EU-Parlament

Pharmaindustrie soll sich an Kosten der Abwasserreinigung beteiligen

Stuttgart - 10.10.2023, 11:00 Uhr

Die Europaabgeordneten wollen, dass gereinigtes Abwasser aus kommunalen Kläranlagen in größerem Umfang wiederverwendet wird, beispielsweise in industriellen Prozessen. (Foto: bilanol / AdobeStock)

Die Europaabgeordneten wollen, dass gereinigtes Abwasser aus kommunalen Kläranlagen in größerem Umfang wiederverwendet wird, beispielsweise in industriellen Prozessen. (Foto: bilanol / AdobeStock)


Ein Legislativvorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie sah bereits vergangenes Jahr vor, dass sich nach einem Verursacherprinzip künftig Pharma- und Kosmetikindustrie an den Kosten der Abwasserreinigung beteiligen müssen. Pharmaverbände zeigten sich wenig begeistert von dem Vorschlag, doch das EU-Parlament hat sich nun mit gewissen Änderungen dafür ausgesprochen. Allerdings wird es noch dauern, bis die neuen Regeln in Kraft treten können.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte die EU-Kommission einen Legislativvorschlag für die Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie veröffentlicht. Demnach sollte eine – in Umweltdiskussionen häufig als notwendig erwähnte – vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen künftig über zwei Industriezweige finanziert werden: über die Pharma- und über die Kosmetikindustrie. Pharmaverbände hielten das Vorhaben allerdings für verfassungswidrig.

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Die Verbände beriefen sich dabei auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Professor Udo Di Fabio. Eine solch einseitige Belastung der Arzneimittelhersteller hätte negative Auswirkungen auf die Patientenversorgung, hieß es außerdem. Doch der Entwurf der EU-Kommission bezeichnete die Hersteller von Arzneimitteln und Körperpflegeprodukten klar als Hauptverursacher schädlicher Mikroverunreinigungen im Abwasser. Zudem sollten den Herstellern nicht nur Kosten auferlegt werden, sondern auch Anreize geschaffen werden, weniger schädliche Produkte auf dem EU-Markt zu etablieren. Und es sollte Ausnahmen geben: Hersteller würden von den Kosten entlastet werden, wenn sie von ihrem Produkt weniger als zwei Tonnen pro Jahr auf den Markt bringen oder ihre Produkte nachweislich keine Mikroverunreinigungen verursachen.

Erweiterte Herstellerverantwortung soll durch nationale Finanzierung ergänzt werden

Mittlerweile hat der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments am 30. September 2023 seine Position zur Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie verabschiedet. Am 5. Oktober wurde dann im EU-Parlament darüber abgestimmt. Dabei wurde der ursprüngliche Vorschlag, die Pharma- und Kosmetikindustrie an den Kosten der Abwasserreinigung zu beteiligen, angenommen. Allerdings soll, anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen, diese sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung durch eine nationale Finanzierung ergänzt werden. So sollen unbeabsichtigte Folgen für die Verfügbarkeit von Arzneimitteln vermieden werden. Die erweiterte Herstellerverantwortung soll unabhängig davon gelten, ob die Produkte oder Vorstufen davon in der EU oder Drittländern hergestellt wurden.

Bevor die neuen Regeln in Kraft treten können, müssen sich noch die EU-Staaten auf eine Position zu dem Vorhaben einigen. In einem letzten Schritt müssen Parlament und der Rat der EU-Staaten einen Kompromiss aushandeln. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der etwa die Interessen der Abwasserwirtschaft vertritt, bezeichnete den Vorschlag als Meilenstein der Gewässerpolitik. Er schaffe Anreize, um Verschmutzungen zu vermeiden und schütze Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kosten durch steigende Abwassergebühren.


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Arzneimittelhersteller sollen für Abwasserreinigung zahlen

von Michael Johner am 10.10.2023 um 18:22 Uhr

Der Gedanke wäre ausgezeichnet, wenn das Verursacherprinzip auch für alle anderen Abfallerzeuger auch gelten würde. Zum Beispiel für Bauern, Viehzüchter, Verwender von Pestiziden (z. B. Glyphosat), alle anderen Industriezweige und so weiter. Abgesehen davon ist dieser Weg sicher der Richtige, um die Pharmaproduktion wieder nach Europa zu holen und ein substanzielle Beitrag zur Stärkung des Industriestandortes Europa im Allgemeinen.
Und nein, ich verfalle nicht in Polemik. Ich finde diese Idee nicht übel. Aber bitte bis zum Ende durchdenken und nicht nur eine Brache isoliert betrachten.

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