Bei COPD-ähnlichen Symptomen

Langwirksame Bronchodilatatoren für (Ex-)Raucher?

Stuttgart - 07.11.2022, 15:15 Uhr

Mit Packungsjahren kann man den Tabakkonsum von Rauchern einschätzen. Dabei entsprechen z. B. zehn Packungsjahre dem Konsum einer Packung Zigaretten pro Tag über zehn Jahre oder dem Konsum von zwei Packungen pro Tag über fünf Jahre. (Foto: Ljupco Smokovski / AdobeStock)

Mit Packungsjahren kann man den Tabakkonsum von Rauchern einschätzen. Dabei entsprechen z. B. zehn Packungsjahre dem Konsum einer Packung Zigaretten pro Tag über zehn Jahre oder dem Konsum von zwei Packungen pro Tag über fünf Jahre. (Foto: Ljupco Smokovski / AdobeStock)


Aktive und ehemalige Raucher mit klinisch relevanten respiratorischen Symptomen werden oft mit langwirksamen Bronchodilatatoren behandelt, trotz fehlender spirometrisch ermittelter Atemwegsobstruktion. Die Evidenz hierfür fehlt bislang. In einer US-amerikanischen Studie wurde die Therapie mit Indacaterol und Glycopyrronium bei dieser Patientengruppe untersucht. Eine signifikante Verbesserung von respiratorischen Symptomen blieb aus.

Tabakrauchen stellt den häufigsten Risikofaktor für eine chronisch ob­struktive Lungenerkrankung (COPD) dar [2]. Ob eine Obstruktion der Atemwege vorliegt oder nicht, kann mithilfe einer spirometrischen Lungenfunktionsmessung untersucht werden. COPD ist charakterisiert durch einen verringerten Quotienten aus forcierter Ein­sekundenkapazität (FEV1) zu forcierter Vitalkapazität (FVC) nach Anwendung eines Bronchodilatators. Als Basistherapie der COPD hat sich die duale Anwendung von langwirksamen Muscarin-Antagonisten (LAMA) und langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) etabliert.

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Weitere Symptome der COPD können Dyspnoe, chronischer Husten, chronische Sputumproduktion und Exazerbationen sein. Diese treten allerdings auch bei aktiven und ehemaligen Rauchern mit erhaltener Lungenfunktion auf. Obwohl bei ihnen keine Atemwegsobstruktion vorliegt, werden sie häufig ebenfalls mit langwirksamen Bronchodilatatoren behandelt.

Studie mit Indacaterol und Glycopyrronium über zwölf Wochen

Die multizentrische, verblindete, randomisierte, placebokontrollierte Studie RETHINC untersuchte die Wirksamkeit der Kombination Indacaterol (27,5 µg) und Glycopyrronium (15,6 µg) gegen Placebo bei jeweils zweimal täglicher Anwendung über zwölf Wochen. Die Studienteilnehmer im Alter von 40 bis 80 Jahren waren aktive oder ehemalige Raucher und hatten einen kumulativen Tabakkonsum von mindestens zehn Packungsjahren. Sie wiesen respiratorische Symptome auf, definiert als zehn und mehr Punkte im COPD Assessment Test, sowie eine erhaltene Lungenfunktion. Bei ihnen lag der Quotient aus FEV1 zu FVC bei ≥ 0,70 und die FVC bei ≥ 70 % des Vorhersagewerts nach Anwendung eines Bronchodilatators. Von der Studie ausgeschlossen wurden Personen, die Asthma oder eine andere bekannte Lungenerkrankung hatten, sowie Personen, die bereits eine inhalative Therapie mit z. B. LAMA, LABA oder eine Fixkombination aus LABA und inhalativem Glucocorticoid erhielten und bei denen kein 30-tägiges Washout möglich war. Die bedarfsweise Anwendung von kurzwirksamen Beta-2-Agonisten war während der gesamten Studiendauer erlaubt. 

Die 535 Teilnehmer wurden im Verhältnis 1 : 1 zufällig auf die Indacaterol-/Glycopyrronium-Gruppe und die Placebogruppe verteilt. Primärer Endpunkt der Studie war eine Reduktion um mindestens vier Punkte auf der Skala des Saint George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) nach zwölf Wochen (je höher der SGRQ-Wert, desto schlechter der Gesundheitszustand). Der primäre Endpunkt wurde nur erreicht, wenn keine Verschlechterung der Atemwegssymptome auftrat, die mit einem langwirksamen Bronchodilatator, einem Antibiotikum oder einem Glucocorticoid behandelt werden musste.

Keine Überlegenheit gegenüber Placebo, keine Empfehlung

In der modifizierten Intention-to-treat-Gruppe (n = 471) zeigten 128 von 227 Teilnehmern der Verumgruppe (56,4 %) und 144 von 244 Teilnehmern der Placebogruppe (59,0 %) eine Verbesserung um mindestens vier Punkte im SGRQ-Score (Differenz -2,6 %; 95%-Konfidenzintervall [KI] = -11,6 bis 6,3; adjustierte Odds Ratio (aOR) = 0,91; 95%-KI = 0,60 bis 1,37; p = 0,65). Die durchschnittliche Veränderung des vorhergesagten, prozentualen FEV1-Werts betrug 2,48 % (95%-KI = 1,49 bis 3,47) in der Behandlungsgruppe und -0,09 % (95%-KI = -1,06 bis 0,89) in der Placebogruppe. Die Inspirationskapazität veränderte sich im Mittel in der Behandlungsgruppe um 0,12 l (95%-KI = 0,07 bis 0,18) und in der Placebogruppe um 0,02 l (95%-KI = -0,03 bis 0,08).

Die geringe Differenz der Ergebnisse beider Gruppen zeigt keinen signifikanten Effekt durch die Behandlung. Daher kann der Einsatz von Bronchodilatatoren für die untersuchte Patientengruppe nicht empfohlen werden. 

Würde höhere Dosis von Indacaterol und Glycopyrronium helfen?

Die Studie weist mehrere Limitationen auf, darunter die geringe Dosierung von zweimal täglich 27,5 µg Indacaterol und 15,6 µg Glycopyrronium. Diese bezieht sich auf die zugelassene Dosierung in den USA. In Europa ist die Dosierung mit 85 µg Indacaterol und 43 µg Glycopyrronium einmal täglich höher. Zusätzlich könnte die Behandlungsdauer von zwölf Wochen zu kurz gewesen sein, um eine Verbesserung der Symptome zu erreichen.


Literatur

[1] Han MK et al. Bronchodilators in Tobacco-exposed persons with symptoms and preserved lung function. NEJM 2022;387(13):1173-1184, doi: 10.1056/NEJMoa2204752

[2] Diagnose, Management und Prävention von COPD, Pocket-Leitfaden. Leitfaden der Globalen Initiative für chronisch-obstruk­tive Lungenkrankheiten, Stand: 2017, goldcopd.org/wp-content/uploads/2016/04/wms-GOLD-2017-German-Pocket-Guide.pdf


Sophie Schrade, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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