollen, diesen Jahresvorrat aufzubauen und wo soll ich den lagern??

Der Großhandel und die Apotheken sind doch eh schon verpflichtet, eine Lagerhaltung in definiertem Mindestumfang zu machen. Der einzige Player, der zu nix verpflichtet ist, ist der Pharmazeutische Unternehmer. Ich schlage vor, das von ihm verursachte Problem auch auf seiner Ebene zu lösen - zum Beispiel mit einer verpflichtend physisch einzulagernden Mindestmenge, beispielsweise einen Vierteljahresbedarf. Wälzen darf er das in eigener Verantwortung, aber Unterschreitungen dieser Menge sind unverzüglich der Behörde anzuzeigen und werden veröffentlicht. Das Bußgeld für Verstöße muss so hoch sein, dass auch der findigste Betriebswirt nicht auf die Idee kommt, es draufan kommen zu lassen ...

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Wie bitte?

von Stefan Haydn am 16.08.2022 um 20:05 Uhr

"Vielmehr habe der mittlerweile dauerhaft etablierte Botendienst der Apotheken „dazu beigetragen, dass die Bevorratung auf den pharmazeutischen Großhandel verlagert wird, der die Lagerhaltung für Apotheken übernimmt“

Soll man jetzt lachen oder weinen? Ich vermute zu verstehen, was er eigentlich meint. Aber seine Aussage mit "Botendienst" ist sinnfrei und offenbart nur totale Ahnungslosigkeit.

Die meisten Apotheken würde gerne mehr Lagerware bei Mangel vorhalten. Man möchte ja etwas zum Verkaufen haben. Alleine, es gibt halt nichts!

Haben können die Kassen alles, was sie für nötig und wichtig erachten.
Wenn....... ja wenn sie ausreichend dafür entlohnen.
Sonst bleibt nur Dienst nach Vorschrift (wie in der Kassenverwaltung auch)

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Engpässe

von Roland Mückschel am 16.08.2022 um 10:31 Uhr

Also ich bin über die treffende Analyse
der Engpässe durch die BKK-Führung
total begeistert.
Da bin ich mir total sicher dass sie die anderen Engpässe in Apotheken auch
bemerkt haben, nämlich Finanzen und Personal.
Da wird sicher sehr schnell ein Vorschlag von den kompetenten Kassen kommen,
Erhöhung unserer Honorare und Wegfall des KK Rabatts.

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