Möglichkeiten und Grenzen der Finanzierung

Ist Factoring auch was für Apotheken?

16.06.2023, 07:00 Uhr

Finanzierung ist die klassische Aufgabe von Banken und Sparkassen. Zu den Alternativen gehört das hier beschriebene Factoring.. (Foto: doris_bredow / AdobeStock)

Finanzierung ist die klassische Aufgabe von Banken und Sparkassen. Zu den Alternativen gehört das hier beschriebene Factoring.. (Foto: doris_bredow / AdobeStock)


Im Zusammenhang mit der Rezeptabrechnung und der Finanzierung taucht immer mal wieder der Begriff Factoring auf. Was ist das eigentlich? Und wofür ist das gut? Um den Begriff ein­ordnen zu können, hilft ein etwas weiterer Blick auf die Unternehmensfinanzierung. Im nächsten Schritt geht es darum, ob und wann Factoring für Apotheken nützlich sein kann.

Jedes Handelsunternehmen muss die eigenen Zahlungen für gelieferte Waren und die eingehenden Zahlungen der Kunden aufeinander abstimmen. Waren müssen finanziert werden, solange sie auf Lager liegen und bis die Kunden bezahlen. Diese Aufgabe gehört begriffsnotwendig zu praktisch jedem Handelsgeschäft. Sie ist ein wesent­licher Aspekt kaufmännischer Tätigkeit. Dazu gehört auch, die Preise so zu kalkulieren, dass die Finanzierung der Ware gewährleistet ist. Das alles lässt sich zwar umgehen, wenn der Kauf nur vermittelt wird, die Ware also in Kommission genommen wird. Doch das ist eine Ausnahme.

Wer finanziert das Warenlager?

Im Normalfall muss der Händler die gehandelte Ware für eine gewisse Zeit finanzieren. Im besten Fall hat er dafür genügend eigenes Kapital. Anderenfalls ist eine Fremdfinanzierung nötig. Für Kreditinstitute ist das Alltag. Im Idealfall stellt die Hausbank, die regelmäßig mit dem Händler arbeitet und seine Zuverlässigkeit und seine Vermögensverhältnisse einschätzen kann, dazu eine Kreditlinie zur Ver­fügung. Die Konditionen dafür angemessen zu kalkulieren, ist der Kern des Bankgeschäfts. Oft müssen nur kurze Zeiträume zwischen fälligen Lieferantenrechnungen und Zahlungen der Kunden überbrückt werden. Dann sollten Zinsen möglichst nur für die Zeit zu zahlen sein, in der tatsächlich ein Kredit in Anspruch genommen wird. Das ist ein Kontokorrentkredit. Je nach Art des Geschäfts und Kapitalausstattung des Händlers kann es aber auch nötig sein, das Lager dauerhaft mit einem Kredit zu finanzieren. Dann ist ein längerfristiger Kredit die zinsgünstigere Alternative. 

Alarmsignal hohe Zinsen oder zusätz­liche Sicherheiten 

Es kann aber auch Gründe gegen solche Finanzierungen geben. Der wichtigste Grund ist, dass bereits langfristige Kredite bestehen und die Bank für weitere Kredite sehr hohe Zinsen oder zusätz­liche Sicherheiten fordert, die nicht vorhanden sind. Aus kaufmännischer Sicht wäre das allerdings ein Alarmsignal. Ein Händler, der von seiner Hausbank keine angemessene Finanzierung erhält, hat entweder die falsche Bank gewählt oder sollte sein Geschäftsmodell und seine Kapitalausstattung hinterfragen. Ist das Geschäft zu groß für seine Vermögensverhältnisse? Oder ist das Geschäftsmodell so knapp kalkuliert, dass bei ungünstigen Entwicklungen schnell der Zusammenbruch droht?

Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – gibt es ein riesiges Angebot an anderen Finanzierungsformen. Meist zielen sie darauf, Liquidität zu schaffen, wenn die Bonität für einen „normalen“ Kredit nicht mehr ausreicht. Manchmal liegen die Verhältnisse allerdings anders und die alternative Finanzierungsform ist tatsächlich günstiger, weil sie passgenau für eine branchenspezifische Fragestellung konstruiert wurde. Dann können solche Angebote auch bei guter Bonität interessant sein.

Was ist Factoring?

Bei der enormen Vielfalt solcher Finanzierungsformen soll an dieser Stelle nur interessieren, dass einige davon das Factoring nutzen. Dabei verkauft der Eigentümer einer Forderung diese an einen sogenannten Factor. Dieser Factor ist ein Finanzdienstleister, der dem ursprünglichen Inhaber der Forderung schnell den weitaus größten Teil des ausstehenden Betrages zahlt und sich dann selbst darum kümmert, das Geld vom Zahlungspflichtigen zu erhalten. Dabei erhält der Finanzdienstleister vom ursprünglichen Inhaber der Forderung eine Gebühr für die Leistung und Zinsen für den überbrückten Zeitraum. Der Vorteil für den ursprünglichen Inhaber der Forderung liegt in der Geschwindigkeit der Zahlung. Er erhält schnell Liquidität, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen. Das ist besonders interessant, wenn schwer einzuschätzen ist, wann der Zahlungspflichtige die Rechnung begleichen wird. Wenn statt einer solchen Forderung dann liquide Mittel in der Bilanz stehen, kann dies wiederum die Bonität des Unternehmens erhöhen und bei der Aufnahme anderer Kredite helfen. Der Factor hingegen profitiert von Gebühren und Zinsen und kann möglicherweise gebündelte Forderungen zu guten Konditionen weiterverkaufen.

Die prinzipiell gleiche Konstruktion kann sich auch aus einer anderen Ausgangssituation ergeben. Dann gibt ein Zahlungspflichtiger seine Verbindlichkeit an einen Factor weiter. Der Finanzdienstleister zahlt an den Rechnungssteller und erhält das Geld zuzüglich Gebühren und Zinsen später vom ursprünglich Zahlungspflichtigen. Auch in diesem Fall erkauft sich ein Unternehmen vom Factor Liquidität für eine gewisse Zeit, ohne einen Kredit in Anspruch zu nehmen.

Varianten im Detail

Bei Factoring-Geschäften hängen die Bedingungen im Detail sehr davon ab, wie gut die Beteiligten jeweils die Bonität der Zahlungspflichtigen einschätzen können. Außerdem werden verschiedene Arten des Factorings unterschieden. Beim echten Factoring übernimmt der Finanzdienstleister das Ausfallrisiko. Beim unechten Factoring bleibt das Ausfallrisiko hingegen beim ursprünglichen Inhaber der Forderung. Unternehmen, die Factoring betreiben, sind Finanzdienstleistungsinstitute im Sinne des Kreditwesengesetzes und unterliegen den strengen Regularien dieses Gesetzes.

Factoring bei der Rezeptabrechnung

Für Apotheken können Finanzierungskonstruktionen mit Factoring typischerweise an zwei Stellen interessant sein. Einige Apothekenrechenzentren arbeiten mit Factoring, um damit die schnelle Auszahlung der Abrechnungsgelder zu unterstützen. Dies ist stets ein unechtes Factoring, was angesichts der Bonität der Krankenkassen unproblematisch ist. Dabei treten die Apotheken ihre Forderung an das Rechenzentrum ab, das als Factor tätig wird. Diese Konstruktion ist durch die Insolvenz des Rechen­zentrums AvP ins Bewusstsein der Berufsöffentlichkeit gerückt. Die Abtretung in Verbindung mit der Vermischung von Abrechnungsgeldern und Mitteln des Rechenzentrums hat sich dabei als problematisch erwiesen. Auch der Marktführer Noventi arbeitet mit Factoring, betont aber die sorg­fältige Trennung der Mittel. Außerdem bietet Noventi mittlerweile eine bedingte Abtretung an, die die Apotheken besonders schützen soll. Diese „Zug-um-Zug-Abtretung“ wird erst wirksam, wenn das Rechen­zentrum an die Apotheke zahlt (siehe AZ 2021, Nr. 8, S. 3 und DAZ 2022, Nr. 22, S. 14).

Factoring als Einkaufsfinanzierung

Während die Rezeptabrechnung eine apothekenspezifische Besonderheit ist, können Apotheken wie alle anderen Handelsunternehmen das Factoring auch bei der Einkaufsfinanzierung nutzen. Dabei kauft der Factor den Lieferanten der Apotheke ihre Forderungen gegen die Apotheke ab und zahlt dabei sofort an die Lieferanten. Die Apotheke zahlt später an den Factor und gewinnt damit für die Zwischenzeit Liquidität, um beispielsweise die Zeit bis zum Eingang der Zahlung vom Rechenzentrum zu überbrücken. Solche Konzepte werden von vielen Finanzdienstleistern angeboten.

Ein Beispiel ist bzw. war die Einkaufsfinanzierung von Noventi unter der Bezeichnung „Factoring plus“. Ab 2019 wurde sie für frei wählbare Verwendungen angeboten, wobei das Zahlungsziel um bis zu drei Monate verlängert wurde. Im Sommer 2021 folgte eine Partnerschaft mit dem Großhändler Phoenix, wobei Noventi die Phoenix-Rechnungen übernimmt und die Apotheke später an Noventi zahlt (siehe DAZ 2021, Nr. 30, S. 12). Inzwischen hat Noventi jedoch im Rahmen seines Programms „Fokussierung 2025“ beschlossen, „Factoring plus“ über die bestehenden Verträge hinaus nicht mehr anzubieten. Nach Angaben von Noventi werden die bisherigen Nutzer mindestens zwölf Monate vor Vertragsablauf angesprochen, um geeignete Alternativen zu finden.

Fazit: Die Konditionen sind entscheidend

Damit bleibt festzuhalten: Finanzierung ist die klassische Aufgabe von Banken und Sparkassen. Zu den Alternativen gehört das hier beschriebene Factoring. Die Auswahl der Finanzierung ist eine zentrale kaufmännische Aufgabe. Dabei ist der Vergleich der Konditionen maßgeblich. Wenn eine Finanzierungsform allerdings gewählt werden „muss“, weil andere Optionen ausgereizt sind, sollte dies ein Anlass sein, grundsätzlich über das eigene Geschäft nachzudenken. Im Unterschied zu den meisten anderen Unternehmen stehen Apotheken dabei allerdings vor dem zusätzlichen Problem, dass sie in ihrem größten Arbeits­gebiet die Preise wegen der Preis­bindung nicht erhöhen können. Das begrenzt den Handlungsspielraum. Deshalb müssen sich Apotheken­inhaber erst recht Gedanken über ihre Finanzierung machen


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Forderungsabtretungen

von Jamshed Poonawalla am 16.06.2023 um 8:19 Uhr

Um wieder ‚gleichlange Spieße‘ herzustellen, könnte man bspw. auch mit dem GH Hand in Hand arbeiten.

So könnten der GH seine Sammelrechnung an eine apotheker-eigene Firma bspw. in Polen verkaufen, deren Gesellschafter wiederum der einzelne Apotheken-Inhaber ist, der diese Rechnung bezahlen müsste.

Diese Gesellschaft bezahlt dann bspw. den vom GH rabattierten rx-Betrag an den GH, aber die gleiche Gesellschaft zieht bei den Apotheken den unrabattierten Betrag vom Apotheken-Konto ein...

Der rx-Rabatt verbleibt so als Gewinn bei dieser Gesellschaft und wird an den Gesellschafter (den gleichen Apotheker) ausgeschüttet.

Dadurch sinkt das Betriebsergebnis der Apotheke im Inland und der Gewinn der Gesellschaft wird im Ausland mit einem geringeren Steuersatz versteuert.

So ein Modell wäre dann durch den Verband nach Rücksprache mit den Steuerberatern im In- und EU-Umland nach Belieben zu erweitern...

In diese Richtung könnte man als Verband gemeinsam mit den Steuerberatern denken und ein europaweit legales Modell entwickeln, um die Politik zum Nachdenken zu bringen, ob es wirklich sinnvoll ist, ALLE Berufsgruppen im Gesundheitswesen den Finanzierungskosten des Solidarsystems unterzuordnen...

Ich könnte mir vorstellen, daß die Entwicklung eines solchen oder ähnlichen LEGALEN Modells aufgrund des freien Warenverkehrs innerhalb der EU rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Zur Not könnte man – genau wie die Versender - für die Lenkung der Dokumente auch ein Gebäude auf die Bundegrenze setzen, das einen Eingang in Deutschland und einen im EU-Umland hat.

…und dann wären sie plötzlich wieder da – die 'gleichlangen Spieße'

P.S.: das o.g. ist natürlich erstmal nur Theorie - ein legals Modell müsste erst mit den Steuerberatern im In- und EU-Umland entwickelt werden. Das bedeutet Kosten und Risiko, welche ich alleine nicht stemmen möchte...

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