Mit Zuversicht in die Digitalisierung

Mehr Verantwortlichkeit durch neue Regeln für die Gematik

Stuttgart - 25.04.2023, 13:45 Uhr

Der ehemalige Gematik-Abteilungsleiter Marl Langguth gab bei der INTERPHARM Einblicke in die Arbeit der Gematik. (Foto: Hahn/DAZ)

Der ehemalige Gematik-Abteilungsleiter Marl Langguth gab bei der INTERPHARM Einblicke in die Arbeit der Gematik. (Foto: Hahn/DAZ)


Mit der neuen Digitalstrategie des Bundes soll die Gematik die umfassende Verantwortlichkeit für ihre Projekte bekommen. IT-Berater Mark Langguth sieht darin eine gute Voraussetzung für die künftige Digitalisierung, wie er bei der INTERPHARM online erläuterte. Für die Apotheken erwartet er Erleichterungen und schnellere Abläufe, wenn sich das E-Rezept und andere Anwendungen der TI eingespielt haben.

Wie die Gematik arbeitet, weiß IT-Berater Mark Langguth, der dort früher als Abteilungsleiter tätig war, aus eigener Erfahrung. In seinem Vortrag bei der INTERPHARM Apotheke&Wirtschaft am vergangenen Freitag erklärte Langguth, dass die Gematik als beliehenes Unternehmen im staatlichen Auftrag tätig ist und daher auch einer Amtshaftung unterliegt. Die wesentliche Aufgabe der Gematik ist die Entwicklung von Projekten für die Telematikinfrastruktur (TI). Bis 2019 beruhte dies auf den Vorgaben der Selbstverwaltung. Aus den Vorgaben erstellt die Gematik Anforderungen an die Softwareindustrie, die wiederum die Produkte entwickelt. Diese werden an die Nutzer, also Ärzte und Apotheken, verkauft. 

Da die Anforderungen in Gesetzen niedergelegt werden, dauert dies alles Jahre, auch bei Änderungen. Daneben orientieren sich die Praxisverwaltungssysteme der Ärzte und die Warenwirtschaftssysteme der Apotheken an anderen Anforderungen. Diese Systeme müssen zwar gedanklich von der TI unterschieden werden, haben aber technisch Berührungspunkte. Außerdem betonte Langguth, dass die Gematik technische Systeme weder selbst entwickelt noch betreibt, mit Ausnahme des Betriebs des E-Rezepts.

Gesamtverantwortung fehlt, …

An der Digitalisierung des Gesundheitswesens kritisiert Langguth grundsätzlich, dass dabei oft nur analoge Prozesse „elektrifiziert“ würden. Man habe lange gedacht, dann werde alles Weitere von allein laufen, dabei aber den „Riesen Change-Prozess“ übersehen. Für die Digitalisierung sei es wichtig, Prozesse neu und effizient zu denken. Doch das Gesundheitswesen arbeite dokumentenbasiert. Darum werde primär an der Übermittlung von Dokumenten und dem Zugang zu diesen Dokumenten gearbeitet, aber nicht an neuen Prozessen. Das größte Problem ist für Langguth aber die bisher fehlende „Ende-zu-Ende-Verantwortung“. Niemand habe die Gesamtverantwortung. Darum fühle sich niemand zuständig, wenn Teile des Systems nicht zusammenpassen. Dies habe sich besonders beim E-Rezept gezeigt. Dort war die Gematik nur für die Übermittlung verantwortlich, aber es fehlten notwendige Regeln zur Abrechnung.

… soll aber künftig kommen

Doch Langguth erwartet hier Besserung. Denn mit der neuen Digitalstrategie des Bundes solle die Gematik die Gesamtverantwortung übernehmen. Mit der geplanten Komplettübernahme durch den Bund werde die Zuständigkeit der Selbstverwaltung enden, aber es sei vorgesehen, die Nutzer, also Ärzte und Apotheker, aktiv in die Konzeption einzubinden. Die Gematik solle die Technik weiterhin nicht selbst entwickeln. Das Vetorecht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik und des Bundesdatenschutzbeauftragten, das bisher blockierend gewirkt habe, solle entfallen. Damit werde sich der Weg einer Idee zur Praxis wesentlich ändern, erwartet Langguth, aber dies sei bisher nur ein White Paper des Ministeriums. Der erwartete Referentenentwurf werde spannend, meint Langguth.

Langguth erwartet schnellere Arbeit in Apotheken

Als wichtigste Anwendungen der TI betrachtet der Gematik-Kenner derzeit die elektronische Patientenakte (ePA) und für die Apotheken besonders das E-Rezept. Für die weitere Entwicklung des E-Rezepts ist Langguth zuversichtlich, aber er bezweifelte, dass alle Rezeptarten bis 2026 komplett digital abgewickelt werden, insbesondere wegen der Formalitäten bei BtM-Rezepten. Der IT-Berater kündigte an, dass in Kürze eine Übertragungsmöglichkeit vorgestellt werden soll, bei der der Patient den Code in der Arztpraxis mit dem Smartphone fotografieren und dann in der Apotheke vorlegen oder über eine Drittanbieter-App dorthin weiterleiten kann. Als häufigsten Übertragungsweg erwartet er jedoch die Übermittlung über die elektronische Gesundheitskarte in der Apotheke vor Ort.

Langguth prognostizierte eine zunehmende Bedeutung der TI für die Apotheken. „Die TI und ihre Anwendungen sind da und gehen nicht weg“, erklärte er. Dazu gehöre auch die Kommunikation mit Ärzten über KIM als Faxersatz. Dies werde die Heimbelieferung effizient machen. Außerdem erwartet Langguth Erleichterungen für Medikationsanalysen. Denn mit der ePA und dem elektronische Medikationsplan gebe es dafür eine gute Datenbasis. Insgesamt ist Langguth zuversichtlich, dass die Digitalisierung die Arbeit in der Apotheke beschleunigt, wenn sich die Arbeitsabläufe erst einmal eingespielt haben.

 

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Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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