Apothekerin aus der Abrechnungsprüfung

„Wir möchten nicht retaxieren“

Mannheim - 16.04.2024, 15:15 Uhr

Apotheker Carl Geffers von PTAheute im Gespräch mit Apothekerin Kaija Herholz von der AOK auf der INTERPHARM-Bühne. (Foto: Schelbert)

Apotheker Carl Geffers von PTAheute im Gespräch mit Apothekerin Kaija Herholz von der AOK auf der INTERPHARM-Bühne. (Foto: Schelbert)


Rund um Retaxfallen ging es am Samstag auf der INTERPHARM 2024. Doch wie läuft eigentlich die Rezeptprüfung bei einer Krankenversicherung ab? Eine Apothekerin der AOK Baden-Württemberg bot im Gespräch auf der INTERPHARM-Bühne persönliche Eindrücke in ihren Arbeitsalltag.

Mit Retaxfallen beschäftigten sich auf der INTERPHARM 2024 in Mannheim sowohl der PTA Thomas Noll vom Deutschen Apotheken Portal in Köln als auch Apotheker Carl Geffers von PTAheute gemeinsam mit Apothekerin Kaija Herholz. Herholz war von 2014 bis 2021 in verschiedenen Apotheken tätig und arbeitet seit 2022 bei der AOK Baden-Württemberg in der Abrechnungsprüfung. In einem Interview stellte sie sich auf der Bühne den Fragen von Geffers.

Regelmäßiger Austausch mit dem Landesapothekerverband

Herholz warb allgemein für Verständnis, dass jede Krankenversicherung unterschiedlichen Prüfsystematiken folge und sie deshalb die Fragen nur aus ihrer persönlichen Perspektive beantworten könne. Sie betonte zudem, dass die Krankenkassen zur Abrechnungsprüfung verpflichtet seien, weil sie wie Apotheken und Arztpraxen dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegen. Da sie für die Gleichbehandlung aller Apotheken sorgen müssten, gebe es bei ihrer Prüfung auch keinen speziellen Fokus. Sie müssten die volle Bandbreite prüfen, um keine Versichertengelder zu verschwenden. „Wir möchten nicht retaxieren“, betonte Herholz. Man sei deshalb auch im regelmäßigen Austausch mit dem Landesapothekerverband, um auf systematische Fehler aufmerksam zu machen.

Pharmazeutische Bedenken fachlich begründen

Auf die Frage Geffers, ob Apotheker:innen auf etwas Bestimmtes achten sollten, wenn sie pharmazeutische Bedenken auf einem Rezept anwenden, erklärte Herholz, dass es keine Systematik gebe, der man folgen könnte. Pharmazeutische Bedenken sollten auf jeden Fall immer fachlich begründet seien. Solange das der Fall ist, werde auch eine wiederkehrende Anwendung nicht automatisch retaxiert. Wenn von einer Praxis Rezepte aber immer wieder so verordnet werden, dass die Anwendung von Pharmazeutischen Bedenken notwendig wird, rät sie doch dazu, das Gespräch mit der Praxis zu suchen. Dabei betonte Herholz: Am Ende hat der/die Ärzt:in die Therapiehoheit – auch die wirtschaftliche. Auch Ärzt:innen müssten mit Regressen rechnen.

Akutversorgung auch Tage später möglich

Herholz betonte, dass bei der AOK Baden-Württemberg in der Abrechnungsprüfung fachlicher Sachverstand angewendet würde. So sei die Anwendung des Sonderkennzeichens für die „Akutversorgung“ auch möglich, wenn das Rezept bereits älter ist und erst Tage später eingereicht wird. „Akutversorgung“ sei beispielsweise bei allen Arzneimitteln angebracht, die man sonst ausschleichen müsste.

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Auch hinsichtlich der Nachweise der Lieferfähigkeit wolle man bei der AOK „keinen Papierkrieg“ anfangen. Wenn beispielsweise Hochpreiser in der Apotheke nicht lieferbar sind, sollte man laut Herholz aber ganz genau hinschauen, ob den Kund:innen mit einem Ersatzpräparat nicht hohe Mehrkosten in Rechnung gestellt werden müssen. Insgesamt fokussiere man sich vor allem auf Punkte mit finanziellen Auswirkungen – z.B. das Einhalten der Rabattverträge oder die Rezepturberechnung. 

Man sollte verstehen, was man tut

Insgesamt warb Herholz dafür einen Blick in die Arzneiversorgungsverträge zu werfen, um zu „verstehen, was man tut“. Sie räumte aber ein, dass sie es bei der Beachtung der Verträge einfacher habe als die Apotheken, die viele verschiedene Verträge berücksichtigen müssen: „Wir haben nur unsere Verträge“, sagte sie. Sie verwies auf das Deutsche Apotheken Portal für „schöne Übersichten“. PTA Thomas Noll vom Deutschen Apotheken Portal hatte zuvor auch auf der INTERPHARM 2024 eine solche Übersicht geboten – speziell im Hinblick auf das E-Rezept.

In jedem Fall würden Nachkontrollen oder die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips Sinn ergeben, um Retaxierungen zu vermeiden, betonte Herholz.

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Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Wir möchten nicht retaxieren...

von Alfons Neumann am 17.04.2024 um 0:06 Uhr

.. - warum tut Ihr es dann, wenn Ihr wissen müßtet, daß ein Retax aus Patienten-Apotheker-Akut-Versorgungs-Sicht absolut überflüssig ist ??
Kein Verständnis - eher Streik gegen KraKa nötig !!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Legalisierter Diebstahl und Kalkül

von Dr. House am 16.04.2024 um 21:20 Uhr

All diese „netten“ und den Anschein von Konstruktivität erweckenden Worte werden von einer Tatsache überschattet. Viele Kassen, darunter auch einige AOK‘en ignorieren schlicht die Frage, ob der Patient versorgt wurde. Das interessiert sie gar nicht, weil sie dem Patienten ja nicht von Angesicht zu Angesicht erklären müssen, warum er ein ungültiges Rezept hat. Sie denken nur in verschiedenen Geldtöpfen, Gesetzeslücken und Grauzonen in Verträgen. Dabei werden diese Regeln möglichst oft geändert und verkompliziert, damit man gar keine Chance hat irgendwann den kompletten Durchblick zu erhalten. Ich könnte Ihnen so einige Beispiele aus meinem Retaxordner zeigen, die einem menschlichen und kollegialen Miteinander im Sinne einer vernüftigen Patientenversorgung komplett widersprechen. Einigen (nicht allen) Kassen ist ihre Macht zu Kopf gestiegen, ihr Verhalten ist schamlos, erniedrigend und der Umstand, dass einige Retaxateure auf Provisionsbasis arbeiten ist pures Gift für die Versorgung. Das E-Rezept wird zeigen mit welchem Kalkül die Kassen vorgehen. Ich wette, oh ja ich wette, sie lassen gerade juristisch prüfen inwieweit man uns mit fehlenden oder fehlerhaften, weil von Hand eingegebenen Chargen oder Formfehlern bei der Rezeptausstellung basierend auf Freitexten drankriegen kann. Das einzige, was mir halbwegs Genugtuung verspricht, ist der Gedanke, dass auch sie eines Tages ein Patient in dem von ihnen verschandelten Gesundheitssystem sein werden und auf die ein oder andere Art das ernten werden, was sie gesäht haben. Karmisch gibt es nämlich keinen Unterschied zwischen illegalem und legalisiertem Diebstahl und Karma ist bekanntlich eine B**ch.

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