Personalmangel

So gelingt in Apotheken die Integration ausländischer Fachkräfte

Moers - 29.09.2022, 17:50 Uhr

Internationale Fachkräfte können mit der richtigen Integration eine echte Bereicherung für das Apothekenteam sein. (a / Foto: zinkevych / AdobeStock)

Internationale Fachkräfte können mit der richtigen Integration eine echte Bereicherung für das Apothekenteam sein. (a / Foto: zinkevych / AdobeStock)


In den letzten drei Jahren hat sich der Mitarbeitermangel in der Apothekenbranche drastisch verschärft. Die Suche nach neuen Fachkräften läuft auf Hochtouren, Kräfte aus dem Ausland könnten helfen. Doch wo findet man seriöse und professionelle Mitarbeiter:innen und wie kann man sie bei der Eingliederung erfolgreich unterstützen?

Der Fachkräftemangel in der Apothekenbranche herrscht nicht erst seit 2022. Unflexible Arbeitszeiten, die mangelnde Work-Life-Balance, wenige Aufstiegschancen und die immer mehr werdenden Anforderungen an das technische Know-how sowie Diskussionen um Rabattverträge und Preise sind nur einige der Themen, die Arbeitgeber:innen dazu zwingen, immer besser zu bezahlen und sich immer weitere Benefits und Karrierechancen zu überlegen, um als attraktive Arbeitgeber:innen Chancen zu haben. 

Die Pandemie hat viele Möglichkeiten weiter erschwert und ein nicht kleiner Teil der Mitarbeiter:innen hat sich genau in dieser Zeit eine neue Branche gesucht. Die ABDA prognostiziert, dass bis 2029 10.000 Fachkräfte fehlen. 

Doch mit Approbierten aus Deutschland ist das Problem nicht zu lösen. Darüber sind sich alle einig. Das erfolgreiche Recruiting von Kräften aus dem Ausland oder jenen, die bereits in Deutschland sind und hier abschließen, wird also überlebenswichtig sein. Doch wie geht man dabei am besten vor? 

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10 Tipps, um die Integration von ausländischen Fachkräften zu fördern:

1. Lernen Sie sich gut kennen 
Lernen Sie sich fachlich und persönlich gut kennen. Geben Sie dabei einen Einblick in Ihre Persönlichkeit und Mentalität. Das gilt für Fachkräfte aus dem Ausland umso mehr, denn sie bringen oftmals andere Erfahrungen und Einstellungen mit. Fragen Sie nach den Vorstellungen über die neue Aufgabe und auch, welche Starthilfen sie sich wünschen. Welche Hierarchien und Entscheidungsprozesse ist der/die potenzielle neue Mitarbeiter:in gewohnt und – auch wichtig – wie ist seine/ihre private Einbindung in Deutschland? Erzählen Sie von der deutschen Kultur und der Mentalität in Ihrem Unternehmen. Es erleichtert den Start und erhöht die Motivation, wenn Familie oder Partner:in dabei sind oder zumindest deutsche Freunde auf den Neuankömmling warten. Wenn Sie wissen, welche Hobbys jemand hat, können Sie an Ort und Stelle schon ein Event organisieren oder nach entsprechenden Vereinen in der Nähe suchen. Für das Kennenlernen auf Entfernung eignen sich Medien wie Skype, Facetime oder Zoom noch besser als nur das Telefon. 

2. Sprache fördern 
Fördern Sie das Lernen der Sprache über den Standard hinaus. Melden Sie neue Mitarbeiter bereits im Herkunftsland zu Intensiv-Sprachkursen an und übernehmen Sie die Kosten. Am besten geeignet sind dafür Institute, die den Spracherwerb später bei Ihnen fortführen. Eine geeignete Stelle kann z. B. das Goethe Institut sein. 

3. Bereiten Sie sich und das Team vor 
Gerade in Unternehmen, in denen zugewanderte Fachkräfte noch ein Novum sind, ist es förderlich, wenn alle sich auf den neuen Kollegen oder die neue Kollegin vorbereiten. Die Unternehmensleitung muss ihre Position klar kommunizieren und die Mitarbeiter einbinden: Wer könnte als Mentor oder Pate zur Verfügung stehen und ihm oder ihr Orientierungshilfe geben? Wovor hat Ihr Team Angst, was verunsichert Mitarbeiter:innen und wie können Sie entgegensteuern? Überlegen Sie gemeinsam, was für eine gelungene Integration wichtig wäre. Überlegen Sie auch mal: Wo besteht bereits Erfahrung mit Diversität? Wo ist die Integration von Ausländern schon gelungen? Daraus lassen sich mindestens einzelne Teile übernehmen und für die Zukunft sogar ein paar Standards entwickeln, die bei der Integration ausländischer Fachkräfte eingehalten und ausgeführt werden können. 

4. Wichtige Informationen sortieren 
Wertvolle Informationen auf einen Blick können den Start in Deutschland erleichtern. Normalerweise hat die oder der „Neue“ in den ersten Tagen nicht nur einen gewaltigen Informationsbedarf; sie oder er ist auch einer Fülle von Informationen ausgesetzt. Die Flut von Eindrücken und neuem Wissen ist bei ausländischen Mitarbeitern hoch, sodass die Gefahr besteht, dass wichtige Informationen untergehen. Eine Info-Mappe kann in Ruhe studiert werden und ein erneutes Nachlesen wird ermöglicht. Einmal gut vorbereitet, brauchen die Inhalte kaum an neue Mitarbeiter angepasst zu werden. Zugleich symbolisiert ein solches Informationspaket die gelebte Willkommenskultur. Die Mappe sollte daher zur Orientierung in der neuen Wahlheimat dienen und Informationen über das Unternehmen und zu den ersten Schritten vor Ort bieten. 
Die Mappe sollte außerdem Informationen enthalten über: Ämter, die zu besuchen sind, nötige Unterlagen, Kultur- und Freizeitangebote, Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung sowie Banken. Legen Sie doch eine Handy-Prepaidkarte bei, mit einem Ortstarif für die ersten Tage.

5. Erwartungen kommunizieren & Feedback geben 
Ein offenes Miteinander schafft das Vertrauen, das den Grundstein für eine lange Zusammenarbeit legt. Ausländische Fachkräfte kommen mit anderen Erfahrungen und Hintergründen in deutsche Unternehmen. Genau wie bei Ihren sonstigen Mitarbeiter:innen ist es wichtig, dauerhaft im Gespräch zu bleiben. Gehen Sie besonders am Anfang sehr regelmäßig ins Vier-Augen-Gespräch, geben Sie positives Feedback und sprechen Fehler und nicht erfüllte Erwartungen offen an. So bemerken Sie Unterschiede im Verständnis schnell und können dieses anpassen. Bleiben Sie dabei menschlich und achten Sie darauf, dass Integration Zeit braucht. Ein neues Land, neue Kollegen und ein neues soziales Umfeld sind eine große Veränderung und verlangen den Menschen viel ab.  

6. Einen geschützten Raum schaffen 
Als Arbeitgeber müssen Sie die Kosten für die VISA Gebühren übernehmen und für die erste Zeit einen Wohnraum organisieren. Dieser Wohnraum sollte eine echte Meldeadresse sein. Mieten Sie deshalb keine Pension an, sondern eine kleine Wohnung. Zum einen hat Ihr Neuankömmling viel erlebt und braucht einen geschützten Raum, zum anderen dient die Adresse als Meldeadresse und Hotel- oder Pensionsadressen werden nicht immer akzeptiert. Achten Sie auch darauf, dass es möglich ist, erste Freunde und Bekanntschaften hierhin einzuladen. All dies dient der Integration. Wohnraum wird sowieso immer mehr als Benefit für attraktive Arbeitgeber interessant. 

7. Finanzielle Gleichstellung 
Außerdem sollten Fachkräfte aus dem Ausland finanziell mit deutschen Kollegen gleichgestellt werden. Geraten Sie nicht in Versuchung und stufen Sie nicht gehaltstechnisch herab. Diversity ist eines der Schlagworte, wenn neue Generationen nach Arbeitgebern suchen. In einem späteren Gespräch müssten Sie ein niedrigeres Gehalt irgendwie verargumentieren.   
Ein Zuschuss für die Reisekosten nach Deutschland ist vorteilhaft, um das Top-Personal aus dem Ausland zu begeistern. Klären Sie auch ab, ob derjenige eventuell nochmal „zurück“ muss, um evtl. Familienangelegenheiten zu erledigen, oder ob es sogar Familienangehörige gibt, die noch nachkommen. Dafür sollten Sie Urlaubszeiten einräumen und ggfs. bei der Buchung und Planung unterstützen. 

8. Die Führungskraft als Vorbild 
Führungskräfte repräsentieren nicht nur die Willkommenskultur des gesamten Unternehmens, sie geben auch die Leitlinien für die Umsetzung in der Praxis vor. Oft gilt hierbei das Motto: „Andere Länder, andere Sitten“, welches sich in Gesprächen dann in einer unterschiedlichen Mimik, Gestik, oder veränderten Sprache ausdrückt. Achten Sie darauf, dass Sie sich jedem Mitarbeiter gleich gegenüber verhalten, auch denen, die gerade neu dazugekommen sind. Tun Sie sich mit Kollegen aus anderen Apotheken zusammen und bilden Sie Austauschgruppen speziell zu diesem Thema. Sie können so für Vernetzung der ausländischen Mitarbeiter sorgen und sich gegenseitig Feedback im Umgang mit der neuen Situation geben.  

9. Achtung der religiösen Besonderheiten 
Die Beachtung der jeweiligen kulturellen und religiösen Besonderheiten im Arbeitsalltag ist ein wichtiger Bestandteil der Anerkennung von Migranten. Strategien und Leitlinien nützen nichts, wenn die Achtung im täglichen Umgang fehlt. Der Ansatz der Willkommenskultur geht über gesetzliche Verpflichtungen zur Gleichbehandlung hinaus. Es geht um die aktive Förderung des „Sich-Wohlfühlens“ im Unternehmen, die oft bereits mit kleinen Dingen bewirkt werden kann. Eine Möglichkeit, wie der interreligiöse Dialog im Unternehmen gefördert werden kann, ist das gemeinsame Begehen eines „Abrahamtags“. Da Abraham im Judentum, Christentum und Islam gleichermaßen ein Glaubensvorbild ist, bietet er sich als Namensgeber an. An diesem Tag kann durch das Kennenlernen und gemeinsame Begehen der jeweils anderen Religion ein toleranter und offener Umgang gelebt werden. Natürlich sollte auch auf Firmenfeiern auf die unterschiedlichen Bedürfnisse geachtet werden. Gleichzeitig sollten Unternehmen im Blick behalten, dass die gewählten Maßnahmen nicht die Ausgewogenheit und das Gleichgewicht im Unternehmen stören. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erlaubt zwar sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlungen unter den Mitarbeitern, jedoch sollte die Förderung neuer Arbeitnehmer nicht zur Unzufriedenheit der Stammbelegschaft führen. 

10. Kommunikation im Handverkauf 
Die Gesprächsrhetorik und Umgangssprache im HV stellt ausländische Mitarbeiter besonders am Anfang oft vor eine große Herausforderung. In welcher Reihenfolge wird was gesagt? Ist diese Frage zu viel, oder zu wenig? Eher Diskretion oder noch etwas mehr sagen? Ist es gut noch etwas dazu zu verkaufen oder lieber nicht? Und was mache ich, wenn ein Kunde unzufrieden ist, oder ich erst etwas nachschauen muss? Was für Sie und Ihr Team vielleicht schon selbstverständlich ist, stellt diese Mitarbeiter:innen, fachlich, rhetorisch und kulturell vor viele Fragen. Hier haben Sie zwei Möglichkeiten: Stellen Sie jemanden aus Ihrem Team zur Seite, der fit ist und das nötige Fingerspitzengefühl hat, wann es heißt, sofort zur Stelle zu sein und einzugreifen und wann eine Besprechung von Situationen im Nachhinein sinnvoll ist. Oder Sie stellen eine Grundlagenschulung zum Thema Kundenkommunikation zur Verfügung. Die tut vielleicht ihrem ganzen Team gut, sorgt dafür, dass das Team mit dem neuen Mitarbeiter enger zusammenkommt und keine Scham entsteht, sondern Erfahrungen ausgetauscht werden und mehr und mehr alle auf den gleichen Stand kommen. Auch Individualcoachings können schnell helfen, Ängste und Verunsicherungen aufzulösen. Suchen Sie hier auf jeden Fall jemanden, der Erfahrung bei der Integration hat.  

Bleiben Sie bei alldem auf Augenhöhe mit den neuen Talenten, die zu Ihnen kommen. Immerhin konkurrieren Sie nicht nur mit Ihren Kollegen untereinander, sondern auch um die besten Kräfte aus dem Ausland.  

Ein spannendes Projekt ist „Make it in Germany“. Hier können Sie unabhängig Ihre Anzeigen einstellen. Besonders der medizinische Bereich und nach und nach immer mehr Pharmazeut:innen finden hier ihre Stellen. 

Doch ein wichtiger Tipp zum Schluss: Sprechen Sie Ihre Mitarbeiter an, die aus dem Ausland gekommen sind und bilden Sie ein eigenes kleines Netzwerk dort. Dafür können Sie sich mit anderen Kolleg:innen zusammen tun. Durch Vermittler dort, werden Sie so schnell auf Fachkräfte aufmerksam gemacht, die gerne nach Deutschland kommen möchten und können direkt ins Netzwerken und Kennenlernen gehen. Auch dort spricht sich zügig rum, wer hier in Sachen Integration die Nase vorne hat.  


Anna Schatz, Autorin und Kolumnistin
redaktion@daz.online


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