Arbeitsrecht

Eigenmächtiger Einblick in fremde Personalakte rechtfertigt Kündigung

Berlin - 02.05.2024, 16:45 Uhr

Mögen sie auch nicht besonders gesichert sein: Die Personalakten der Kolleg*innen sind in der Apotheke tabu. (Foto: IMAGO / Panthermedia)

Mögen sie auch nicht besonders gesichert sein: Die Personalakten der Kolleg*innen sind in der Apotheke tabu. (Foto: IMAGO / Panthermedia)


Heimlich arbeitsvertragliche Unterlagen einer Kollegin zu fotografieren und dann via WhatsApp an andere Kolleginnen zu schicken, um diese bei ihren Gehaltsverhandlungen zu unterstützen – damit hat sich eine angestellte Apothekerin eine Kündigung eingehandelt. Zu Recht, wie das Arbeitsgericht Mainz in einem rechtskräftigen Urteil befunden hat. 

Apothekenpersonal ist rar – trotz der wirtschaftlich angespannten Lage vieler Apotheken sind übertarifliche Vergütungen keine Seltenheit. Sind in einem Apothekenteam langjährige ebenso wie neuere Mitarbeiter*innen beschäftigt, kann es vorkommen, dass die einen besser wegkommen als die anderen. Wenn die Kolleg*innen nicht selbst über ihr Gehalt sprechen wollen, lässt sich darüber allerdings nur spekulieren.

Eine Apothekenangestellte, die die Gehaltsstruktur in der Apotheke als ungleich und ungerecht empfand und dafür eigenmächtig Bestätigung in den Personalakten suchte, bezahlte dafür nun mit ihrem Job. Zwar zog sie gegen die von ihrem Chef ausgesprochene ordentliche Kündigung vor das Arbeitsgericht – doch dieses hielt die Kündigung für rechtens.

Was ist passiert?

Was war genau geschehen? In der Apotheke, in der sich der Fall abspielte, standen die Ordner mit Personalunterlagen im Büro des Apothekeninhabers. Besonders gesichert waren diese nicht. Doch von der früheren Inhaberin waren die Beschäftigten darauf hingewiesen worden, dass niemand auf diese Akten zugreifen dürfe.

Die später gekündigte Approbierte verschaffte sich dennoch Zugriff auf die Unterlagen. Dem Gericht lag der Screenshot eines WhatsApp-Chatverlauf vor, in dem diese offenbar ein Foto eines Arbeitsvertrages einer Kollegin an eine andere Kollegin – und spätere Zeugin – verschickt hatte. Diese Nachricht war zwar gelöscht worden, doch aus dem weiteren Chat lässt sich herauslesen, dass es sich um ein Dokument handelte, das Auskunft zum Gehalt gab. Dem folgte ein eher flapsiger Chat über vertrauliche Daten in „öffentlich“ in der Apotheke stehenden Personalakten. Die Klägerin erklärte, sie werde das Foto löschen, wenn der Chef reagiere.

Kollegin fordert Gehaltserhöhung

Am selben Tag forderte die Zeugin, der diese vertraulichen Dokumente zuteilwurden, gemeinsam mit einer anderen Arbeitnehmerin in einem Personalgespräch eine Gehaltserhöhung von 30 Prozent über Tarif. Dabei wiesen sie auf die Bezahlung einer weiteren Kollegin hin.

Drei Wochen später erfuhr der Apothekeninhaber von der Mitarbeiterin, deren Arbeitsvertrag fotografiert und verbreitet worden war, von den Geschehnissen. In der Folge sprach dieser der forschen Approbierten eine ordentliche Kündigung aus und stellte sie sofort frei.

Klage gegen Kündigung

Im anschließenden arbeitsrechtlichen Verfahren wollte die Klägerin festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde. Vielmehr wollte sie erreichen, dass es gegen eine Abfindung beendet wird. Die Apothekerin sah sich keiner Schuld bewusst. Im Chat sei nur eine lange laufende Diskussion unter Kolleginnen weitergeführt worden – auch wenn sie einräumte, „locker-unsauber“ über WhatsApp kommuniziert zu haben. Sie warf ihrem ehemaligen Chef hingegen vor, gegen Datenschutzvorschriften verstoßen zu haben, indem er die Akten nicht angemessen geschützt habe. Der Beklagte wiederum hielt angesichts des Vorgehens der Approbierten das Vertrauen für zerstört. Die Klägerin habe eigensüchtig und ohne Unrechtseinsicht gehandelt und mit ihrem Verhalten auch gegen die Berufsordnung verstoßen.

Sozial gerechtfertigte Kündigung

Das Arbeitsgericht Mainz wies die Klage am Ende ab. Die Kündigung, bedingt durch das Verhalten der Klägerin, sei sozial gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes, entschied es. Die Arbeitnehmerin habe ihre vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und schuldhaft verletzt, dem Arbeitgeber sei daher nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Bereits die unerlaubte Einsichtnahme von Mitarbeitern in Personalakten und/oder Gehaltsunterlagen ihrer Arbeitskollegen im Betrieb könne eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, führt das Gericht aus. Zudem dürfe ein Arbeitnehmer nicht ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten für betriebsfremde Zwecke vervielfältigen. Dazu gibt es bereits Rechtsprechung.

Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht 

Das Gericht war angesichts der Beweislage überzeugt, dass die Klägerin gegen ihre arbeitsvertragliche Rücksichtnahme- und Treupflicht verstoßen habe, indem sie in die Personalakte der Kollegin Einblick nahm, daraus ein Dokument mit Angaben zum vereinbarten Gehalt ablichtete, dieses Bild speicherte und an die später als Zeugin auftretende Kollegin per WhatsApp übermittelte. Damit habe sie auch einen schwerwiegenden Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kollegin begangen, in deren vertrauliche Unterlagen sie sich Einsicht verschaffte und sie verbreitete.

Dass die Akten nicht besonders gesichert waren, rechtfertige ihr Handeln auch nicht. Die Personalunterlagen hätten gerade nicht in einem öffentlich und frei zugänglichen Bereich gestanden, sondern im Büro. Und selbst wenn ein Verstoß gegen eine sorgfältige Verwahrung vorgelegen haben sollte, ändere dies nichts daran, dass die Klägerin nicht berechtigt war, in fremde Personalakten Einblick zu nehmen, geschweige denn sie zu fotografieren und mit anderen zu teilen.

Der richtige Weg

Ebenso wenig habe die von der Klägerin als intransparent und ungerecht empfundene Bezahlung durch den Beklagten zu ihrem eigenmächtigen Vorgehen berechtigt. Vielmehr hätte sie bei einer vermuteten ungerechtfertigten ungleichen Bezahlung Auskunft zur Ordnung der übertariflichen Zulagen im Betrieb und zu etwaigen Differenzierungsgründen verlangen können. Notfalls hätte sie im Wege der Stufenklage auf Zahlung der nicht gewährten Zulage klagen können.

Eine Abmahnung, so das Gericht weiter, sei als milderes Mittel nicht in Betracht gekommen – dafür sei die Pflichtverletzung zu schwerwiegend.

Die letztlich vorzunehmende Interessenabwägung fällt somit zulasten der klagenden Approbierten aus: Das Interesse des Apothekeninhabers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege das der Klägerin an einer Fortsetzung.

 

Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 13. Dezember 2023, Az.: 10 CA 581/23 - rechtskräftig


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Entgeltfortzahlung nicht automatisch gesichert

Zweifelhafte AU

Keine Nachgewährung von Erholungsurlaub

Quarantäneanordnung steht AU-Bescheinigung nicht gleich

Auch eine Kündigung ohne Abmahnung ist möglich

Wenn der Fauxpas zu groß ist

Martin Porwoll gewinnt Arbeitsprozess gegen Zyto-Apotheker

Kündigung war nicht gerechtfertigt

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.