Rezeptur

Physiogel: Klinge Pharma bietet zwei neue Dermatika-Grundlagen

Stuttgart - 11.10.2022, 09:15 Uhr

Was ist bei der Verarbeitung der zwei neuen Physiogel-Rezepturgrundlagen zu beachten? (x / Bild: Schelbert, Physiogel / Montage: PTAheute.de)

Was ist bei der Verarbeitung der zwei neuen Physiogel-Rezepturgrundlagen zu beachten? (x / Bild: Schelbert, Physiogel / Montage: PTAheute.de)


Seit kurzem gibt es zwei neue Physiogel-Basiscremes zur Anfertigung von halbfesten Zubereitungen. Welche Wirkstoffe können mit den Grundlagen verarbeitet werden?

Die Firma Klinge Pharma bietet zwei neue Dermatika-Grundlagen zur Herstellung von Rezepturen in der Apotheke an: Es handelt sich dabei um Physiogel Basis Leichte Creme und Physiogel Basis Reichhaltige Creme. Beide Rezepturgrundlagen gelten als Kosmetika. 

Die beiden neuen Produkte enthalten keine Duft- oder Farbstoffe, Silikone oder Paraffine und kommen auch ohne klassische Konservierungsmittel sowie Emulgatoren aus. Die Leichte Creme hat einen Lipid-Anteil von 8 Prozent, bei der reichhaltigen Creme liegt dieser mit 30 Prozent deutlich höher. Beide Grundlagen weisen einen hautverträglichen pH-Wert zwischen 4,6 und 6,8 auf.

Bestandteile unter hohem Druck zu lamellaren Strukturen verpresst 

Die Physiogel-Rezepturgrundlagen liegen in einer lamellaren Struktur vor und ähneln damit dem Aufbau der hauteigenen Lipide. Im Stratum corneum der Epidermis, also der obersten Hautschicht, sind solche lamellaren Strukturen ebenfalls vorhanden und wesentlich an der Barrierefunktion der Haut beteiligt. Diese Lipid-Doppelschichten bestehen überwiegend aus einem Gemisch aus Ceramiden, Cholesterol und freien Fettsäuren.

Was sind Ceramide?

Chemisch gesehen handelt es sich bei den Ceramiden um eine zu den Lipiden zählende Untergruppe der Sphingolipide. Sie bestehen aus einem langkettigen, ungesättigten Aminoalkohol, der über eine Amidbindung an eine Fettsäure gebunden ist. 

Ceramide bilden im Stratum corneum aufgrund ihrer amphiphilen Struktur Lipid-Doppelschichten. Durch die so entstehende Barrierefunktion schützen sie die Haut vor dem Austrocknen und dem Eindringen von Fremdstoffen. 

Werden nun Creme-Grundlagen mit lamellarer Struktur auf die Haut aufgetragen, können sich diese in die Struktur der Haut einfügen und die Barrierefunktion unterstützen.

In den Physiogel-Grundlagen wird als Emulgator Phosphatidylcholin verwendet, ein hautverwandtes Lipid. Das amphiphile Molekül findet als hydrophiler Emulgator Verwendung: Es kann entsprechende Creme-Grundlagen stabilisieren und gleichzeitig die Hautfunktion unterstützen.

Synthetische Emulgatoren – vor allem vom Polyethylenglycol-Typ – schwächen indes die Barrierefunktion der Haut, indem sie die lamellare Anordnung der Lipide stören. Dadurch kann es beim Kontakt mit Wasser zu einem sogenannten Auswascheffekt kommen: Die natürlichen Fette der Haut vermischen sich mit den Emulgatoren und werden regelrecht ausgewaschen.

Die Herstellung der Physiogel-Grundlagen erfolgt nach einem speziellen galenischen Verfahren, bei dem alle Bestandteile unter hohem Druck über eine längere Dauer zu lamellaren Strukturen verpresst werden. Durch diese patentierte BioMimetic-Technologie können entsprechende Grundlagen erhalten werden.

Analysenzertifikate und Identitätsprüfung der neuen Grundlagen

Bei den Physiogel-Basiscremes handelt es sich um Kosmetika, die auf Grundlage der EU-Kosmetik-Verordnung in den Verkehr gebracht werden. Bei kosmetischen Mitteln sind die Qualitätsanforderungen an die Reinheit der verwendeten Substanzen meist weniger streng, zudem liegt häufig kein Prüfzertifikat nach Apothekenbetriebsordnung vor.

Kosmetika dürfen daher nur zur Herstellung von Rezepturen verwendet werden, wenn sie in Arzneibuchqualität hergestellt worden sind und diese Qualität durch ein entsprechendes Prüfzertifikat nachgewiesen werden kann. Das Prüfzertifikat muss in der Apotheke bei der Eingangskontrolle von Ausgangsstoffen überprüft werden und sollte folgende Kriterien erfüllen:

  • Die Herstellerfirma garantiert den Einsatz von Ausgangsstoffen in pharmazeutischer Qualität.
  • Das Prüfzertifikat entspricht den Angaben einer gültigen Monographie (Ph. Eur., DAB, DAC) und den allgemeinen Vorschriften des Arzneibuchs. Die mikrobiologische Qualität und Grenzwerte hinsichtlich Restlösemittel- und Schwermetallkonzentrationen müssen eingehalten und nachgewiesen werden.
  • Alle Vorgaben der Monographie müssen auf dem Prüfzertifikat aufgelistet und mit einem eindeutigen Untersuchungsergebnis versehen sein.
  • Die Chargenbezeichnung auf dem Gefäß stimmt mit der Chargenbezeichnung auf dem Prüfzertifikat überein.
  • Das Prüf- und Verfalldatum sowie die Lagerbedingungen sind angegeben.
  • Das Prüfzertifikat muss von einer sachkundigen Person (Qualified Person) nach Arzneimittelrecht unterschrieben sein.

Zu den Physiogel-Rezepturgrundlagen können von der Herstellerfirma entsprechende Analysenzertifikate angefordert werden. Nach Kontrolle des Prüfzertifikats muss in der Apotheke noch die Identität der Grundlagen überprüft werden, auch dazu bietet Klinge Pharma Empfehlungen an (siehe Kasten).

So funktioniert die Identitätsprüfung 

Zunächst werden beide Grundlagen organoleptisch beurteilt. Dazu wird eine ungefähr erbsengroße Menge an Probe auf einer geeigneten Oberfläche aufgetragen. Die Zubereitung muss in glänzender, homogener Form und weißer Farbe vorliegen, sie ist geruchlos oder riecht nach Propylenglycol. 

Weiterhin kann der pH-Wert mithilfe eines geeigneten und kalibrierten pH-Meters bestimmt werden. Der gemessene Wert sollte bei beiden Grundlagen zwischen pH 4,6 und pH 6,8 liegen. 

Ob Kosmetika zur Herstellung von Arzneimitteln geeignet sind, liegt letztlich im Ermessen der Apotheke. Diese muss entscheiden, ob durch die Prüfungen die Identität der Grundlage eindeutig nachgewiesen werden kann. Bestehen hinsichtlich der Eignung des Prüfzertifikats oder der Identitätsprüfung Zweifel, so darf das entsprechende Produkt nicht zur Arzneimittelherstellung eingesetzt werden.

Fragen zur Kostenübernahme

Bei der Verwendung von kosmetischen Grundlagen zur Herstellung von Arzneimitteln tauchen immer wieder auch Fragen zur Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf.

Hat die Apotheke die Eignung des Kosmetikums zur Rezepturherstellung überprüft, sollte es bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung keine Probleme mit der GKV geben. Bei einem Erwachsenen muss dazu ein verschreibungspflichtiger Wirkstoff oder ein Wirkstoff der OTC-Ausnahmeliste verarbeitet werden. 

Rezepturempfehlungen zu gängigen Arzneistoffen

Vor der Herstellung einer Rezeptur muss die Apotheke auch die Verträglichkeit aller Inhaltsstoffe untereinander überprüfen, denn gerade bei Individualrezepturen tauchen immer wieder Inkompatibilitäten auf. 

Viele Hersteller kosmetischer Grundlagen bieten Rezepturempfehlungen an. Die darin genannten Wirkstoffe wurden in der angegebenen Konzentration über einen bestimmten Zeitraum auf ihre galenische Stabilität hin untersucht. Diese Rezepturempfehlungen gibt es auch für Physiogel Basis Leichte Creme und Physiogel Basis Reichhaltige Creme.

Gängige Arzneistoffe wie Harnstoff, Salicylsäure, Polidocanol, Erythromycin und Metronidazol wurden getestet und können mit den Grundlagen verarbeitet werden. Auch die Glucocorticoide Mometasonfuroat und Prednicarbat sind geeignet. Lediglich beim Einarbeiten von Erythromycin 4 Prozent und Octenidindihydrochlorid in die Leichte Creme kam es zu Problemen bei der Stabilität.

Übrigens: Bei der Verarbeitung mit automatischen Rührsystemen sind niedrige Rührgeschwindigkeiten zu bevorzugen, damit der lamellare Aufbau der Grundlagen nicht verändert wird. 


Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.