Priv.-Doz. Dr. Olaf Rose, Apotheker am Institut für Pharmazie/klinische Pharmazie an der Paracelsus Medizinischen Universität, hat bei der Erstellung der Nationalen Versorgungsleitlinie zur koronaren Herzerkrankung mitgewirkt. Im Interview mit der DAZ spricht er über die Rolle der Apotheken in der Leitlinie.
DAZ: Die Nationale Versorgungsleitlinie chronische KHK wurde aktualisiert. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Neuerungen?
Rose: Was die Pharmakotherapie betrifft, so wurde in der Leitliniengruppe besonders intensiv um die Plättchentherapie und die Lipidsenkung gerungen. Bei der LDL-Cholesterol-Senkung gibt es international die beiden Ansätze der Senkung auf < 55 mg/dl (treat-to-target, European Society of Cardiology) versus einer festen Dosierung (fire and forget, American College of Cardiology/American Heart Association). Für die feste Dosierung sprechen Evidenz und geringerer Aufwand/geringere Kosten. Die Zielwertstrategie ist hingegen genauer. Da man sich nicht auf einen Ansatz einigen konnte, wurden beide Wege in die Leitlinie aufgenommen, so dass man den für sich gangbarsten Weg wählen kann. Das ist eigentlich auch sehr schön und praktikabel, es ermöglicht Freiräume in der partizipativen Entscheidungsfindung. Es wurden dann natürlich die neuen Ansätze Bempedoinsäure und PCSK-9-Hemmer aufgenommen bzw. überarbeitet.
DAZ: Apothekerinnen und Apotheker werden nur einmal in der Leitlinie erwähnt. Was sind Gründe dafür, dass sie nicht mehr Berücksichtigung gefunden haben?
Rose: Es handelt sich nicht um eine vollkommen neue Leitlinie, sondern es wurden von der Leitliniengruppe nur bestimmte Kapitel der vorherigen Leitlinie in unterschiedlicher Intensität überarbeitet. Es ergab sich leider keine Gelegenheit, die Apothekerschaft umfassender einzubringen. Dennoch bestand Konsensus für die Formulierung „dass die Einbindung von Apothekerinnen und Apothekern erfolgen soll, wenn aus Multimorbidität und Polypharmazie komplexe Fragestellungen resultieren“. Hieran bestand kein Zweifel, und damit ist eigentlich ja auch schon alles gesagt. Tatsächlich fehlt es abseits vom Medikationsmanagement an spezifischen Ansätzen, wie die Apothekerschaft sich beim Thema KHK dezidiert mit Leistungen einbringen möchte, so dass auch die Argumente und die Daten fehlten, um das Fass neu aufzumachen. Die standardisierte Blutdruckmessung wird ja in der Leitlinie Hypertonie aufgegriffen. Natürlich gibt es zahlreiche Interventionen, für die sich die Apotheke anbieten würde. Hier ist weitere Forschung also dringend angezeigt, um in Zukunft Konzepte unter Beteiligung der Apotheke anbieten zu können.
DAZ: Was erscheint bei der pharmazeutischen Betreuung von KHK-Patienten besonders wichtig?
Rose: Zunächst einmal sollte die Standard-Pharmakotherapie überprüft werden. Diese besteht ja mindestens aus einem oder mehreren antianginösen Wirkstoffen (Betablocker, Nicht-Dihydropyridin-Calciumkanalblocker, gegebenenfalls Nitrat), einer Thrombozytenaggregationshemmung und einer Lipidsenkung. Als Bedarfsmedikation soll bei Angina-pectoris-Beschwerden ein Nitrospray vorhanden sein. Besonders interessant ist dann wieder die lipidsenkende Therapie. Aufgrund der häufigen negativen Vorurteile gegenüber Statinen bietet die Leitlinie jetzt auch Strategien, um die Adhärenz zu verbessern. Hier ist ein Auslassversuch möglich, um Änderungen bei den oft vermeintlichen Muskelbeschwerden zu prüfen, dann das Ausloten der maximal tolerierten Statin-Dosierung, gegebenenfalls in Kombination mit Ezetimib, dann die Kombination Bempedoinsäure/Ezetimib. Die Patienten in den LDL-Zielbereich zu bringen, dürfte in vielen Fällen also die wichtigste Tätigkeit in der pharmazeutischen Betreuung von KHK-Patienten sein, und man sollte den Patienten engmaschig begleiten, damit es nicht zum Abbruch der Therapie kommt. Darüber hinaus ist aufgrund der Polymedikation ein Medikationsmanagement immer sinnvoll, schon um Fehler in Pharmakotherapie, Versorgung und Anwendung auszuschließen.
DAZ: Herr Rose, vielen Dank!
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